Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

schaft zu, wo Mangobäume und Brotfruchtbäume 1 gezogen
werden. Letztere waren im sechsten Jahr bereits über 13 m
hoch. Manche Artokarpusblätter, die wir maßen, waren 92 cm
lang und 48 cm breit, bei einem Gewächs aus der Familie
der Dikotyledonen eine sehr auffallende Größe.

Ich beschließe dieses Kapitel mit einer kurzen Beschrei-
bung des spanischen Guyana (Provincia de la Guyana),
welche einen Teil der alten Capitania general von Caracas
ausmacht. Nachdem ich ausführlich berichtet, was die Flüsse
Apure, Orinoko, Atabapo, Rio Negro und Cassiquiare an
Momenten zur Geschichte unseres Geschlechts und an Natur-
erzeugnissen Bemerkenswertes bieten, erscheint es von Wert,
diese zerstreuten Züge zusammenzufassen und ein allgemeines
Bild eines Landes zu entwerfen, das einer großen Zukunft
entgegengeht und schon jetzt die Augen Europas auf sich zieht.
Ich beschreibe zuerst die Lage von Angostura, der jetzigen
Hauptstadt der Provinz, und verfolge dann den Orinoko bis
zum Delta, das er an seiner Mündung bildet. Ich entwickle
darauf den wahren Lauf des Rio Carony, an dessen frucht-
baren Ufern die Mehrzahl der indianischen Bevölkerung der
Provinz lebt, und beweise aus der Geschichte der Geographie,
wie die fabelhaften Seen entstanden sind, die so lange unsere
Karten verunziert haben.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts haben hinter-
einander drei Städte den Namen Santo Tome de la
Guyana
geführt. Die erste lag der Insel Faxardo gegen-
über beim Einflusse des Carony in den Orinoko; sie wurde
von den Holländern unter dem Befehl des Kapitäns Adrian
Janson im Jahre 1579 zerstört. Die zweite, gegründet im
Jahre 1591 von Antonio de Berrio, etwa 54 km ostwärts
vom Einflusse des Carony, wehrte sich mutig gegen Sir Walter
Ralegh, den die spanischen Geschichtschreiber der Eroberung
nur unter dem Namen des Korsaren Reali kennen. Die
dritte Stadt, der jetzige Hauptort der Provinz, liegt 234 km
westwärts vom Einflusse des Carony. Sie wurde im Jahre
1764 unter dem Statthalter Don Juaquin Moreno de Men-
doza angelegt, und man unterscheidet sie in den offiziellen
Schriftstücken von der zweiten Stadt, die gewöhnlich die Festung
(el castillo oder las fortalezas) oder Altguyana (Vieja
Guyana
) heißt, als Santo Tome de la Nueva Guyana.

1 Artocarpus incisa.

ſchaft zu, wo Mangobäume und Brotfruchtbäume 1 gezogen
werden. Letztere waren im ſechſten Jahr bereits über 13 m
hoch. Manche Artokarpusblätter, die wir maßen, waren 92 cm
lang und 48 cm breit, bei einem Gewächs aus der Familie
der Dikotyledonen eine ſehr auffallende Größe.

Ich beſchließe dieſes Kapitel mit einer kurzen Beſchrei-
bung des ſpaniſchen Guyana (Provincia de la Guyana),
welche einen Teil der alten Capitania general von Caracas
ausmacht. Nachdem ich ausführlich berichtet, was die Flüſſe
Apure, Orinoko, Atabapo, Rio Negro und Caſſiquiare an
Momenten zur Geſchichte unſeres Geſchlechts und an Natur-
erzeugniſſen Bemerkenswertes bieten, erſcheint es von Wert,
dieſe zerſtreuten Züge zuſammenzufaſſen und ein allgemeines
Bild eines Landes zu entwerfen, das einer großen Zukunft
entgegengeht und ſchon jetzt die Augen Europas auf ſich zieht.
Ich beſchreibe zuerſt die Lage von Angoſtura, der jetzigen
Hauptſtadt der Provinz, und verfolge dann den Orinoko bis
zum Delta, das er an ſeiner Mündung bildet. Ich entwickle
darauf den wahren Lauf des Rio Carony, an deſſen frucht-
baren Ufern die Mehrzahl der indianiſchen Bevölkerung der
Provinz lebt, und beweiſe aus der Geſchichte der Geographie,
wie die fabelhaften Seen entſtanden ſind, die ſo lange unſere
Karten verunziert haben.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts haben hinter-
einander drei Städte den Namen Santo Tome de la
Guyana
geführt. Die erſte lag der Inſel Faxardo gegen-
über beim Einfluſſe des Carony in den Orinoko; ſie wurde
von den Holländern unter dem Befehl des Kapitäns Adrian
Janſon im Jahre 1579 zerſtört. Die zweite, gegründet im
Jahre 1591 von Antonio de Berrio, etwa 54 km oſtwärts
vom Einfluſſe des Carony, wehrte ſich mutig gegen Sir Walter
Ralegh, den die ſpaniſchen Geſchichtſchreiber der Eroberung
nur unter dem Namen des Korſaren Reali kennen. Die
dritte Stadt, der jetzige Hauptort der Provinz, liegt 234 km
weſtwärts vom Einfluſſe des Carony. Sie wurde im Jahre
1764 unter dem Statthalter Don Juaquin Moreno de Men-
doza angelegt, und man unterſcheidet ſie in den offiziellen
Schriftſtücken von der zweiten Stadt, die gewöhnlich die Feſtung
(el castillo oder las fortalezas) oder Altguyana (Vieja
Guyana
) heißt, als Santo Tome de la Nueva Guyana.

1 Artocarpus incisa.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0159" n="151"/>
&#x017F;chaft zu, wo Mangobäume und Brotfruchtbäume <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Artocarpus incisa.</hi></note> gezogen<lb/>
werden. Letztere waren im &#x017F;ech&#x017F;ten Jahr bereits über 13 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/>
hoch. Manche Artokarpusblätter, die wir maßen, waren 92 <hi rendition="#aq">cm</hi><lb/>
lang und 48 <hi rendition="#aq">cm</hi> breit, bei einem Gewächs aus der Familie<lb/>
der Dikotyledonen eine &#x017F;ehr auffallende Größe.</p><lb/>
          <p>Ich be&#x017F;chließe die&#x017F;es Kapitel mit einer kurzen Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung des &#x017F;pani&#x017F;chen Guyana (<hi rendition="#aq">Provincia de la Guyana</hi>),<lb/>
welche einen Teil der alten <hi rendition="#aq">Capitania general</hi> von Caracas<lb/>
ausmacht. Nachdem ich ausführlich berichtet, was die Flü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Apure, Orinoko, Atabapo, Rio Negro und Ca&#x017F;&#x017F;iquiare an<lb/>
Momenten zur Ge&#x017F;chichte un&#x017F;eres Ge&#x017F;chlechts und an Natur-<lb/>
erzeugni&#x017F;&#x017F;en Bemerkenswertes bieten, er&#x017F;cheint es von Wert,<lb/>
die&#x017F;e zer&#x017F;treuten Züge zu&#x017F;ammenzufa&#x017F;&#x017F;en und ein allgemeines<lb/>
Bild eines Landes zu entwerfen, das einer großen Zukunft<lb/>
entgegengeht und &#x017F;chon jetzt die Augen Europas auf &#x017F;ich zieht.<lb/>
Ich be&#x017F;chreibe zuer&#x017F;t die Lage von Ango&#x017F;tura, der jetzigen<lb/>
Haupt&#x017F;tadt der Provinz, und verfolge dann den Orinoko bis<lb/>
zum Delta, das er an &#x017F;einer Mündung bildet. Ich entwickle<lb/>
darauf den wahren Lauf des Rio Carony, an de&#x017F;&#x017F;en frucht-<lb/>
baren Ufern die Mehrzahl der indiani&#x017F;chen Bevölkerung der<lb/>
Provinz lebt, und bewei&#x017F;e aus der Ge&#x017F;chichte der Geographie,<lb/>
wie die fabelhaften Seen ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, die &#x017F;o lange un&#x017F;ere<lb/>
Karten verunziert haben.</p><lb/>
          <p>Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts haben hinter-<lb/>
einander drei Städte den Namen <hi rendition="#g">Santo Tome de la<lb/>
Guyana</hi> geführt. Die er&#x017F;te lag der In&#x017F;el Faxardo gegen-<lb/>
über beim Einflu&#x017F;&#x017F;e des Carony in den Orinoko; &#x017F;ie wurde<lb/>
von den Holländern unter dem Befehl des Kapitäns Adrian<lb/>
Jan&#x017F;on im Jahre 1579 zer&#x017F;tört. Die zweite, gegründet im<lb/>
Jahre 1591 von Antonio de Berrio, etwa 54 <hi rendition="#aq">km</hi> o&#x017F;twärts<lb/>
vom Einflu&#x017F;&#x017F;e des Carony, wehrte &#x017F;ich mutig gegen Sir Walter<lb/>
Ralegh, den die &#x017F;pani&#x017F;chen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber der Eroberung<lb/>
nur unter dem Namen des Kor&#x017F;aren <hi rendition="#g">Reali</hi> kennen. Die<lb/>
dritte Stadt, der jetzige Hauptort der Provinz, liegt 234 <hi rendition="#aq">km</hi><lb/>
we&#x017F;twärts vom Einflu&#x017F;&#x017F;e des Carony. Sie wurde im Jahre<lb/>
1764 unter dem Statthalter Don Juaquin Moreno de Men-<lb/>
doza angelegt, und man unter&#x017F;cheidet &#x017F;ie in den offiziellen<lb/>
Schrift&#x017F;tücken von der zweiten Stadt, die gewöhnlich die Fe&#x017F;tung<lb/>
(<hi rendition="#aq">el castillo</hi> oder <hi rendition="#aq">las fortalezas</hi>) oder Altguyana (<hi rendition="#aq">Vieja<lb/>
Guyana</hi>) heißt, als <hi rendition="#g">Santo Tome de la Nueva Guyana</hi>.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0159] ſchaft zu, wo Mangobäume und Brotfruchtbäume 1 gezogen werden. Letztere waren im ſechſten Jahr bereits über 13 m hoch. Manche Artokarpusblätter, die wir maßen, waren 92 cm lang und 48 cm breit, bei einem Gewächs aus der Familie der Dikotyledonen eine ſehr auffallende Größe. Ich beſchließe dieſes Kapitel mit einer kurzen Beſchrei- bung des ſpaniſchen Guyana (Provincia de la Guyana), welche einen Teil der alten Capitania general von Caracas ausmacht. Nachdem ich ausführlich berichtet, was die Flüſſe Apure, Orinoko, Atabapo, Rio Negro und Caſſiquiare an Momenten zur Geſchichte unſeres Geſchlechts und an Natur- erzeugniſſen Bemerkenswertes bieten, erſcheint es von Wert, dieſe zerſtreuten Züge zuſammenzufaſſen und ein allgemeines Bild eines Landes zu entwerfen, das einer großen Zukunft entgegengeht und ſchon jetzt die Augen Europas auf ſich zieht. Ich beſchreibe zuerſt die Lage von Angoſtura, der jetzigen Hauptſtadt der Provinz, und verfolge dann den Orinoko bis zum Delta, das er an ſeiner Mündung bildet. Ich entwickle darauf den wahren Lauf des Rio Carony, an deſſen frucht- baren Ufern die Mehrzahl der indianiſchen Bevölkerung der Provinz lebt, und beweiſe aus der Geſchichte der Geographie, wie die fabelhaften Seen entſtanden ſind, die ſo lange unſere Karten verunziert haben. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts haben hinter- einander drei Städte den Namen Santo Tome de la Guyana geführt. Die erſte lag der Inſel Faxardo gegen- über beim Einfluſſe des Carony in den Orinoko; ſie wurde von den Holländern unter dem Befehl des Kapitäns Adrian Janſon im Jahre 1579 zerſtört. Die zweite, gegründet im Jahre 1591 von Antonio de Berrio, etwa 54 km oſtwärts vom Einfluſſe des Carony, wehrte ſich mutig gegen Sir Walter Ralegh, den die ſpaniſchen Geſchichtſchreiber der Eroberung nur unter dem Namen des Korſaren Reali kennen. Die dritte Stadt, der jetzige Hauptort der Provinz, liegt 234 km weſtwärts vom Einfluſſe des Carony. Sie wurde im Jahre 1764 unter dem Statthalter Don Juaquin Moreno de Men- doza angelegt, und man unterſcheidet ſie in den offiziellen Schriftſtücken von der zweiten Stadt, die gewöhnlich die Feſtung (el castillo oder las fortalezas) oder Altguyana (Vieja Guyana) heißt, als Santo Tome de la Nueva Guyana. 1 Artocarpus incisa.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/159
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/159>, abgerufen am 09.11.2024.