Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Er nennt das obere Stück des Rio Branco (in das der Mahu
fällt) Orinoko oder Puruma. Dies ist ohne allen Zweifel
der Xurumu, ein Nebenfluß des Tacutu, der den Einwoh-
nern des benachbarten Forts San Joaquim wohlbekannt ist.
Alle Namen, die in der Sage vom Dorado vorkommen, finden
sich unter den Nebenflüssen des Rio Branco. Geringfügige
örtliche Verhältnisse und die Erinnerung an den Salzsee in
Mexiko, zumal aber an den See Manoa im Dorado der
Omagua wirkten zusammen zur Ausmalung eines Bildes,
das der Einbildungskraft Raleghs und seiner beiden Unter-
befehlshaber, Keymis und Masham, den Ursprung verdankt.
Nach meiner Ansicht lassen sich die Ueberschwemmungen des
Rio Branco höchstens mit denen des Red River in Louisiana
zwischen Natchitotches und Cados vergleichen, keineswegs aber
mit der Laguna de los Xarayes, die eine periodische Aus-
breitung des Rio Paraguay ist. 1

Wir haben im Bisherigen ein Weißes Meer be-
sprochen, durch das man den Hauptstamm des Rio Branco
laufen läßt, und ein zweites, 2 das man ostwärts von diesem
Flusse setzt, und das mit demselben mittels des Canno Pirara
zusammenhängt. Noch gibt es einen dritten See, 3 den man
westwärts vom Rio Branco verlegt, und über den ich erst
kürzlich interessante Angaben im handschriftlichen Tagebuch
des Chirurgen Hortsmann gefunden habe. "Zwei Tagereisen
unterhalb des Einflusses des Mahu (Tacutu) in den Rio
Parime (Uraricuera) liegt auf einem Berggipfel ein See, in
dem dieselben Fische vorkommen wie im Parime; aber die
Wasser des ersteren sind schwarz, die des letzteren weiß." Hat
nun nicht vielleicht Surville nach einer dunkeln Kunde von
diesem Wasserbecken auf der Karte, die er zu Pater Caulins
Werk entworfen, sich einen 45 km langen Alpensee ausgedacht,
bei dem (gegen Ost) der Orinoko und der Idapa, ein Neben-
fluß des Rio Negro, zumal entspringen? So unbestimmt die

1 Diese periodischen Ueberschwemmungen des Rio Paraguay
haben in der südlichen Halbkugel lange dieselbe Rolle gespielt, wie
der See Parime in der nördlichen. Hondius und Sanson ließen
aus der Laguna de los Xarayes den Rio de la Plata, den Rio
Tapajos (einen Nebenfluß des Amazonenstroms), den Rio Tocantins
und den Rio de San Francisco entspringen.
2 Survilles See, der für den See Amucu steht.
3 Der See, den Surville Laguna tenida hasta ahora por
la Laguna Parime nennt.

Er nennt das obere Stück des Rio Branco (in das der Mahu
fällt) Orinoko oder Puruma. Dies iſt ohne allen Zweifel
der Xurumu, ein Nebenfluß des Tacutu, der den Einwoh-
nern des benachbarten Forts San Joaquim wohlbekannt iſt.
Alle Namen, die in der Sage vom Dorado vorkommen, finden
ſich unter den Nebenflüſſen des Rio Branco. Geringfügige
örtliche Verhältniſſe und die Erinnerung an den Salzſee in
Mexiko, zumal aber an den See Manoa im Dorado der
Omagua wirkten zuſammen zur Ausmalung eines Bildes,
das der Einbildungskraft Raleghs und ſeiner beiden Unter-
befehlshaber, Keymis und Maſham, den Urſprung verdankt.
Nach meiner Anſicht laſſen ſich die Ueberſchwemmungen des
Rio Branco höchſtens mit denen des Red River in Louiſiana
zwiſchen Natchitotches und Cados vergleichen, keineswegs aber
mit der Laguna de los Xarayes, die eine periodiſche Aus-
breitung des Rio Paraguay iſt. 1

Wir haben im Bisherigen ein Weißes Meer be-
ſprochen, durch das man den Hauptſtamm des Rio Branco
laufen läßt, und ein zweites, 2 das man oſtwärts von dieſem
Fluſſe ſetzt, und das mit demſelben mittels des Caño Pirara
zuſammenhängt. Noch gibt es einen dritten See, 3 den man
weſtwärts vom Rio Branco verlegt, und über den ich erſt
kürzlich intereſſante Angaben im handſchriftlichen Tagebuch
des Chirurgen Hortsmann gefunden habe. „Zwei Tagereiſen
unterhalb des Einfluſſes des Mahu (Tacutu) in den Rio
Parime (Uraricuera) liegt auf einem Berggipfel ein See, in
dem dieſelben Fiſche vorkommen wie im Parime; aber die
Waſſer des erſteren ſind ſchwarz, die des letzteren weiß.“ Hat
nun nicht vielleicht Surville nach einer dunkeln Kunde von
dieſem Waſſerbecken auf der Karte, die er zu Pater Caulins
Werk entworfen, ſich einen 45 km langen Alpenſee ausgedacht,
bei dem (gegen Oſt) der Orinoko und der Idapa, ein Neben-
fluß des Rio Negro, zumal entſpringen? So unbeſtimmt die

1 Dieſe periodiſchen Ueberſchwemmungen des Rio Paraguay
haben in der ſüdlichen Halbkugel lange dieſelbe Rolle geſpielt, wie
der See Parime in der nördlichen. Hondius und Sanſon ließen
aus der Laguna de los Xarayes den Rio de la Plata, den Rio
Tapajos (einen Nebenfluß des Amazonenſtroms), den Rio Tocantins
und den Rio de San Francisco entſpringen.
2 Survilles See, der für den See Amucu ſteht.
3 Der See, den Surville Laguna tenida hasta ahora por
la Laguna Parime nennt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0205" n="197"/>
Er nennt das obere Stück des Rio Branco (in das der Mahu<lb/>
fällt) Orinoko oder <hi rendition="#g">Puruma</hi>. Dies i&#x017F;t ohne allen Zweifel<lb/>
der <hi rendition="#g">Xurumu</hi>, ein Nebenfluß des Tacutu, der den Einwoh-<lb/>
nern des benachbarten Forts San Joaquim wohlbekannt i&#x017F;t.<lb/>
Alle Namen, die in der Sage vom Dorado vorkommen, finden<lb/>
&#x017F;ich unter den Nebenflü&#x017F;&#x017F;en des Rio Branco. Geringfügige<lb/>
örtliche Verhältni&#x017F;&#x017F;e und die Erinnerung an den Salz&#x017F;ee in<lb/>
Mexiko, zumal aber an den See Manoa im <hi rendition="#g">Dorado der<lb/>
Omagua</hi> wirkten zu&#x017F;ammen zur Ausmalung eines Bildes,<lb/>
das der Einbildungskraft Raleghs und &#x017F;einer beiden Unter-<lb/>
befehlshaber, Keymis und Ma&#x017F;ham, den Ur&#x017F;prung verdankt.<lb/>
Nach meiner An&#x017F;icht la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die Ueber&#x017F;chwemmungen des<lb/>
Rio Branco höch&#x017F;tens mit denen des Red River in Loui&#x017F;iana<lb/>
zwi&#x017F;chen Natchitotches und Cados vergleichen, keineswegs aber<lb/>
mit der Laguna de los Xarayes, die eine periodi&#x017F;che Aus-<lb/>
breitung des Rio Paraguay i&#x017F;t. <note place="foot" n="1">Die&#x017F;e periodi&#x017F;chen Ueber&#x017F;chwemmungen des Rio Paraguay<lb/>
haben in der &#x017F;üdlichen Halbkugel lange die&#x017F;elbe Rolle ge&#x017F;pielt, wie<lb/>
der See Parime in der nördlichen. Hondius und San&#x017F;on ließen<lb/>
aus der Laguna de los Xarayes den Rio de la Plata, den Rio<lb/>
Tapajos (einen Nebenfluß des Amazonen&#x017F;troms), den Rio Tocantins<lb/>
und den Rio de San Francisco ent&#x017F;pringen.</note></p><lb/>
          <p>Wir haben im Bisherigen ein <hi rendition="#g">Weißes Meer</hi> be-<lb/>
&#x017F;prochen, durch das man den Haupt&#x017F;tamm des Rio Branco<lb/>
laufen läßt, und ein zweites, <note place="foot" n="2">Survilles See, der für den See Amucu &#x017F;teht.</note> das man o&#x017F;twärts von die&#x017F;em<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;etzt, und das mit dem&#x017F;elben mittels des Caño Pirara<lb/>
zu&#x017F;ammenhängt. Noch gibt es einen dritten See, <note place="foot" n="3">Der See, den Surville <hi rendition="#aq">Laguna tenida hasta ahora por<lb/>
la Laguna Parime</hi> nennt.</note> den man<lb/>
we&#x017F;twärts vom Rio Branco verlegt, und über den ich er&#x017F;t<lb/>
kürzlich intere&#x017F;&#x017F;ante Angaben im hand&#x017F;chriftlichen Tagebuch<lb/>
des Chirurgen Hortsmann gefunden habe. &#x201E;Zwei Tagerei&#x017F;en<lb/>
unterhalb des Einflu&#x017F;&#x017F;es des Mahu (Tacutu) in den Rio<lb/>
Parime (Uraricuera) liegt auf einem Berggipfel ein See, in<lb/>
dem die&#x017F;elben Fi&#x017F;che vorkommen wie im Parime; aber die<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er des er&#x017F;teren &#x017F;ind &#x017F;chwarz, die des letzteren weiß.&#x201C; Hat<lb/>
nun nicht vielleicht Surville nach einer dunkeln Kunde von<lb/>
die&#x017F;em Wa&#x017F;&#x017F;erbecken auf der Karte, die er zu Pater Caulins<lb/>
Werk entworfen, &#x017F;ich einen 45 <hi rendition="#aq">km</hi> langen Alpen&#x017F;ee ausgedacht,<lb/>
bei dem (gegen O&#x017F;t) der Orinoko und der Idapa, ein Neben-<lb/>
fluß des Rio Negro, zumal ent&#x017F;pringen? So unbe&#x017F;timmt die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0205] Er nennt das obere Stück des Rio Branco (in das der Mahu fällt) Orinoko oder Puruma. Dies iſt ohne allen Zweifel der Xurumu, ein Nebenfluß des Tacutu, der den Einwoh- nern des benachbarten Forts San Joaquim wohlbekannt iſt. Alle Namen, die in der Sage vom Dorado vorkommen, finden ſich unter den Nebenflüſſen des Rio Branco. Geringfügige örtliche Verhältniſſe und die Erinnerung an den Salzſee in Mexiko, zumal aber an den See Manoa im Dorado der Omagua wirkten zuſammen zur Ausmalung eines Bildes, das der Einbildungskraft Raleghs und ſeiner beiden Unter- befehlshaber, Keymis und Maſham, den Urſprung verdankt. Nach meiner Anſicht laſſen ſich die Ueberſchwemmungen des Rio Branco höchſtens mit denen des Red River in Louiſiana zwiſchen Natchitotches und Cados vergleichen, keineswegs aber mit der Laguna de los Xarayes, die eine periodiſche Aus- breitung des Rio Paraguay iſt. 1 Wir haben im Bisherigen ein Weißes Meer be- ſprochen, durch das man den Hauptſtamm des Rio Branco laufen läßt, und ein zweites, 2 das man oſtwärts von dieſem Fluſſe ſetzt, und das mit demſelben mittels des Caño Pirara zuſammenhängt. Noch gibt es einen dritten See, 3 den man weſtwärts vom Rio Branco verlegt, und über den ich erſt kürzlich intereſſante Angaben im handſchriftlichen Tagebuch des Chirurgen Hortsmann gefunden habe. „Zwei Tagereiſen unterhalb des Einfluſſes des Mahu (Tacutu) in den Rio Parime (Uraricuera) liegt auf einem Berggipfel ein See, in dem dieſelben Fiſche vorkommen wie im Parime; aber die Waſſer des erſteren ſind ſchwarz, die des letzteren weiß.“ Hat nun nicht vielleicht Surville nach einer dunkeln Kunde von dieſem Waſſerbecken auf der Karte, die er zu Pater Caulins Werk entworfen, ſich einen 45 km langen Alpenſee ausgedacht, bei dem (gegen Oſt) der Orinoko und der Idapa, ein Neben- fluß des Rio Negro, zumal entſpringen? So unbeſtimmt die 1 Dieſe periodiſchen Ueberſchwemmungen des Rio Paraguay haben in der ſüdlichen Halbkugel lange dieſelbe Rolle geſpielt, wie der See Parime in der nördlichen. Hondius und Sanſon ließen aus der Laguna de los Xarayes den Rio de la Plata, den Rio Tapajos (einen Nebenfluß des Amazonenſtroms), den Rio Tocantins und den Rio de San Francisco entſpringen. 2 Survilles See, der für den See Amucu ſteht. 3 Der See, den Surville Laguna tenida hasta ahora por la Laguna Parime nennt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/205
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/205>, abgerufen am 18.05.2024.