Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.alte arabische Reisende haben die Bemerkung gemacht, daß Ehe wir in die Mission Mandavaca kamen, liefen wir 1 Es ist auffallend, daß der Blaue Nil (Bahr el azrek)
bei manchen arabischen Geographen der Grüne Nil heißt, und daß die persischen Dichter zuweilen den Himmel grün (akhzar), sowie den Beryll blau (zark) nennen. Man kann doch nicht annehmen, daß die Völker vom semitischen Namen in ihren Sinneseindrücken grün und blau verwechseln, wie nicht selten ihr Ohr die Vokale o und u, e und i verwechselt. Das Wort azrek wird von jedem sehr klaren, nicht milchigen Wasser gebraucht, und abirank (wasser- farbig) bedeutet blau. Abd-Allatif, wo er vom klaren grünen Arm des Nil spricht, der aus einem See im Gebirge südöstlich von Sennaar entspringt, schreibt bereits die grüne Farbe dieses Alpensees "vegetabilischen Substanzen zu, die sich in den stehen- den Wassern in Menge finden". Weiter oben habe ich die ge- färbten, unrichtig aguas negras genannten Wasser ebenso erklärt. Ueberall sind die klarsten, durchsichtigsten Wasser gerade solche, die nicht weiß sind. alte arabiſche Reiſende haben die Bemerkung gemacht, daß Ehe wir in die Miſſion Mandavaca kamen, liefen wir 1 Es iſt auffallend, daß der Blaue Nil (Bahr el azrek)
bei manchen arabiſchen Geographen der Grüne Nil heißt, und daß die perſiſchen Dichter zuweilen den Himmel grün (akhzar), ſowie den Beryll blau (zark) nennen. Man kann doch nicht annehmen, daß die Völker vom ſemitiſchen Namen in ihren Sinneseindrücken grün und blau verwechſeln, wie nicht ſelten ihr Ohr die Vokale o und u, e und i verwechſelt. Das Wort azrek wird von jedem ſehr klaren, nicht milchigen Waſſer gebraucht, und abirank (waſſer- farbig) bedeutet blau. Abd-Allatif, wo er vom klaren grünen Arm des Nil ſpricht, der aus einem See im Gebirge ſüdöſtlich von Sennaar entſpringt, ſchreibt bereits die grüne Farbe dieſes Alpenſees „vegetabiliſchen Subſtanzen zu, die ſich in den ſtehen- den Waſſern in Menge finden“. Weiter oben habe ich die ge- färbten, unrichtig aguas negras genannten Waſſer ebenſo erklärt. Ueberall ſind die klarſten, durchſichtigſten Waſſer gerade ſolche, die nicht weiß ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="13"/> alte arabiſche Reiſende haben die Bemerkung gemacht, daß<lb/> der aus dem Hochgebirge kommende Nilarm, der ſich bei Halfaja<lb/> mit dem Bahr el Abiad vereinigt, grünes Waſſer hat, das<lb/> ſo durchſichtig iſt, daß man die Fiſche auf dem Grunde des<lb/> Fluſſes ſieht. <note place="foot" n="1">Es iſt auffallend, daß der <hi rendition="#g">Blaue Nil</hi> (<hi rendition="#aq">Bahr el azrek</hi>)<lb/> bei manchen arabiſchen Geographen der <hi rendition="#g">Grüne Nil</hi> heißt, und daß<lb/> die perſiſchen Dichter zuweilen den Himmel <hi rendition="#g">grün</hi> (<hi rendition="#aq">akhzar</hi>), ſowie<lb/> den Beryll blau (<hi rendition="#aq">zark</hi>) nennen. Man kann doch nicht annehmen,<lb/> daß die Völker vom ſemitiſchen Namen in ihren Sinneseindrücken<lb/> grün und blau verwechſeln, wie nicht ſelten ihr Ohr die Vokale o<lb/> und u, e und i verwechſelt. Das Wort <hi rendition="#aq">azrek</hi> wird von jedem<lb/> ſehr klaren, nicht milchigen Waſſer gebraucht, und <hi rendition="#aq">abirank</hi> (waſſer-<lb/> farbig) bedeutet blau. Abd-Allatif, wo er vom klaren grünen<lb/> Arm des Nil ſpricht, der aus einem See im Gebirge ſüdöſtlich<lb/> von Sennaar entſpringt, ſchreibt bereits die grüne Farbe dieſes<lb/> Alpenſees „vegetabiliſchen Subſtanzen zu, die ſich in den ſtehen-<lb/> den Waſſern in Menge finden“. Weiter oben habe ich die ge-<lb/> färbten, unrichtig <hi rendition="#aq">aguas negras</hi> genannten Waſſer ebenſo erklärt.<lb/> Ueberall ſind die klarſten, durchſichtigſten Waſſer gerade ſolche, die<lb/> nicht weiß ſind.</note></p><lb/> <p>Ehe wir in die Miſſion Mandavaca kamen, liefen wir<lb/> durch ziemlich ungeſtüme Stromſchnellen. Das Dorf, das<lb/> auch Quirabuena heißt, zählt nur 60 Eingeborene. Dieſe<lb/> chriſtlichen Niederlaſſungen befinden ſich meiſt in ſo kläglichem<lb/> Zuſtande, daß längs des ganzen Caſſiquiare auf einer Strecke<lb/> von 225 <hi rendition="#aq">km</hi> keine 200 Menſchen leben. Ja die Ufer des<lb/> Fluſſes waren bevölkerter, ehe die Miſſionäre ins Land kamen.<lb/> Die Indianer zogen ſich in die Wälder gegen Oſt, denn die<lb/> Ebenen gegen Weſt ſind faſt menſchenleer. Die Eingeborenen<lb/> leben einen Teil des Jahres von den großen Ameiſen, von<lb/> denen oben die Rede war. Dieſe Inſekten ſind hierzulande<lb/> ſo ſtark geſucht wie in der ſüdlichen Halbkugel die Spinnen<lb/> der Sippe Epeira, die für die Wilden auf Neuholland ein<lb/> Leckerbiſſen ſind. In Mandavaca fanden wir den guten alten<lb/> Miſſionär, der bereits „ſeine zwanzig Moskitojahre in den<lb/> Bosques del Caſſiquiare“ zugebracht hatte und deſſen Beine<lb/> von den Stichen der Inſekten ſo gefleckt waren, daß man<lb/> kaum ſah, daß er eine weiße Haut hatte. Er ſprach uns<lb/> von ſeiner Verlaſſenheit, und wie er ſich in der traurigen<lb/> Notwendigkeit ſehe, in den beiden Miſſionen Mandavaca und<lb/> Vaſiva häufig die abſcheulichſten Verbrechen ſtraflos zu laſſen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0021]
alte arabiſche Reiſende haben die Bemerkung gemacht, daß
der aus dem Hochgebirge kommende Nilarm, der ſich bei Halfaja
mit dem Bahr el Abiad vereinigt, grünes Waſſer hat, das
ſo durchſichtig iſt, daß man die Fiſche auf dem Grunde des
Fluſſes ſieht. 1
Ehe wir in die Miſſion Mandavaca kamen, liefen wir
durch ziemlich ungeſtüme Stromſchnellen. Das Dorf, das
auch Quirabuena heißt, zählt nur 60 Eingeborene. Dieſe
chriſtlichen Niederlaſſungen befinden ſich meiſt in ſo kläglichem
Zuſtande, daß längs des ganzen Caſſiquiare auf einer Strecke
von 225 km keine 200 Menſchen leben. Ja die Ufer des
Fluſſes waren bevölkerter, ehe die Miſſionäre ins Land kamen.
Die Indianer zogen ſich in die Wälder gegen Oſt, denn die
Ebenen gegen Weſt ſind faſt menſchenleer. Die Eingeborenen
leben einen Teil des Jahres von den großen Ameiſen, von
denen oben die Rede war. Dieſe Inſekten ſind hierzulande
ſo ſtark geſucht wie in der ſüdlichen Halbkugel die Spinnen
der Sippe Epeira, die für die Wilden auf Neuholland ein
Leckerbiſſen ſind. In Mandavaca fanden wir den guten alten
Miſſionär, der bereits „ſeine zwanzig Moskitojahre in den
Bosques del Caſſiquiare“ zugebracht hatte und deſſen Beine
von den Stichen der Inſekten ſo gefleckt waren, daß man
kaum ſah, daß er eine weiße Haut hatte. Er ſprach uns
von ſeiner Verlaſſenheit, und wie er ſich in der traurigen
Notwendigkeit ſehe, in den beiden Miſſionen Mandavaca und
Vaſiva häufig die abſcheulichſten Verbrechen ſtraflos zu laſſen.
1 Es iſt auffallend, daß der Blaue Nil (Bahr el azrek)
bei manchen arabiſchen Geographen der Grüne Nil heißt, und daß
die perſiſchen Dichter zuweilen den Himmel grün (akhzar), ſowie
den Beryll blau (zark) nennen. Man kann doch nicht annehmen,
daß die Völker vom ſemitiſchen Namen in ihren Sinneseindrücken
grün und blau verwechſeln, wie nicht ſelten ihr Ohr die Vokale o
und u, e und i verwechſelt. Das Wort azrek wird von jedem
ſehr klaren, nicht milchigen Waſſer gebraucht, und abirank (waſſer-
farbig) bedeutet blau. Abd-Allatif, wo er vom klaren grünen
Arm des Nil ſpricht, der aus einem See im Gebirge ſüdöſtlich
von Sennaar entſpringt, ſchreibt bereits die grüne Farbe dieſes
Alpenſees „vegetabiliſchen Subſtanzen zu, die ſich in den ſtehen-
den Waſſern in Menge finden“. Weiter oben habe ich die ge-
färbten, unrichtig aguas negras genannten Waſſer ebenſo erklärt.
Ueberall ſind die klarſten, durchſichtigſten Waſſer gerade ſolche, die
nicht weiß ſind.
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