Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Gedanke, diesem Volke zu Leibe zu gehen und es seiner Freiheit est Johannes Poncius, qui Caribum terras depopuletur et in
servitutem obscoenos hominum voratores redigat. Anghiera, Dec. I, Lib. 1; Dec. III, Lib. 6. Gedanke, dieſem Volke zu Leibe zu gehen und es ſeiner Freiheit est Johannes Poncius, qui Caribum terras depopuletur et in
servitutem obscoenos hominum voratores redigat. Anghiera, Dec. I, Lib. 1; Dec. III, Lib. 6. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0252" n="244"/> Gedanke, dieſem Volke zu Leibe zu gehen und es ſeiner Freiheit<lb/> und ſeiner natürlichen Rechte zu berauben, rührt von Chriſtoph<lb/> Kolumbus her, der die Anſichten des 15. Jahrhunderts teilte<lb/> und durchaus nicht immer ſo menſchlich war, als man im 18.<lb/> aus Haß gegen ſeine Verkleinerer behauptete. Später wurde<lb/> der Licentiat Rodrigo de Figueroa vom Hofe beauftragt<lb/> (1520), auszumachen, welche Völkerſchaften in Südamerika<lb/> für karibiſchen oder <hi rendition="#g">kannibaliſchen</hi> Stammes gelten könnten,<lb/> und welche <hi rendition="#g">Guatiaos</hi> wären, d. h. friedliche, von lange<lb/> her mit den Kaſtilianern befreundete Indianer. Dieſes ethno-<lb/> graphiſche Aktenſtück, <hi rendition="#aq">„El auto de Figueroa“</hi> genannt, iſt eine<lb/> der merkwürdigſten Urkunden für die Barbarei der erſten Kon-<lb/> quiſtadoren. Nie hatte Syſtemſucht ſo trefflich dazu gedient,<lb/> die Leidenſchaften zu beſchönigen. Unſere Geographen gehen<lb/> nicht willkürlicher zu Werke, wenn ſie in Centralaſien mon-<lb/> goliſche und tatariſche Völker unterſcheiden, als Figueroa,<lb/> wenn er zwiſchen Kannibalen und Guatiaos die Grenze zog.<lb/> Ohne auf die Sprachverwandtſchaft zu achten, erklärte man<lb/> willkürlich alle Horden, denen man Schuld geben konnte, daß<lb/> ſie nach dem Gefechte einen Gefangenen verzehrt, für karibiſch.<lb/> Die Einwohner von Uriapari (der Halbinſel Paria) wurden<lb/> Kariben, die Urinaken (die Uferbewohner am unteren Orinoko<lb/> oder Orinuku) Guatiaos genannt. Alle Stämme, die Figueroa<lb/> als Kariben bezeichnete, waren der Sklaverei verfallen; man<lb/> konnte ſie nach Belieben verkaufen oder niedermachen. In<lb/> dieſen blutigen Kämpfen wehrten ſich die karibiſchen Weiber<lb/> nach dem Tode ihrer Männer mit ſo verzweifeltem Mute,<lb/> daß man ſie, wie Anghiera ſagt, für Amazonenvölker hielt.<lb/> Die gehäſſigen Deklamationen eines Dominikanermönchs (Tho-<lb/> mas Hortiz) trugen dazu bei, den Jammer zu verlängern,<lb/> der auf ganzen Völkern laſtete. Indeſſen, und man ſpricht<lb/> es mit Vergnügen aus, gab es auch beherzte Männer, die<lb/> mitten in den an den Kariben verübten Greueln die Stimme<lb/> der Menſchlichkeit und der Gerechtigkeit hören ließen. Manche<lb/> Geiſtliche ſprachen ſich in entgegengeſetztem Sinne aus, als<lb/> ſie anfangs gethan. In einem Jahrhundert, in dem man<lb/> nicht hoffen durfte, die öffentliche Freiheit auf bürgerliche Ein-<lb/> richtungen zu gründen, ſuchte man wenigſtens die perſönliche<lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">est Johannes Poncius, qui Caribum terras depopuletur et in<lb/> servitutem obscoenos hominum voratores redigat. Anghiera,<lb/> Dec. I, Lib. 1; Dec. III, Lib. 6.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0252]
Gedanke, dieſem Volke zu Leibe zu gehen und es ſeiner Freiheit
und ſeiner natürlichen Rechte zu berauben, rührt von Chriſtoph
Kolumbus her, der die Anſichten des 15. Jahrhunderts teilte
und durchaus nicht immer ſo menſchlich war, als man im 18.
aus Haß gegen ſeine Verkleinerer behauptete. Später wurde
der Licentiat Rodrigo de Figueroa vom Hofe beauftragt
(1520), auszumachen, welche Völkerſchaften in Südamerika
für karibiſchen oder kannibaliſchen Stammes gelten könnten,
und welche Guatiaos wären, d. h. friedliche, von lange
her mit den Kaſtilianern befreundete Indianer. Dieſes ethno-
graphiſche Aktenſtück, „El auto de Figueroa“ genannt, iſt eine
der merkwürdigſten Urkunden für die Barbarei der erſten Kon-
quiſtadoren. Nie hatte Syſtemſucht ſo trefflich dazu gedient,
die Leidenſchaften zu beſchönigen. Unſere Geographen gehen
nicht willkürlicher zu Werke, wenn ſie in Centralaſien mon-
goliſche und tatariſche Völker unterſcheiden, als Figueroa,
wenn er zwiſchen Kannibalen und Guatiaos die Grenze zog.
Ohne auf die Sprachverwandtſchaft zu achten, erklärte man
willkürlich alle Horden, denen man Schuld geben konnte, daß
ſie nach dem Gefechte einen Gefangenen verzehrt, für karibiſch.
Die Einwohner von Uriapari (der Halbinſel Paria) wurden
Kariben, die Urinaken (die Uferbewohner am unteren Orinoko
oder Orinuku) Guatiaos genannt. Alle Stämme, die Figueroa
als Kariben bezeichnete, waren der Sklaverei verfallen; man
konnte ſie nach Belieben verkaufen oder niedermachen. In
dieſen blutigen Kämpfen wehrten ſich die karibiſchen Weiber
nach dem Tode ihrer Männer mit ſo verzweifeltem Mute,
daß man ſie, wie Anghiera ſagt, für Amazonenvölker hielt.
Die gehäſſigen Deklamationen eines Dominikanermönchs (Tho-
mas Hortiz) trugen dazu bei, den Jammer zu verlängern,
der auf ganzen Völkern laſtete. Indeſſen, und man ſpricht
es mit Vergnügen aus, gab es auch beherzte Männer, die
mitten in den an den Kariben verübten Greueln die Stimme
der Menſchlichkeit und der Gerechtigkeit hören ließen. Manche
Geiſtliche ſprachen ſich in entgegengeſetztem Sinne aus, als
ſie anfangs gethan. In einem Jahrhundert, in dem man
nicht hoffen durfte, die öffentliche Freiheit auf bürgerliche Ein-
richtungen zu gründen, ſuchte man wenigſtens die perſönliche
1
1 est Johannes Poncius, qui Caribum terras depopuletur et in
servitutem obscoenos hominum voratores redigat. Anghiera,
Dec. I, Lib. 1; Dec. III, Lib. 6.
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