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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Blick durch weite Ritzen auf die Wohnsitze des Menschen, das
bebaute Land, den ganzen grünen Boden des Luftozeans
niedertauchen lassen. Eine ungeheure Wasserfläche, belebt bis
auf den Grund von tausenderlei verschiedenen Wesen, nach
Färbung und Anblick wechselnd, beweglich an der Oberfläche,
gleich dem Element, von dem sie aufgerührt wird, hat auf
langer Seereise großen Reiz für die Einbildungskraft, aber
die einen großen Teil des Jahres hindurch staubige, aufge-
rissene Steppe stimmt trübe durch ihre ewige Eintönigkeit.
Ist man nach acht- oder zehntägigem Marsch gewöhnt an das
Spiel der Luftspiegelung und an das glänzende Grün der
Mauritiabüsche, 1 die von Meile zu Meile zum Vorschein kom-
men, so fühlt man das Bedürfnis mannigfaltigerer Eindrücke;
man sehnt sich nach dem Anblick der gewaltigen Bäume der
Tropen, des wilden Sturzes der Bergströme, der Gelände
und Thalgründe, bebaut von der Hand des Landmanns.
Wenn unglücklicherweise das Phänomen der afrikanischen
Wüsten und der Llanos oder Savannen der Neuen Welt (ein
Phänomen, dessen Ursache sich in dem Dunkel der frühesten
Geschichte unseres Planeten verliert) noch einen größeren
Raum befaßte, so wäre die Natur um einen Teil der herr-
lichen, dem heißen Erdstrich eigentümlichen Produkte ärmer. 2
Die nordischen Heiden, die Steppen an Wolga und Don
sind kaum ärmer an Pflanzen und Tierarten als unter dem
herrlichsten Himmel der Welt, im Erdstrich der Bananen und
des Brotfruchtbaums, 567000 qkm Savannen, die im Halb-
kreise von Nordost nach Südwest, von den Mündungen des
Orinoko bis zum Caqueta und Putumayo sich fortziehen.

1 Die Fächerpalme, der guyanische Sagobaum.
2 Berechnungen nach Karten in sehr großem Maßstabe haben
mir folgendes ergeben: Die Llanos von Cumana, Barcelona und
Caracas vom Delta des Orinoko bis zum nördlichen Ufer des Apure
umfassen 160000 qkm; die Llanos zwischen dem Apure und dem
oberen Amazonenstrome 425000 qkm; die Pampas nordwestlich
von Buenos Ayres 810000 qkm; die Pampas südwärts vom
Parallel von Buenos Ayres 607000 qkm. Der Gesamtflächen-
raum der grasbewachsenen Llanos in Südamerika beträgt demnach
1990000 qkm (Spanien hat 328000 qkm). Die große afrikanische
Ebene, die sogenannte Sahara ist 4930000 qkm groß, die ver-
schiedenen Oasen dazu gerechnet, aber nicht Bornu und Darfur.
(Das Mittelmeer hat nur 1616000 qkm Oberfläche.)

Blick durch weite Ritzen auf die Wohnſitze des Menſchen, das
bebaute Land, den ganzen grünen Boden des Luftozeans
niedertauchen laſſen. Eine ungeheure Waſſerfläche, belebt bis
auf den Grund von tauſenderlei verſchiedenen Weſen, nach
Färbung und Anblick wechſelnd, beweglich an der Oberfläche,
gleich dem Element, von dem ſie aufgerührt wird, hat auf
langer Seereiſe großen Reiz für die Einbildungskraft, aber
die einen großen Teil des Jahres hindurch ſtaubige, aufge-
riſſene Steppe ſtimmt trübe durch ihre ewige Eintönigkeit.
Iſt man nach acht- oder zehntägigem Marſch gewöhnt an das
Spiel der Luftſpiegelung und an das glänzende Grün der
Mauritiabüſche, 1 die von Meile zu Meile zum Vorſchein kom-
men, ſo fühlt man das Bedürfnis mannigfaltigerer Eindrücke;
man ſehnt ſich nach dem Anblick der gewaltigen Bäume der
Tropen, des wilden Sturzes der Bergſtröme, der Gelände
und Thalgründe, bebaut von der Hand des Landmanns.
Wenn unglücklicherweiſe das Phänomen der afrikaniſchen
Wüſten und der Llanos oder Savannen der Neuen Welt (ein
Phänomen, deſſen Urſache ſich in dem Dunkel der früheſten
Geſchichte unſeres Planeten verliert) noch einen größeren
Raum befaßte, ſo wäre die Natur um einen Teil der herr-
lichen, dem heißen Erdſtrich eigentümlichen Produkte ärmer. 2
Die nordiſchen Heiden, die Steppen an Wolga und Don
ſind kaum ärmer an Pflanzen und Tierarten als unter dem
herrlichſten Himmel der Welt, im Erdſtrich der Bananen und
des Brotfruchtbaums, 567000 qkm Savannen, die im Halb-
kreiſe von Nordoſt nach Südweſt, von den Mündungen des
Orinoko bis zum Caqueta und Putumayo ſich fortziehen.

1 Die Fächerpalme, der guyaniſche Sagobaum.
2 Berechnungen nach Karten in ſehr großem Maßſtabe haben
mir folgendes ergeben: Die Llanos von Cumana, Barcelona und
Caracas vom Delta des Orinoko bis zum nördlichen Ufer des Apure
umfaſſen 160000 qkm; die Llanos zwiſchen dem Apure und dem
oberen Amazonenſtrome 425000 qkm; die Pampas nordweſtlich
von Buenos Ayres 810000 qkm; die Pampas ſüdwärts vom
Parallel von Buenos Ayres 607000 qkm. Der Geſamtflächen-
raum der grasbewachſenen Llanos in Südamerika beträgt demnach
1990000 qkm (Spanien hat 328000 qkm). Die große afrikaniſche
Ebene, die ſogenannte Sahara iſt 4930000 qkm groß, die ver-
ſchiedenen Oaſen dazu gerechnet, aber nicht Bornu und Darfur.
(Das Mittelmeer hat nur 1616000 qkm Oberfläche.)
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[264/0272] Blick durch weite Ritzen auf die Wohnſitze des Menſchen, das bebaute Land, den ganzen grünen Boden des Luftozeans niedertauchen laſſen. Eine ungeheure Waſſerfläche, belebt bis auf den Grund von tauſenderlei verſchiedenen Weſen, nach Färbung und Anblick wechſelnd, beweglich an der Oberfläche, gleich dem Element, von dem ſie aufgerührt wird, hat auf langer Seereiſe großen Reiz für die Einbildungskraft, aber die einen großen Teil des Jahres hindurch ſtaubige, aufge- riſſene Steppe ſtimmt trübe durch ihre ewige Eintönigkeit. Iſt man nach acht- oder zehntägigem Marſch gewöhnt an das Spiel der Luftſpiegelung und an das glänzende Grün der Mauritiabüſche, 1 die von Meile zu Meile zum Vorſchein kom- men, ſo fühlt man das Bedürfnis mannigfaltigerer Eindrücke; man ſehnt ſich nach dem Anblick der gewaltigen Bäume der Tropen, des wilden Sturzes der Bergſtröme, der Gelände und Thalgründe, bebaut von der Hand des Landmanns. Wenn unglücklicherweiſe das Phänomen der afrikaniſchen Wüſten und der Llanos oder Savannen der Neuen Welt (ein Phänomen, deſſen Urſache ſich in dem Dunkel der früheſten Geſchichte unſeres Planeten verliert) noch einen größeren Raum befaßte, ſo wäre die Natur um einen Teil der herr- lichen, dem heißen Erdſtrich eigentümlichen Produkte ärmer. 2 Die nordiſchen Heiden, die Steppen an Wolga und Don ſind kaum ärmer an Pflanzen und Tierarten als unter dem herrlichſten Himmel der Welt, im Erdſtrich der Bananen und des Brotfruchtbaums, 567000 qkm Savannen, die im Halb- kreiſe von Nordoſt nach Südweſt, von den Mündungen des Orinoko bis zum Caqueta und Putumayo ſich fortziehen. 1 Die Fächerpalme, der guyaniſche Sagobaum. 2 Berechnungen nach Karten in ſehr großem Maßſtabe haben mir folgendes ergeben: Die Llanos von Cumana, Barcelona und Caracas vom Delta des Orinoko bis zum nördlichen Ufer des Apure umfaſſen 160000 qkm; die Llanos zwiſchen dem Apure und dem oberen Amazonenſtrome 425000 qkm; die Pampas nordweſtlich von Buenos Ayres 810000 qkm; die Pampas ſüdwärts vom Parallel von Buenos Ayres 607000 qkm. Der Geſamtflächen- raum der grasbewachſenen Llanos in Südamerika beträgt demnach 1990000 qkm (Spanien hat 328000 qkm). Die große afrikaniſche Ebene, die ſogenannte Sahara iſt 4930000 qkm groß, die ver- ſchiedenen Oaſen dazu gerechnet, aber nicht Bornu und Darfur. (Das Mittelmeer hat nur 1616000 qkm Oberfläche.)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/272>, abgerufen am 22.11.2024.