boden ist. Diese Ebene wird gegen Nord vom Granit der Oberpfalz, gegen Süd vom Alpenkalk, dem Uebergangsthon- schiefer und Glimmerschiefer Tirols begrenzt.
Am 23. Juli langten wir in der Stadt Nueva Barce- lona an, weniger angegriffen von der Hitze in den Llanos, an die wir längst gewöhnt waren, als von den Sandwinden, die auf die Länge schmerzhafte Schrunden in der Haut ver- ursachen. Vor sieben Monaten hatten wir auf dem Wege von Cumana nach Caracas ein paar Stunden am Morro von Barcelona angelegt, einem befestigten Felsen, der dem Dorfe Pozuelos zu nur durch eine Landzunge mit dem Festlande zusammenhängt. Im Hause eines reichen Handelsmannes von französischer Abkunft, Don Pedro Lavie, fanden wir die freund- lichste Aufnahme und alles, was zuvorkommende Gastfreund- schaft bieten kann. Lavie war beschuldigt worden, den un- glücklichen Espanna, als er im Jahre 1796 sich als Flüchtling auf dieser Küste befand, aufgenommen zu haben, und wurde auf Befehl der Audiencia aufgehoben und nach Caracas ins Gefängnis geführt. Die Freundschaft des Statthalters von Cumana und die Erinnerung an die Dienste, die er dem auf- keimenden Gewerbfleiß des Landes geleistet, verhalfen ihm wieder zur Freiheit. Wir hatten ihn im Gefängnis besucht und uns bemüht ihn zu zerstreuen; jetzt hatten wir die Freude, ihn wieder im Schoße seiner Familie zu finden. Seine physischen Leiden hatten sich durch die Haft verschlimmert, und er erlag, bevor der Tag der Unabhängigkeit Amerikas ange- brochen war, den sein Freund Don Josef Espanna bei seiner Hinrichtung verkündigt hatte. "Ich sterbe," sprach dieser Mann, ein Mann, wie geschaffen zur Durchführung großer Unternehmungen, "ich sterbe eines schimpflichen Todes; aber in kurzem werden meine Mitbürger mit Ehrfurcht meine Asche sammeln und mein Name wird mit Ehren genannt werden." Diese merkwürdigen Worte wurden am 8. Mai 1799 auf dem großen Platze zu Caracas gesprochen; sie wur- den mir noch im selben Jahre von Leuten mitgeteilt, von denen manche Espannas Absichten so sehr verabscheuten, als andere sein Los betrauerten.
Schon oben war von der Bedeutung des Handels von Nueva Barcelona die Rede. Die kleine Stadt, die im Jahre 1790 kaum 10000 Einwohner, im Jahre 1800 über 16000 hatte, wurde 1637 von einem katalonischen Konquistador, Juan Urpin, gegründet. Man versuchte damals, aber vergeblich,
boden iſt. Dieſe Ebene wird gegen Nord vom Granit der Oberpfalz, gegen Süd vom Alpenkalk, dem Uebergangsthon- ſchiefer und Glimmerſchiefer Tirols begrenzt.
Am 23. Juli langten wir in der Stadt Nueva Barce- lona an, weniger angegriffen von der Hitze in den Llanos, an die wir längſt gewöhnt waren, als von den Sandwinden, die auf die Länge ſchmerzhafte Schrunden in der Haut ver- urſachen. Vor ſieben Monaten hatten wir auf dem Wege von Cumana nach Caracas ein paar Stunden am Morro von Barcelona angelegt, einem befeſtigten Felſen, der dem Dorfe Pozuelos zu nur durch eine Landzunge mit dem Feſtlande zuſammenhängt. Im Hauſe eines reichen Handelsmannes von franzöſiſcher Abkunft, Don Pedro Lavie, fanden wir die freund- lichſte Aufnahme und alles, was zuvorkommende Gaſtfreund- ſchaft bieten kann. Lavie war beſchuldigt worden, den un- glücklichen Eſpaña, als er im Jahre 1796 ſich als Flüchtling auf dieſer Küſte befand, aufgenommen zu haben, und wurde auf Befehl der Audiencia aufgehoben und nach Caracas ins Gefängnis geführt. Die Freundſchaft des Statthalters von Cumana und die Erinnerung an die Dienſte, die er dem auf- keimenden Gewerbfleiß des Landes geleiſtet, verhalfen ihm wieder zur Freiheit. Wir hatten ihn im Gefängnis beſucht und uns bemüht ihn zu zerſtreuen; jetzt hatten wir die Freude, ihn wieder im Schoße ſeiner Familie zu finden. Seine phyſiſchen Leiden hatten ſich durch die Haft verſchlimmert, und er erlag, bevor der Tag der Unabhängigkeit Amerikas ange- brochen war, den ſein Freund Don Joſef Eſpaña bei ſeiner Hinrichtung verkündigt hatte. „Ich ſterbe,“ ſprach dieſer Mann, ein Mann, wie geſchaffen zur Durchführung großer Unternehmungen, „ich ſterbe eines ſchimpflichen Todes; aber in kurzem werden meine Mitbürger mit Ehrfurcht meine Aſche ſammeln und mein Name wird mit Ehren genannt werden.“ Dieſe merkwürdigen Worte wurden am 8. Mai 1799 auf dem großen Platze zu Caracas geſprochen; ſie wur- den mir noch im ſelben Jahre von Leuten mitgeteilt, von denen manche Eſpañas Abſichten ſo ſehr verabſcheuten, als andere ſein Los betrauerten.
Schon oben war von der Bedeutung des Handels von Nueva Barcelona die Rede. Die kleine Stadt, die im Jahre 1790 kaum 10000 Einwohner, im Jahre 1800 über 16000 hatte, wurde 1637 von einem kataloniſchen Konquiſtador, Juan Urpin, gegründet. Man verſuchte damals, aber vergeblich,
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boden iſt. Dieſe Ebene wird gegen Nord vom Granit der
Oberpfalz, gegen Süd vom Alpenkalk, dem Uebergangsthon-
ſchiefer und Glimmerſchiefer Tirols begrenzt.
Am 23. Juli langten wir in der Stadt Nueva Barce-
lona an, weniger angegriffen von der Hitze in den Llanos,
an die wir längſt gewöhnt waren, als von den Sandwinden,
die auf die Länge ſchmerzhafte Schrunden in der Haut ver-
urſachen. Vor ſieben Monaten hatten wir auf dem Wege
von Cumana nach Caracas ein paar Stunden am Morro
von Barcelona angelegt, einem befeſtigten Felſen, der dem Dorfe
Pozuelos zu nur durch eine Landzunge mit dem Feſtlande
zuſammenhängt. Im Hauſe eines reichen Handelsmannes von
franzöſiſcher Abkunft, Don Pedro Lavie, fanden wir die freund-
lichſte Aufnahme und alles, was zuvorkommende Gaſtfreund-
ſchaft bieten kann. Lavie war beſchuldigt worden, den un-
glücklichen Eſpaña, als er im Jahre 1796 ſich als Flüchtling
auf dieſer Küſte befand, aufgenommen zu haben, und wurde
auf Befehl der Audiencia aufgehoben und nach Caracas ins
Gefängnis geführt. Die Freundſchaft des Statthalters von
Cumana und die Erinnerung an die Dienſte, die er dem auf-
keimenden Gewerbfleiß des Landes geleiſtet, verhalfen ihm
wieder zur Freiheit. Wir hatten ihn im Gefängnis beſucht
und uns bemüht ihn zu zerſtreuen; jetzt hatten wir die Freude,
ihn wieder im Schoße ſeiner Familie zu finden. Seine
phyſiſchen Leiden hatten ſich durch die Haft verſchlimmert, und
er erlag, bevor der Tag der Unabhängigkeit Amerikas ange-
brochen war, den ſein Freund Don Joſef Eſpaña bei ſeiner
Hinrichtung verkündigt hatte. „Ich ſterbe,“ ſprach dieſer
Mann, ein Mann, wie geſchaffen zur Durchführung großer
Unternehmungen, „ich ſterbe eines ſchimpflichen Todes; aber
in kurzem werden meine Mitbürger mit Ehrfurcht meine
Aſche ſammeln und mein Name wird mit Ehren genannt
werden.“ Dieſe merkwürdigen Worte wurden am 8. Mai
1799 auf dem großen Platze zu Caracas geſprochen; ſie wur-
den mir noch im ſelben Jahre von Leuten mitgeteilt, von
denen manche Eſpañas Abſichten ſo ſehr verabſcheuten, als
andere ſein Los betrauerten.
Schon oben war von der Bedeutung des Handels von
Nueva Barcelona die Rede. Die kleine Stadt, die im Jahre
1790 kaum 10000 Einwohner, im Jahre 1800 über 16000
hatte, wurde 1637 von einem kataloniſchen Konquiſtador, Juan
Urpin, gegründet. Man verſuchte damals, aber vergeblich,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/275>, abgerufen am 18.06.2024.
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