um die Punkte, die ich in den Wäldern am Orinoko und im Archipel der Antillen bestimmt, zu einem System von Be- obachtungen zu verknüpfen. Die milchige Farbe des Wassers zeigte uns an, daß wir uns am östlichen Rande der Bank befanden; der hundertteilige Thermometer, der an der Meeres- fläche weit ab von der Bank seit mehreren Tagen auf 27° und 27,3° gestanden hatte (bei einer Lufttemperatur von 21,2°) fiel schnell auf 25,7°. Das Wetter war vom 4. bis zum 6. Dezember sehr schlecht; es regnete in Strömen, in der Ferne tobte ein Gewitter und die Windstöße aus Nord-Nord- West wurden immer heftiger. In der Nacht befanden wir uns eine Zeitlang in einer ziemlich bedenklichen Lage. Man hörte vor dem Vorderteil die See an Klippen branden, auf die das Schiff zulief. Bei phosphorischem Schein des schäu- menden Meeres sah man, in welcher Richtung die Riffe lagen. Das sah fast aus wie der Raudal von Garcita und andere Stromschnellen, die wir im Bett des Orinoko gesehen. Der Kapitän schob die Schuld weniger auf die Nachlässigkeit des Steuermanns als auf die Mangelhaftigkeit der Seekarten. Es gelang das Schiff zu wenden, und in weniger als einer Viertelstunde waren wir außer aller Gefahr, das Senkblei zeigte zuerst 16,5, dann 22, dann 27 m. Wir legten die Nacht vollends bei; der Nordwind drückte den Thermometer auf 19,7° (15,7° Reaumur) herab. Am anderen Tage fand ich nach chronometrischer Beobachtung in Verbindung mit der korrigierten Schätzung vom vorigen Tag, daß jene Klippen ungefähr unter 16° 50' der Breite und 80° 43' 49" der Länge liegen. Die Klippe, an der das spanische Schiff El Monarca im Jahre 1798 beinahe zu Grunde gegangen wäre, liegt unter 16° 44' der Breite und 80° 23' der Länge, also viel weiter gegen Ost. Während wir von Süd-Süd-Ost nach Nord- Nord-West über die Bank Vibora fuhren, versuchte ich es oft, die Temperatur des Meerwassers an der Oberfläche zu messen. Mitten auf der Bank war die Abkühlung nicht so stark als an den Rändern, was wir den Strömungen zuschrieben, die in diesen Strichen die Wasser verschiedener Breiten mischen. Südwärts von Pedro Kays zeigte die Meeresfläche bei 45 m Tiefe 26,4°, bei 27 m Tiefe 26,2°. Oestlich von der Bank war die Temperatur der See 26,8° gewesen. Diese Ver- suche können in diesen Strichen nur dann genaue Resultate geben, wenn man sie zu einer Zeit anstellt, wo der Wind nicht aus Nord bläst und die Strömungen nicht so stark sind.
um die Punkte, die ich in den Wäldern am Orinoko und im Archipel der Antillen beſtimmt, zu einem Syſtem von Be- obachtungen zu verknüpfen. Die milchige Farbe des Waſſers zeigte uns an, daß wir uns am öſtlichen Rande der Bank befanden; der hundertteilige Thermometer, der an der Meeres- fläche weit ab von der Bank ſeit mehreren Tagen auf 27° und 27,3° geſtanden hatte (bei einer Lufttemperatur von 21,2°) fiel ſchnell auf 25,7°. Das Wetter war vom 4. bis zum 6. Dezember ſehr ſchlecht; es regnete in Strömen, in der Ferne tobte ein Gewitter und die Windſtöße aus Nord-Nord- Weſt wurden immer heftiger. In der Nacht befanden wir uns eine Zeitlang in einer ziemlich bedenklichen Lage. Man hörte vor dem Vorderteil die See an Klippen branden, auf die das Schiff zulief. Bei phosphoriſchem Schein des ſchäu- menden Meeres ſah man, in welcher Richtung die Riffe lagen. Das ſah faſt aus wie der Raudal von Garcita und andere Stromſchnellen, die wir im Bett des Orinoko geſehen. Der Kapitän ſchob die Schuld weniger auf die Nachläſſigkeit des Steuermanns als auf die Mangelhaftigkeit der Seekarten. Es gelang das Schiff zu wenden, und in weniger als einer Viertelſtunde waren wir außer aller Gefahr, das Senkblei zeigte zuerſt 16,5, dann 22, dann 27 m. Wir legten die Nacht vollends bei; der Nordwind drückte den Thermometer auf 19,7° (15,7° Reaumur) herab. Am anderen Tage fand ich nach chronometriſcher Beobachtung in Verbindung mit der korrigierten Schätzung vom vorigen Tag, daß jene Klippen ungefähr unter 16° 50′ der Breite und 80° 43′ 49″ der Länge liegen. Die Klippe, an der das ſpaniſche Schiff El Monarca im Jahre 1798 beinahe zu Grunde gegangen wäre, liegt unter 16° 44′ der Breite und 80° 23′ der Länge, alſo viel weiter gegen Oſt. Während wir von Süd-Süd-Oſt nach Nord- Nord-Weſt über die Bank Vibora fuhren, verſuchte ich es oft, die Temperatur des Meerwaſſers an der Oberfläche zu meſſen. Mitten auf der Bank war die Abkühlung nicht ſo ſtark als an den Rändern, was wir den Strömungen zuſchrieben, die in dieſen Strichen die Waſſer verſchiedener Breiten miſchen. Südwärts von Pedro Kays zeigte die Meeresfläche bei 45 m Tiefe 26,4°, bei 27 m Tiefe 26,2°. Oeſtlich von der Bank war die Temperatur der See 26,8° geweſen. Dieſe Ver- ſuche können in dieſen Strichen nur dann genaue Reſultate geben, wenn man ſie zu einer Zeit anſtellt, wo der Wind nicht aus Nord bläſt und die Strömungen nicht ſo ſtark ſind.
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um die Punkte, die ich in den Wäldern am Orinoko und im
Archipel der Antillen beſtimmt, zu einem Syſtem von Be-
obachtungen zu verknüpfen. Die milchige Farbe des Waſſers
zeigte uns an, daß wir uns am öſtlichen Rande der Bank
befanden; der hundertteilige Thermometer, der an der Meeres-
fläche weit ab von der Bank ſeit mehreren Tagen auf 27°
und 27,3° geſtanden hatte (bei einer Lufttemperatur von 21,2°)
fiel ſchnell auf 25,7°. Das Wetter war vom 4. bis zum
6. Dezember ſehr ſchlecht; es regnete in Strömen, in der
Ferne tobte ein Gewitter und die Windſtöße aus Nord-Nord-
Weſt wurden immer heftiger. In der Nacht befanden wir
uns eine Zeitlang in einer ziemlich bedenklichen Lage. Man
hörte vor dem Vorderteil die See an Klippen branden, auf
die das Schiff zulief. Bei phosphoriſchem Schein des ſchäu-
menden Meeres ſah man, in welcher Richtung die Riffe lagen.
Das ſah faſt aus wie der Raudal von Garcita und andere
Stromſchnellen, die wir im Bett des Orinoko geſehen. Der
Kapitän ſchob die Schuld weniger auf die Nachläſſigkeit des
Steuermanns als auf die Mangelhaftigkeit der Seekarten.
Es gelang das Schiff zu wenden, und in weniger als einer
Viertelſtunde waren wir außer aller Gefahr, das Senkblei
zeigte zuerſt 16,5, dann 22, dann 27 m. Wir legten die
Nacht vollends bei; der Nordwind drückte den Thermometer
auf 19,7° (15,7° Reaumur) herab. Am anderen Tage fand
ich nach chronometriſcher Beobachtung in Verbindung mit der
korrigierten Schätzung vom vorigen Tag, daß jene Klippen
ungefähr unter 16° 50′ der Breite und 80° 43′ 49″ der Länge
liegen. Die Klippe, an der das ſpaniſche Schiff El Monarca
im Jahre 1798 beinahe zu Grunde gegangen wäre, liegt
unter 16° 44′ der Breite und 80° 23′ der Länge, alſo viel
weiter gegen Oſt. Während wir von Süd-Süd-Oſt nach Nord-
Nord-Weſt über die Bank Vibora fuhren, verſuchte ich es oft,
die Temperatur des Meerwaſſers an der Oberfläche zu meſſen.
Mitten auf der Bank war die Abkühlung nicht ſo ſtark als
an den Rändern, was wir den Strömungen zuſchrieben, die
in dieſen Strichen die Waſſer verſchiedener Breiten miſchen.
Südwärts von Pedro Kays zeigte die Meeresfläche bei 45 m
Tiefe 26,4°, bei 27 m Tiefe 26,2°. Oeſtlich von der Bank
war die Temperatur der See 26,8° geweſen. Dieſe Ver-
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geben, wenn man ſie zu einer Zeit anſtellt, wo der Wind
nicht aus Nord bläſt und die Strömungen nicht ſo ſtark ſind.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/307>, abgerufen am 21.11.2024.
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