Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Gabelung sich bildet, wenn ein kleiner Bodenabschnitt am Ufer Den hier auseinander gesetzten Verhältnissen zufolge bilden 1 Es gibt 1) ozeanische Delta, wie an den Mündungen
des Orinoko, des Rio Magdalena, des Ganges; 2) Delta an den Ufern von Binnenmeeren, wie die des Oxus und Sihon; 3) Delta von Nebenflüssen, wie an den Mün- dungen des Apure, des Arauca und des Rio Branco. Fließen mehrere untergeordnete Gewässer in der Nähe des Deltas von Nebenflüssen, so wiederholt sich im Binnenlande ganz, was im Küstenlande an den ozeanischen Delta vorgeht. Die einander zu- nächst gelegenen Zweige teilen sich ihre Gewässer mit und bilden ein Flußnetz, das zur Zeit der großen Ueberschwemmungen fast un- kenntlich wird. Gabelung ſich bildet, wenn ein kleiner Bodenabſchnitt am Ufer Den hier auseinander geſetzten Verhältniſſen zufolge bilden 1 Es gibt 1) ozeaniſche Delta, wie an den Mündungen
des Orinoko, des Rio Magdalena, des Ganges; 2) Delta an den Ufern von Binnenmeeren, wie die des Oxus und Sihon; 3) Delta von Nebenflüſſen, wie an den Mün- dungen des Apure, des Arauca und des Rio Branco. Fließen mehrere untergeordnete Gewäſſer in der Nähe des Deltas von Nebenflüſſen, ſo wiederholt ſich im Binnenlande ganz, was im Küſtenlande an den ozeaniſchen Delta vorgeht. Die einander zu- nächſt gelegenen Zweige teilen ſich ihre Gewäſſer mit und bilden ein Flußnetz, das zur Zeit der großen Ueberſchwemmungen faſt un- kenntlich wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0045" n="37"/> Gabelung ſich bildet, wenn ein kleiner Bodenabſchnitt am Ufer<lb/> niedriger liegt als der Grund einer Seitenrinne.</p><lb/> <p>Den hier auseinander geſetzten Verhältniſſen zufolge bilden<lb/> ſich Flußgabelungen entweder im ſelben Becken oder auf der<lb/> Waſſerſcheide zwiſchen zweien. Im erſteren Falle ſind es ent-<lb/> weder Arme, die in den Thalwegen, von dem ſie ſich abgezweigt,<lb/> früher oder ſpäter wieder einmünden, oder aber Arme, die<lb/> ſich mit weiter abwärts gelegenen Nebenflüſſen vereinigen.<lb/> Zuweilen ſind es auch Delta, <note place="foot" n="1">Es gibt 1) <hi rendition="#g">ozeaniſche Delta</hi>, wie an den Mündungen<lb/> des Orinoko, des Rio Magdalena, des Ganges; 2) <hi rendition="#g">Delta an<lb/> den Ufern von Binnenmeeren</hi>, wie die des Oxus und<lb/> Sihon; 3) <hi rendition="#g">Delta von Nebenflüſſen</hi>, wie an den Mün-<lb/> dungen des Apure, des Arauca und des Rio Branco. Fließen<lb/> mehrere untergeordnete Gewäſſer in der Nähe des Deltas von<lb/> Nebenflüſſen, ſo wiederholt ſich im Binnenlande ganz, was im<lb/> Küſtenlande an den ozeaniſchen Delta vorgeht. Die einander zu-<lb/> nächſt gelegenen Zweige teilen ſich ihre Gewäſſer mit und bilden<lb/> ein Flußnetz, das zur Zeit der großen Ueberſchwemmungen faſt un-<lb/> kenntlich wird.</note> die ſich entweder nahe der<lb/> Mündung der Flüſſe ins Meer oder beim Zuſammenfluſſe<lb/> mit einem anderen Strome bilden. Erfolgt die Gabelung an<lb/> der Grenze zweier Becken und läuft dieſe Grenze durch das<lb/> Bett des Hauptbehälters ſelbſt, ſo ſtellt der ſich abzweigende<lb/> Arm eine hydrauliſche Verbindung zwiſchen zwei Flußſyſtemen<lb/> her und verdient deſto mehr unſere Aufmerkſamkeit, je breiter<lb/> und ſchiffbarer er iſt. Nun iſt aber der Caſſiquiare zwei-<lb/> bis dreimal breiter als die Seine beim <hi rendition="#aq">Jardin des plantes</hi><lb/> in Paris, und zum Beweiſe, wie merkwürdig dieſer Fluß iſt,<lb/> bemerke ich, daß eine ſorgfältige Forſchung nach Fällen von<lb/> Gabelteilungen im Inneren der Länder, ſelbſt zwiſchen weit<lb/> weniger bedeutenden Flüſſen, ihrer bis jetzt nur drei bis vier<lb/> unzweifelhaft zu Tage gefördert hat. Ich ſpreche nicht von<lb/> den Verzweigungen der großen indiſch-chineſiſchen Flüſſe, von<lb/> den natürlichen Kanälen, durch welche die Flüſſe in Ava und<lb/> Pegu, wie in Siam und Kambodſcha zuſammenzuhängen ſchei-<lb/> nen; die Art dieſer Verbindungen iſt noch nicht gehörig auf-<lb/> geklärt. Ich beſchränke mich darauf, einer hydrauliſchen Er-<lb/> ſcheinung zu erwähnen, welche durch Baron Hermelins ſchöne<lb/> Karten von Norwegen nach allen Teilen bekannt geworden iſt.<lb/> In Lappland ſendet der Torneofluß einen Arm (den Tärendoelf)<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0045]
Gabelung ſich bildet, wenn ein kleiner Bodenabſchnitt am Ufer
niedriger liegt als der Grund einer Seitenrinne.
Den hier auseinander geſetzten Verhältniſſen zufolge bilden
ſich Flußgabelungen entweder im ſelben Becken oder auf der
Waſſerſcheide zwiſchen zweien. Im erſteren Falle ſind es ent-
weder Arme, die in den Thalwegen, von dem ſie ſich abgezweigt,
früher oder ſpäter wieder einmünden, oder aber Arme, die
ſich mit weiter abwärts gelegenen Nebenflüſſen vereinigen.
Zuweilen ſind es auch Delta, 1 die ſich entweder nahe der
Mündung der Flüſſe ins Meer oder beim Zuſammenfluſſe
mit einem anderen Strome bilden. Erfolgt die Gabelung an
der Grenze zweier Becken und läuft dieſe Grenze durch das
Bett des Hauptbehälters ſelbſt, ſo ſtellt der ſich abzweigende
Arm eine hydrauliſche Verbindung zwiſchen zwei Flußſyſtemen
her und verdient deſto mehr unſere Aufmerkſamkeit, je breiter
und ſchiffbarer er iſt. Nun iſt aber der Caſſiquiare zwei-
bis dreimal breiter als die Seine beim Jardin des plantes
in Paris, und zum Beweiſe, wie merkwürdig dieſer Fluß iſt,
bemerke ich, daß eine ſorgfältige Forſchung nach Fällen von
Gabelteilungen im Inneren der Länder, ſelbſt zwiſchen weit
weniger bedeutenden Flüſſen, ihrer bis jetzt nur drei bis vier
unzweifelhaft zu Tage gefördert hat. Ich ſpreche nicht von
den Verzweigungen der großen indiſch-chineſiſchen Flüſſe, von
den natürlichen Kanälen, durch welche die Flüſſe in Ava und
Pegu, wie in Siam und Kambodſcha zuſammenzuhängen ſchei-
nen; die Art dieſer Verbindungen iſt noch nicht gehörig auf-
geklärt. Ich beſchränke mich darauf, einer hydrauliſchen Er-
ſcheinung zu erwähnen, welche durch Baron Hermelins ſchöne
Karten von Norwegen nach allen Teilen bekannt geworden iſt.
In Lappland ſendet der Torneofluß einen Arm (den Tärendoelf)
1 Es gibt 1) ozeaniſche Delta, wie an den Mündungen
des Orinoko, des Rio Magdalena, des Ganges; 2) Delta an
den Ufern von Binnenmeeren, wie die des Oxus und
Sihon; 3) Delta von Nebenflüſſen, wie an den Mün-
dungen des Apure, des Arauca und des Rio Branco. Fließen
mehrere untergeordnete Gewäſſer in der Nähe des Deltas von
Nebenflüſſen, ſo wiederholt ſich im Binnenlande ganz, was im
Küſtenlande an den ozeaniſchen Delta vorgeht. Die einander zu-
nächſt gelegenen Zweige teilen ſich ihre Gewäſſer mit und bilden
ein Flußnetz, das zur Zeit der großen Ueberſchwemmungen faſt un-
kenntlich wird.
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