Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.des oberen Orinoko ist eine zu großartige Erscheinung, als Nachdem ich die Gabelteilung des Orinoko aus dem Ge- 1 Südöstlich von Bornu und dem See No, in dem Teile von
Sudan, wo, nach den letzten Ermittelungen meines unglücklichen Freundes Ritchie, der Nigir den Schari aufnimmt und sich in den Weißen Nil ergießt. des oberen Orinoko iſt eine zu großartige Erſcheinung, als Nachdem ich die Gabelteilung des Orinoko aus dem Ge- 1 Südöſtlich von Bornu und dem See No, in dem Teile von
Sudan, wo, nach den letzten Ermittelungen meines unglücklichen Freundes Ritchie, der Nigir den Schari aufnimmt und ſich in den Weißen Nil ergießt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="39"/> des oberen Orinoko iſt eine zu großartige Erſcheinung, als<lb/> daß die kleinen Umwandlungen, die wir an der Erdoberfläche<lb/> vorgehen ſehen, demſelben ein Ende machen oder auch nur<lb/> viel daran verändern könnten. Wir beſtreiten nicht, vollends<lb/> wenn es ſich von minder breiten und ſehr langſam ſtrömen-<lb/> den Gewäſſern handelt, daß alle Flüſſe eine Neigung haben,<lb/> ihre Verzweigungen zu vermindern und ihre Becken zu iſolieren.<lb/> Die majeſtätiſchten Ströme erſcheinen, wenn man die ſteilen<lb/> Hänge der alten weitab liegenden Ufer betrachtet, nur als<lb/> Waſſerfäden, die ſich durch Thäler winden, die ſie ſelbſt ſich<lb/> nicht haben graben können. Der heutige Zuſtand ihres Bettes<lb/> weiſt deutlich darauf hin, daß die ſtrömenden Gewäſſer all-<lb/> mählich abgenommen haben. Ueberall treffen wir die Spuren<lb/> alter ausgetrockneter Arme und Gabelungen, für die kaum<lb/> ein hiſtoriſches Zeugnis vorliegt. Die verſchiedenen, mehr<lb/> oder weniger parallelen Rinnen, aus denen die Betten der<lb/> amerikaniſchen Flüſſe beſtehen, und die ſie weit waſſerreicher<lb/> erſcheinen laſſen, als ſie wirklich ſind, verändern allgemach<lb/> ihre Richtung; ſie werden breiter und verſchmelzen dadurch,<lb/> daß die Längsgräten zwiſchen denſelben abbröckeln. Was an-<lb/> fangs nur ein Arm war, wird bald der einzige Waſſerbe-<lb/> hälter, und bei Strömen, die langſam ziehen, verſchwinden<lb/> die Gabelteilungen oder Verzweigungen zwiſchen zwei hydrau-<lb/> liſchen Syſtemen auf dreierlei Wegen: entweder der <hi rendition="#g">Ver-<lb/> bindungskanal</hi> zieht den ganzen gegabelten Strom in ſein<lb/> Becken hinüber, oder der Kanal verſtopft ſich durch Anſchwem-<lb/> mungen an der Stelle, wo er vom Strome abgeht, oder endlich<lb/> in der Mitte ſeines Laufes bildet ſich ein Querkamm, eine<lb/> Waſſerſcheide, wodurch das obere Stück einen Gegenhang<lb/> erhält und das Waſſer in umgekehrter Richtung zurückfließt.<lb/> Sehr niedrige und großen periodiſchen Ueberſchwemmungen<lb/> ausgeſetzte Länder, wie Guyana in Amerika und Dar-Saley<lb/> oder Bagirmi in Afrika, <note place="foot" n="1">Südöſtlich von Bornu und dem See No, in dem Teile von<lb/> Sudan, wo, nach den letzten Ermittelungen meines unglücklichen<lb/> Freundes Ritchie, der Nigir den Schari aufnimmt und ſich in den<lb/> Weißen Nil ergießt.</note> geben uns ein Bild davon, wie<lb/> viel häufiger dergleichen Verbindungen durch natürliche Kanäle<lb/> früher geweſen ſein mögen als jetzt.</p><lb/> <p>Nachdem ich die Gabelteilung des Orinoko aus dem Ge-<lb/> ſichtspunkte der <hi rendition="#g">vergleichen den Hydrographie</hi> betrachtet,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0047]
des oberen Orinoko iſt eine zu großartige Erſcheinung, als
daß die kleinen Umwandlungen, die wir an der Erdoberfläche
vorgehen ſehen, demſelben ein Ende machen oder auch nur
viel daran verändern könnten. Wir beſtreiten nicht, vollends
wenn es ſich von minder breiten und ſehr langſam ſtrömen-
den Gewäſſern handelt, daß alle Flüſſe eine Neigung haben,
ihre Verzweigungen zu vermindern und ihre Becken zu iſolieren.
Die majeſtätiſchten Ströme erſcheinen, wenn man die ſteilen
Hänge der alten weitab liegenden Ufer betrachtet, nur als
Waſſerfäden, die ſich durch Thäler winden, die ſie ſelbſt ſich
nicht haben graben können. Der heutige Zuſtand ihres Bettes
weiſt deutlich darauf hin, daß die ſtrömenden Gewäſſer all-
mählich abgenommen haben. Ueberall treffen wir die Spuren
alter ausgetrockneter Arme und Gabelungen, für die kaum
ein hiſtoriſches Zeugnis vorliegt. Die verſchiedenen, mehr
oder weniger parallelen Rinnen, aus denen die Betten der
amerikaniſchen Flüſſe beſtehen, und die ſie weit waſſerreicher
erſcheinen laſſen, als ſie wirklich ſind, verändern allgemach
ihre Richtung; ſie werden breiter und verſchmelzen dadurch,
daß die Längsgräten zwiſchen denſelben abbröckeln. Was an-
fangs nur ein Arm war, wird bald der einzige Waſſerbe-
hälter, und bei Strömen, die langſam ziehen, verſchwinden
die Gabelteilungen oder Verzweigungen zwiſchen zwei hydrau-
liſchen Syſtemen auf dreierlei Wegen: entweder der Ver-
bindungskanal zieht den ganzen gegabelten Strom in ſein
Becken hinüber, oder der Kanal verſtopft ſich durch Anſchwem-
mungen an der Stelle, wo er vom Strome abgeht, oder endlich
in der Mitte ſeines Laufes bildet ſich ein Querkamm, eine
Waſſerſcheide, wodurch das obere Stück einen Gegenhang
erhält und das Waſſer in umgekehrter Richtung zurückfließt.
Sehr niedrige und großen periodiſchen Ueberſchwemmungen
ausgeſetzte Länder, wie Guyana in Amerika und Dar-Saley
oder Bagirmi in Afrika, 1 geben uns ein Bild davon, wie
viel häufiger dergleichen Verbindungen durch natürliche Kanäle
früher geweſen ſein mögen als jetzt.
Nachdem ich die Gabelteilung des Orinoko aus dem Ge-
ſichtspunkte der vergleichen den Hydrographie betrachtet,
1 Südöſtlich von Bornu und dem See No, in dem Teile von
Sudan, wo, nach den letzten Ermittelungen meines unglücklichen
Freundes Ritchie, der Nigir den Schari aufnimmt und ſich in den
Weißen Nil ergießt.
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