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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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und an dessen Mündung sich holländische Niederlassungen be-
finden." Acunda gibt den Rat, "nicht am Einflusse des Rio
Negro in den Amazonenstrom, sondern am Punkte, wo der
Verbindungsast abgeht", eine Festung zu bauen. Er bespricht
die Frage, was wohl dieser Rio Grande sein möge, und
kommt zum Schlusse, der Orinoko sei es sicher nicht, vielleicht
aber der Rio Dulce oder der Rio de Felipe, derselbe,
durch den Aguirre zur See gekommen. Letztere dieser An-
nahmen scheint ihm die wahrscheinlichste. Man muß bei der-
gleichen Angaben unterscheiden zwischen dem, was die Reisen-
den an der Mündung des Rio Negro von den Indianern
erfahren, und dem, was jene nach den Vorstellungen, die ihnen
der Zustand der Geographie zu ihrer Zeit an die Hand gab,
selbst hinzusetzten. Ein Flußarm, der vom Rio Negro ab-
geht, soll sich in einen sehr großen Fluß ergießen, der in das
nördliche Meer läuft an einer Küste, auf der Menschen
mit roten Haaren
wohnen; so bezeichneten die Indianer
die Holländer, da sie gewöhnt waren, nur Weiße mit
schwarzen oder braunen Haaren
, Spanier oder Portu-
giesen, zu sehen. Wir kennen nun aber jetzt, vom Einflusse
des Rio Negro in den Amazonenstrom bis zum Canno Pimichin,
auf dem ich in den ersteren Fluß gekommen, alle Nebenflüsse
von Nord und Ost her. Nur ein einziger darunter, der
Cassiquiare, steht mit einem anderen Flusse in Verbindung. Die
Quellen des Rio Branco sind auf den neuen Karten des
brasilianischen hydrographischen Depots sehr genau aufgenom-
men, und wir wissen, daß dieser Fluß keineswegs durch einen
See mit dem Carony, dem Essequibo oder irgend einem an-
deren Gewässer der Küste von Surinam und Cayenne in Ver-
bindung steht. Eine hohe Bergkette, die von Pacaraymo,
liegt zwischen den Quellen des Paraguamusi (eines Neben-
flusses des Carony) und denen des Rio Branco, wie es von
Don Antonio Santos auf seiner Reise von Angostura nach
Gran-Para im Jahre 1775 ausgemacht worden. Südwärts
von der Bergkette Pacaraymo und Quimiropaca befindet sich
ein Trageplatz von drei Tagereisen zwischen dem Sarauri
(einem Arme des Rio Branco) und dem Rupunuri (einem
Arme des Essequibo). Ueber diesen Trageplatz kam im Jahre
1759 der Chirurg Nikolas Hortsmann, ein Hildesheimer,
dessen Tagebuch ich in Händen gehabt; es ist dies derselbe
Weg, auf dem Don Francisco Jose Rodriguez Barata, Oberst-
lieutenant des ersten Linienregimentes in Para, im Jahre 1793

und an deſſen Mündung ſich holländiſche Niederlaſſungen be-
finden.“ Acuña gibt den Rat, „nicht am Einfluſſe des Rio
Negro in den Amazonenſtrom, ſondern am Punkte, wo der
Verbindungsaſt abgeht“, eine Feſtung zu bauen. Er beſpricht
die Frage, was wohl dieſer Rio Grande ſein möge, und
kommt zum Schluſſe, der Orinoko ſei es ſicher nicht, vielleicht
aber der Rio Dulce oder der Rio de Felipe, derſelbe,
durch den Aguirre zur See gekommen. Letztere dieſer An-
nahmen ſcheint ihm die wahrſcheinlichſte. Man muß bei der-
gleichen Angaben unterſcheiden zwiſchen dem, was die Reiſen-
den an der Mündung des Rio Negro von den Indianern
erfahren, und dem, was jene nach den Vorſtellungen, die ihnen
der Zuſtand der Geographie zu ihrer Zeit an die Hand gab,
ſelbſt hinzuſetzten. Ein Flußarm, der vom Rio Negro ab-
geht, ſoll ſich in einen ſehr großen Fluß ergießen, der in das
nördliche Meer läuft an einer Küſte, auf der Menſchen
mit roten Haaren
wohnen; ſo bezeichneten die Indianer
die Holländer, da ſie gewöhnt waren, nur Weiße mit
ſchwarzen oder braunen Haaren
, Spanier oder Portu-
gieſen, zu ſehen. Wir kennen nun aber jetzt, vom Einfluſſe
des Rio Negro in den Amazonenſtrom bis zum Caño Pimichin,
auf dem ich in den erſteren Fluß gekommen, alle Nebenflüſſe
von Nord und Oſt her. Nur ein einziger darunter, der
Caſſiquiare, ſteht mit einem anderen Fluſſe in Verbindung. Die
Quellen des Rio Branco ſind auf den neuen Karten des
braſilianiſchen hydrographiſchen Depots ſehr genau aufgenom-
men, und wir wiſſen, daß dieſer Fluß keineswegs durch einen
See mit dem Carony, dem Eſſequibo oder irgend einem an-
deren Gewäſſer der Küſte von Surinam und Cayenne in Ver-
bindung ſteht. Eine hohe Bergkette, die von Pacaraymo,
liegt zwiſchen den Quellen des Paraguamuſi (eines Neben-
fluſſes des Carony) und denen des Rio Branco, wie es von
Don Antonio Santos auf ſeiner Reiſe von Angoſtura nach
Gran-Para im Jahre 1775 ausgemacht worden. Südwärts
von der Bergkette Pacaraymo und Quimiropaca befindet ſich
ein Trageplatz von drei Tagereiſen zwiſchen dem Sarauri
(einem Arme des Rio Branco) und dem Rupunuri (einem
Arme des Eſſequibo). Ueber dieſen Trageplatz kam im Jahre
1759 der Chirurg Nikolas Hortsmann, ein Hildesheimer,
deſſen Tagebuch ich in Händen gehabt; es iſt dies derſelbe
Weg, auf dem Don Francisco Joſe Rodriguez Barata, Oberſt-
lieutenant des erſten Linienregimentes in Para, im Jahre 1793

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[42/0050] und an deſſen Mündung ſich holländiſche Niederlaſſungen be- finden.“ Acuña gibt den Rat, „nicht am Einfluſſe des Rio Negro in den Amazonenſtrom, ſondern am Punkte, wo der Verbindungsaſt abgeht“, eine Feſtung zu bauen. Er beſpricht die Frage, was wohl dieſer Rio Grande ſein möge, und kommt zum Schluſſe, der Orinoko ſei es ſicher nicht, vielleicht aber der Rio Dulce oder der Rio de Felipe, derſelbe, durch den Aguirre zur See gekommen. Letztere dieſer An- nahmen ſcheint ihm die wahrſcheinlichſte. Man muß bei der- gleichen Angaben unterſcheiden zwiſchen dem, was die Reiſen- den an der Mündung des Rio Negro von den Indianern erfahren, und dem, was jene nach den Vorſtellungen, die ihnen der Zuſtand der Geographie zu ihrer Zeit an die Hand gab, ſelbſt hinzuſetzten. Ein Flußarm, der vom Rio Negro ab- geht, ſoll ſich in einen ſehr großen Fluß ergießen, der in das nördliche Meer läuft an einer Küſte, auf der Menſchen mit roten Haaren wohnen; ſo bezeichneten die Indianer die Holländer, da ſie gewöhnt waren, nur Weiße mit ſchwarzen oder braunen Haaren, Spanier oder Portu- gieſen, zu ſehen. Wir kennen nun aber jetzt, vom Einfluſſe des Rio Negro in den Amazonenſtrom bis zum Caño Pimichin, auf dem ich in den erſteren Fluß gekommen, alle Nebenflüſſe von Nord und Oſt her. Nur ein einziger darunter, der Caſſiquiare, ſteht mit einem anderen Fluſſe in Verbindung. Die Quellen des Rio Branco ſind auf den neuen Karten des braſilianiſchen hydrographiſchen Depots ſehr genau aufgenom- men, und wir wiſſen, daß dieſer Fluß keineswegs durch einen See mit dem Carony, dem Eſſequibo oder irgend einem an- deren Gewäſſer der Küſte von Surinam und Cayenne in Ver- bindung ſteht. Eine hohe Bergkette, die von Pacaraymo, liegt zwiſchen den Quellen des Paraguamuſi (eines Neben- fluſſes des Carony) und denen des Rio Branco, wie es von Don Antonio Santos auf ſeiner Reiſe von Angoſtura nach Gran-Para im Jahre 1775 ausgemacht worden. Südwärts von der Bergkette Pacaraymo und Quimiropaca befindet ſich ein Trageplatz von drei Tagereiſen zwiſchen dem Sarauri (einem Arme des Rio Branco) und dem Rupunuri (einem Arme des Eſſequibo). Ueber dieſen Trageplatz kam im Jahre 1759 der Chirurg Nikolas Hortsmann, ein Hildesheimer, deſſen Tagebuch ich in Händen gehabt; es iſt dies derſelbe Weg, auf dem Don Francisco Joſe Rodriguez Barata, Oberſt- lieutenant des erſten Linienregimentes in Para, im Jahre 1793

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/50>, abgerufen am 24.11.2024.