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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Existenz der Nueva Villa de Esmeralda überzeugt waren, so-
wie vom Reichtum des Cerro Duida an kostbaren Mineralien,
da doch nichts darin zu finden ist als Glimmer, Bergkristall,
Aktinot und Rutil, ging eine aus den ungleichsten Elementen
bestehende Kolonie allgemach wieder zu Grunde. Die Land-
streicher aus den Llanos hatten so wenig Lust zur Arbeit als
die Indianer, die gezwungen "unter der Glocke" lebten.
Ersteren diente ihr Hochmut zu weiterer Rechtfertigung ihrer
Faulheit. In den Missionen nennt sich jeder Farbige, der
nicht geradezu schwarz ist wie ein Afrikaner oder kupferfarbig
wie ein Indianer, einen Spanier; er gehört zur Gente
de razon,
zur vernunftbegabten Rasse, und diese, wie nicht
zu leugnen, hie und da übermütige und arbeitsscheue Ver-
nunft redet den Weißen und denen, die es zu sein glauben,
ein, der Landbau sei ein Geschäft für Sklaven, für Poitos,
und für neubekehrte Indianer. Die Kolonie Esmeralda war
nach dem Muster der neuholländischen gegründet, wurde aber
keineswegs ebenso weise regiert. Da die amerikanischen Kolo-
nisten von ihrem Heimatland nicht durch Meere, sondern
durch Wälder und Savannen geschieden waren, so verliefen sie
sich, die einen nach Nord, dem Caura und Carony zu, die
anderen nach Süd in die portugiesischen Besitzungen. So
hatte es mit der Herrlichkeit der Villa und den Smaragd-
gruben am Duida ein jähes Ende, und Esmeralda galt wegen
der furchtbaren Insektenmasse, welche das ganze Jahr die
Luft verfinstert, bei den Ordensleuten für einen fluchwürdigen
Verbannungsort.

Ich erwähnte oben, daß der Vorsteher der Missionen
den Laienbrüdern, um sie in der Zucht zu halten, zuweilen
droht, sie nach Esmeralda zu schicken; man wird damit, wie
die Mönche sagen "zu den Moskiten verurteilt, verurteilt,
von den summenden Mücken (Zancudos gritones) gefressen
zu werden, die Gott den Menschen zur Strafe erschaffen hat".
Einer so seltsamen Strafe unterlagen aber nicht immer nur
Laienbrüder. Um Jahr 1788 brach in der Ordenswelt eine
der Revolutionen aus, die einem in Europa nach den Vor-
stellungen, die man von den friedlichen Zuständen der christ-
lichen Niederlassungen in der Neuen Welt hat, fast unbegreif-
lich sind. Schon längst hätten die Franziskaner, die in
Guyana saßen, gerne eine Republik für sich gebildet und
sich vom Kollegium von Piritu in Nueva Barcelona unab-
hängig gemacht. Mißvergnügt, daß zum wichtigen Amte eines

Exiſtenz der Nueva Villa de Esmeralda überzeugt waren, ſo-
wie vom Reichtum des Cerro Duida an koſtbaren Mineralien,
da doch nichts darin zu finden iſt als Glimmer, Bergkriſtall,
Aktinot und Rutil, ging eine aus den ungleichſten Elementen
beſtehende Kolonie allgemach wieder zu Grunde. Die Land-
ſtreicher aus den Llanos hatten ſo wenig Luſt zur Arbeit als
die Indianer, die gezwungen „unter der Glocke“ lebten.
Erſteren diente ihr Hochmut zu weiterer Rechtfertigung ihrer
Faulheit. In den Miſſionen nennt ſich jeder Farbige, der
nicht geradezu ſchwarz iſt wie ein Afrikaner oder kupferfarbig
wie ein Indianer, einen Spanier; er gehört zur Gente
de razon,
zur vernunftbegabten Raſſe, und dieſe, wie nicht
zu leugnen, hie und da übermütige und arbeitsſcheue Ver-
nunft redet den Weißen und denen, die es zu ſein glauben,
ein, der Landbau ſei ein Geſchäft für Sklaven, für Poitos,
und für neubekehrte Indianer. Die Kolonie Esmeralda war
nach dem Muſter der neuholländiſchen gegründet, wurde aber
keineswegs ebenſo weiſe regiert. Da die amerikaniſchen Kolo-
niſten von ihrem Heimatland nicht durch Meere, ſondern
durch Wälder und Savannen geſchieden waren, ſo verliefen ſie
ſich, die einen nach Nord, dem Caura und Carony zu, die
anderen nach Süd in die portugieſiſchen Beſitzungen. So
hatte es mit der Herrlichkeit der Villa und den Smaragd-
gruben am Duida ein jähes Ende, und Esmeralda galt wegen
der furchtbaren Inſektenmaſſe, welche das ganze Jahr die
Luft verfinſtert, bei den Ordensleuten für einen fluchwürdigen
Verbannungsort.

Ich erwähnte oben, daß der Vorſteher der Miſſionen
den Laienbrüdern, um ſie in der Zucht zu halten, zuweilen
droht, ſie nach Esmeralda zu ſchicken; man wird damit, wie
die Mönche ſagen „zu den Moskiten verurteilt, verurteilt,
von den ſummenden Mücken (Zancudos gritones) gefreſſen
zu werden, die Gott den Menſchen zur Strafe erſchaffen hat“.
Einer ſo ſeltſamen Strafe unterlagen aber nicht immer nur
Laienbrüder. Um Jahr 1788 brach in der Ordenswelt eine
der Revolutionen aus, die einem in Europa nach den Vor-
ſtellungen, die man von den friedlichen Zuſtänden der chriſt-
lichen Niederlaſſungen in der Neuen Welt hat, faſt unbegreif-
lich ſind. Schon längſt hätten die Franziskaner, die in
Guyana ſaßen, gerne eine Republik für ſich gebildet und
ſich vom Kollegium von Piritu in Nueva Barcelona unab-
hängig gemacht. Mißvergnügt, daß zum wichtigen Amte eines

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[57/0065] Exiſtenz der Nueva Villa de Esmeralda überzeugt waren, ſo- wie vom Reichtum des Cerro Duida an koſtbaren Mineralien, da doch nichts darin zu finden iſt als Glimmer, Bergkriſtall, Aktinot und Rutil, ging eine aus den ungleichſten Elementen beſtehende Kolonie allgemach wieder zu Grunde. Die Land- ſtreicher aus den Llanos hatten ſo wenig Luſt zur Arbeit als die Indianer, die gezwungen „unter der Glocke“ lebten. Erſteren diente ihr Hochmut zu weiterer Rechtfertigung ihrer Faulheit. In den Miſſionen nennt ſich jeder Farbige, der nicht geradezu ſchwarz iſt wie ein Afrikaner oder kupferfarbig wie ein Indianer, einen Spanier; er gehört zur Gente de razon, zur vernunftbegabten Raſſe, und dieſe, wie nicht zu leugnen, hie und da übermütige und arbeitsſcheue Ver- nunft redet den Weißen und denen, die es zu ſein glauben, ein, der Landbau ſei ein Geſchäft für Sklaven, für Poitos, und für neubekehrte Indianer. Die Kolonie Esmeralda war nach dem Muſter der neuholländiſchen gegründet, wurde aber keineswegs ebenſo weiſe regiert. Da die amerikaniſchen Kolo- niſten von ihrem Heimatland nicht durch Meere, ſondern durch Wälder und Savannen geſchieden waren, ſo verliefen ſie ſich, die einen nach Nord, dem Caura und Carony zu, die anderen nach Süd in die portugieſiſchen Beſitzungen. So hatte es mit der Herrlichkeit der Villa und den Smaragd- gruben am Duida ein jähes Ende, und Esmeralda galt wegen der furchtbaren Inſektenmaſſe, welche das ganze Jahr die Luft verfinſtert, bei den Ordensleuten für einen fluchwürdigen Verbannungsort. Ich erwähnte oben, daß der Vorſteher der Miſſionen den Laienbrüdern, um ſie in der Zucht zu halten, zuweilen droht, ſie nach Esmeralda zu ſchicken; man wird damit, wie die Mönche ſagen „zu den Moskiten verurteilt, verurteilt, von den ſummenden Mücken (Zancudos gritones) gefreſſen zu werden, die Gott den Menſchen zur Strafe erſchaffen hat“. Einer ſo ſeltſamen Strafe unterlagen aber nicht immer nur Laienbrüder. Um Jahr 1788 brach in der Ordenswelt eine der Revolutionen aus, die einem in Europa nach den Vor- ſtellungen, die man von den friedlichen Zuſtänden der chriſt- lichen Niederlaſſungen in der Neuen Welt hat, faſt unbegreif- lich ſind. Schon längſt hätten die Franziskaner, die in Guyana ſaßen, gerne eine Republik für ſich gebildet und ſich vom Kollegium von Piritu in Nueva Barcelona unab- hängig gemacht. Mißvergnügt, daß zum wichtigen Amte eines

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/65>, abgerufen am 24.11.2024.