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Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382.

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leicht zu den auffallendsten meiner Schrift gehören, so verdienen
sie die unparteyische Prüfung.

Wenn ich über die Art nachdenke, wie ich die Phänomene
Fig. 65. und 37. beobachtet, wenn ich erwäge, daß ich selbst und
mein Reisegefährte, der die Glastafel zwischen dem Musk[e]l und
der Pincette hielt, doch wohl mit Sicherheit wahrnehmen konn-
ten, ob irgend ein Theil berührt ward: so scheinen mir unter
so einfachen Bedingungen jene Thatsachen von jedem Verdacht der
Täuschung frey. Ich glaube also den Satz wiederhohlen zu kön-
nen, den ich S. 86. aufstellte, den Satz: daß die thierische Ma-
terie sich bisweilen in einem Zustand befindet, in dem sie un-
si[c]htbar eine leitende Atmosphäre um sich verbreitet, welche in
ihrer Wirkung allmählig mit der Lebenskraft abnimmt. Ich
glaube sinnlich wahrgenommen zu haben, was Hr. Reil in sei-
ner cl[a]ssischen Schrift über die Nerven von einem sensibeln
Wirk[u]ngskreise prädicirte. Die physiologischen Folgerungen,
welche ich am Ende des siebenten Abschnitts entwickelt, scheinen
mir noch jetzt viel Wahrscheinlichkeit für sich zu haben.

Wenn aber auch die Erscheinungen Fig. 36. und Fig. 65.
unerschütterlich fest stehen, so ist die dritte Beweisart, die von
Fig. 26. hergenommen ist (wie ich jetzt einsehe), bey weitem
nicht eben so vor dem Verdacht der Selbsttäuschung gesichert.
Schon Hr. Michaelis, der in seinem Briefe an mich (Gren's
neues Jour. der Phys. 4ten B. 1tes H. S. 9) meine Versuche
so scharfsinnig erweitert, ja einige chemische sogar mit Glück auf
die praktische Heilkunde angewandt hat, schon Hr. Michaelis
erinnerte mich, wie leicht man durch Lymphe, welche den Raum
zwischen beyden Nervenenden ausfüllt, getäuscht werden kann.
Wenn Sie meine Versuche S. 213--220 nachlesen, so wer-
den Sie zwar sehen, wie vorsichtig ich diesem Irrthum zu ent-
gehen suchte. Neuere Experimente, welche ich Stundenlang
bloß in dieser Hinsicht angestellt, haben mich indessen überzeugt,
daß ich mich in jenen 4 Blättern viel zu allgemein ausgedrückt.
Ich habe geirrt, wenn ich das Phänomen als häufig eintretend

ge-

leicht zu den auffallendſten meiner Schrift gehoͤren, ſo verdienen
ſie die unparteyiſche Pruͤfung.

Wenn ich uͤber die Art nachdenke, wie ich die Phaͤnomene
Fig. 65. und 37. beobachtet, wenn ich erwaͤge, daß ich ſelbſt und
mein Reiſegefaͤhrte, der die Glastafel zwiſchen dem Musk[e]l und
der Pincette hielt, doch wohl mit Sicherheit wahrnehmen konn-
ten, ob irgend ein Theil beruͤhrt ward: ſo ſcheinen mir unter
ſo einfachen Bedingungen jene Thatſachen von jedem Verdacht der
Taͤuſchung frey. Ich glaube alſo den Satz wiederhohlen zu koͤn-
nen, den ich S. 86. aufſtellte, den Satz: daß die thieriſche Ma-
terie ſich bisweilen in einem Zuſtand befindet, in dem ſie un-
ſi[c]htbar eine leitende Atmoſphaͤre um ſich verbreitet, welche in
ihrer Wirkung allmaͤhlig mit der Lebenskraft abnimmt. Ich
glaube ſinnlich wahrgenommen zu haben, was Hr. Reil in ſei-
ner cl[a]ſſiſchen Schrift uͤber die Nerven von einem ſenſibeln
Wirk[u]ngskreiſe praͤdicirte. Die phyſiologiſchen Folgerungen,
welche ich am Ende des ſiebenten Abſchnitts entwickelt, ſcheinen
mir noch jetzt viel Wahrſcheinlichkeit fuͤr ſich zu haben.

Wenn aber auch die Erſcheinungen Fig. 36. und Fig. 65.
unerſchuͤtterlich feſt ſtehen, ſo iſt die dritte Beweisart, die von
Fig. 26. hergenommen iſt (wie ich jetzt einſehe), bey weitem
nicht eben ſo vor dem Verdacht der Selbſttaͤuſchung geſichert.
Schon Hr. Michaelis, der in ſeinem Briefe an mich (Gren's
neues Jour. der Phyſ. 4ten B. 1tes H. S. 9) meine Verſuche
ſo ſcharfſinnig erweitert, ja einige chemiſche ſogar mit Gluͤck auf
die praktiſche Heilkunde angewandt hat, ſchon Hr. Michaelis
erinnerte mich, wie leicht man durch Lymphe, welche den Raum
zwiſchen beyden Nervenenden ausfuͤllt, getaͤuſcht werden kann.
Wenn Sie meine Verſuche S. 213—220 nachleſen, ſo wer-
den Sie zwar ſehen, wie vorſichtig ich dieſem Irrthum zu ent-
gehen ſuchte. Neuere Experimente, welche ich Stundenlang
bloß in dieſer Hinſicht angeſtellt, haben mich indeſſen uͤberzeugt,
daß ich mich in jenen 4 Blaͤttern viel zu allgemein ausgedruͤckt.
Ich habe geirrt, wenn ich das Phaͤnomen als haͤufig eintretend

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[378/0004] leicht zu den auffallendſten meiner Schrift gehoͤren, ſo verdienen ſie die unparteyiſche Pruͤfung. Wenn ich uͤber die Art nachdenke, wie ich die Phaͤnomene Fig. 65. und 37. beobachtet, wenn ich erwaͤge, daß ich ſelbſt und mein Reiſegefaͤhrte, der die Glastafel zwiſchen dem Muskel und der Pincette hielt, doch wohl mit Sicherheit wahrnehmen konn- ten, ob irgend ein Theil beruͤhrt ward: ſo ſcheinen mir unter ſo einfachen Bedingungen jene Thatſachen von jedem Verdacht der Taͤuſchung frey. Ich glaube alſo den Satz wiederhohlen zu koͤn- nen, den ich S. 86. aufſtellte, den Satz: daß die thieriſche Ma- terie ſich bisweilen in einem Zuſtand befindet, in dem ſie un- ſichtbar eine leitende Atmoſphaͤre um ſich verbreitet, welche in ihrer Wirkung allmaͤhlig mit der Lebenskraft abnimmt. Ich glaube ſinnlich wahrgenommen zu haben, was Hr. Reil in ſei- ner claſſiſchen Schrift uͤber die Nerven von einem ſenſibeln Wirkungskreiſe praͤdicirte. Die phyſiologiſchen Folgerungen, welche ich am Ende des ſiebenten Abſchnitts entwickelt, ſcheinen mir noch jetzt viel Wahrſcheinlichkeit fuͤr ſich zu haben. Wenn aber auch die Erſcheinungen Fig. 36. und Fig. 65. unerſchuͤtterlich feſt ſtehen, ſo iſt die dritte Beweisart, die von Fig. 26. hergenommen iſt (wie ich jetzt einſehe), bey weitem nicht eben ſo vor dem Verdacht der Selbſttaͤuſchung geſichert. Schon Hr. Michaelis, der in ſeinem Briefe an mich (Gren's neues Jour. der Phyſ. 4ten B. 1tes H. S. 9) meine Verſuche ſo ſcharfſinnig erweitert, ja einige chemiſche ſogar mit Gluͤck auf die praktiſche Heilkunde angewandt hat, ſchon Hr. Michaelis erinnerte mich, wie leicht man durch Lymphe, welche den Raum zwiſchen beyden Nervenenden ausfuͤllt, getaͤuſcht werden kann. Wenn Sie meine Verſuche S. 213—220 nachleſen, ſo wer- den Sie zwar ſehen, wie vorſichtig ich dieſem Irrthum zu ent- gehen ſuchte. Neuere Experimente, welche ich Stundenlang bloß in dieſer Hinſicht angeſtellt, haben mich indeſſen uͤberzeugt, daß ich mich in jenen 4 Blaͤttern viel zu allgemein ausgedruͤckt. Ich habe geirrt, wenn ich das Phaͤnomen als haͤufig eintretend ge-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_galvanische_1797/4>, abgerufen am 21.11.2024.