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Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382.

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handlung über den ersten Band meines Werkes verdanke. Hr.
Ritter wirft die Frage auf: Ob bey den S. 82 und S. 233 von
mir erzählten Versuchen nicht ein eigner Zustand der Atmosphäre
mitwirkend seyn könne, ob nicht bey sehr exaltirter Incitabili-
tät der Organe die Luftfeuchtigkeit das Medium ist, mittelst
welchem die Organe aus der Ferne wirken? Sie sehen, mein
Theurer, daß bey dieser Vorstellungsart schlechterdings nicht von
einer bloßen Zuleitung die Rede ist (denn bey leitenden Ketten
wirken 300 Fuß Länge, wie die einer Linie; dieselben Organe,
welche nur in einer schmalen Wasserschichte empfindlich sind, habe
ich durch fußlange, in diese Schichten gelegte Metallstäbe
gereitzt!), sondern daß der Fall Fig. 37. und 65., auf den der
Wirkungskreis unter Wasser reducirt wird. Jene scharfsinnige
Vermuthung des Hn. Ritter gewinnt dadurch an Wahrscheinlich-
keit, daß ich bey dem einen Experimente, bey welchem die Ner-
venenden in Haarschlingen lagen, die Contractionen lebhafter
werden sah, als ich eine warme aber behauchte Glastafel 1 Linie
tief unter den Nerven hielt. Sollten hier nicht aufsteigende Däm-
pfe das Medium gewesen seyn, durch welches die sensibeln Or-
gane ihren Wirkungskreis verbreiteten? Als bloße Leiter dürfen
aber jene Dämpfe nicht betrachtet werden, denn sonst müßte der
Reitz so lange wirksam geblieben seyn, als die Glastafel neu be-
haucht wurde, und mit hinschwindender Lebenskraft wäre die
Annäherung der Nervenenden nicht erforderlich gewesen!

Da ich fast den ganzen Tag über fortexperimentire, so bin
ich auf einige neue Thatsachen gestossen, die der zweyte Band mei-
nes Werkes enthalten wird, von denen ich Ihnen aber eine, mir
sehr auffallende vorläufig anzeige. Sie bezieht sich auf die Anwendung
künstlicher Elektricität, als Reitz der sensibeln Faser. Wenn ich
eine Glasröhre, die auf einer Seite in Metall gefaßt ist, durch
Reiben so schwach elektrisire, daß ein Bennetsches Electrometer
kaum um 1/4 Linie divergirt, so entstehen lebhafte Muskelcon-
tractionen, wenn das metallene Ende der schwach geladenen
Röhre einen präparirten Cruralnerven berührt. Der Effect ist

der-

handlung uͤber den erſten Band meines Werkes verdanke. Hr.
Ritter wirft die Frage auf: Ob bey den S. 82 und S. 233 von
mir erzaͤhlten Verſuchen nicht ein eigner Zuſtand der Atmoſphaͤre
mitwirkend ſeyn koͤnne, ob nicht bey ſehr exaltirter Incitabili-
taͤt der Organe die Luftfeuchtigkeit das Medium iſt, mittelſt
welchem die Organe aus der Ferne wirken? Sie ſehen, mein
Theurer, daß bey dieſer Vorſtellungsart ſchlechterdings nicht von
einer bloßen Zuleitung die Rede iſt (denn bey leitenden Ketten
wirken 300 Fuß Laͤnge, wie die einer Linie; dieſelben Organe,
welche nur in einer ſchmalen Waſſerſchichte empfindlich ſind, habe
ich durch fußlange, in dieſe Schichten gelegte Metallſtaͤbe
gereitzt!), ſondern daß der Fall Fig. 37. und 65., auf den der
Wirkungskreis unter Waſſer reducirt wird. Jene ſcharfſinnige
Vermuthung des Hn. Ritter gewinnt dadurch an Wahrſcheinlich-
keit, daß ich bey dem einen Experimente, bey welchem die Ner-
venenden in Haarſchlingen lagen, die Contractionen lebhafter
werden ſah, als ich eine warme aber behauchte Glastafel 1 Linie
tief unter den Nerven hielt. Sollten hier nicht aufſteigende Daͤm-
pfe das Medium geweſen ſeyn, durch welches die ſenſibeln Or-
gane ihren Wirkungskreis verbreiteten? Als bloße Leiter duͤrfen
aber jene Daͤmpfe nicht betrachtet werden, denn ſonſt muͤßte der
Reitz ſo lange wirkſam geblieben ſeyn, als die Glastafel neu be-
haucht wurde, und mit hinſchwindender Lebenskraft waͤre die
Annaͤherung der Nervenenden nicht erforderlich geweſen!

Da ich faſt den ganzen Tag uͤber fortexperimentire, ſo bin
ich auf einige neue Thatſachen geſtoſſen, die der zweyte Band mei-
nes Werkes enthalten wird, von denen ich Ihnen aber eine, mir
ſehr auffallende vorlaͤufig anzeige. Sie bezieht ſich auf die Anwendung
kuͤnſtlicher Elektricitaͤt, als Reitz der ſenſibeln Faſer. Wenn ich
eine Glasroͤhre, die auf einer Seite in Metall gefaßt iſt, durch
Reiben ſo ſchwach elektriſire, daß ein Bennetſches Electrometer
kaum um ¼ Linie divergirt, ſo entſtehen lebhafte Muskelcon-
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Roͤhre einen praͤparirten Cruralnerven beruͤhrt. Der Effect iſt

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[380/0006] handlung uͤber den erſten Band meines Werkes verdanke. Hr. Ritter wirft die Frage auf: Ob bey den S. 82 und S. 233 von mir erzaͤhlten Verſuchen nicht ein eigner Zuſtand der Atmoſphaͤre mitwirkend ſeyn koͤnne, ob nicht bey ſehr exaltirter Incitabili- taͤt der Organe die Luftfeuchtigkeit das Medium iſt, mittelſt welchem die Organe aus der Ferne wirken? Sie ſehen, mein Theurer, daß bey dieſer Vorſtellungsart ſchlechterdings nicht von einer bloßen Zuleitung die Rede iſt (denn bey leitenden Ketten wirken 300 Fuß Laͤnge, wie die einer Linie; dieſelben Organe, welche nur in einer ſchmalen Waſſerſchichte empfindlich ſind, habe ich durch fußlange, in dieſe Schichten gelegte Metallſtaͤbe gereitzt!), ſondern daß der Fall Fig. 37. und 65., auf den der Wirkungskreis unter Waſſer reducirt wird. Jene ſcharfſinnige Vermuthung des Hn. Ritter gewinnt dadurch an Wahrſcheinlich- keit, daß ich bey dem einen Experimente, bey welchem die Ner- venenden in Haarſchlingen lagen, die Contractionen lebhafter werden ſah, als ich eine warme aber behauchte Glastafel 1 Linie tief unter den Nerven hielt. Sollten hier nicht aufſteigende Daͤm- pfe das Medium geweſen ſeyn, durch welches die ſenſibeln Or- gane ihren Wirkungskreis verbreiteten? Als bloße Leiter duͤrfen aber jene Daͤmpfe nicht betrachtet werden, denn ſonſt muͤßte der Reitz ſo lange wirkſam geblieben ſeyn, als die Glastafel neu be- haucht wurde, und mit hinſchwindender Lebenskraft waͤre die Annaͤherung der Nervenenden nicht erforderlich geweſen! Da ich faſt den ganzen Tag uͤber fortexperimentire, ſo bin ich auf einige neue Thatſachen geſtoſſen, die der zweyte Band mei- nes Werkes enthalten wird, von denen ich Ihnen aber eine, mir ſehr auffallende vorlaͤufig anzeige. Sie bezieht ſich auf die Anwendung kuͤnſtlicher Elektricitaͤt, als Reitz der ſenſibeln Faſer. Wenn ich eine Glasroͤhre, die auf einer Seite in Metall gefaßt iſt, durch Reiben ſo ſchwach elektriſire, daß ein Bennetſches Electrometer kaum um ¼ Linie divergirt, ſo entſtehen lebhafte Muskelcon- tractionen, wenn das metallene Ende der ſchwach geladenen Roͤhre einen praͤparirten Cruralnerven beruͤhrt. Der Effect iſt der-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber einige neuere Galvanische Erscheinungen. In: Medicinisch-chirurgische Zeitung. Nr. 100 (1797) S. 375-382, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_galvanische_1797/6>, abgerufen am 24.11.2024.