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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.

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Rucu-Pichincha gewährt, kann man nicht unternehmen, mit
Worten zu beschreiben. Es ist ein ovales Becken, das
von Norden nach Süden an der grossen Axe über achthun-
dert Toisen misst. Diese Dimension allein konnte durch
die trigonometrische Operation von Poingasi genauer be-
stimmt werden, indem dort der Winkel zwischen den
zwei Felsenthürmen, die gegen Norden und Osten den
Feuerschlund begrenzen, gemessen wurden. Wenn, wie
ich bereits früher bemerkt, der östliche Crater-Rand
zwei Seiten eines stumpfen Dreiecks darbietet, so ist da-
gegen der gegenüberstehende Rand mehr gerundet, weit
niedriger und, in der Mitte, gegen die Südsee hin fast
thalförmig geöffnet. Die kleine Axe von Osten gegen We-
sten habe ich kein Mittel gehabt trigonometrisch zu be-
stimmen; -- eben so wenig die Tiefe. Man blickt von der
hohen Zinne auf verglaste, zum Theil zackige Gipfel von
Hügeln, die sich gewiss vom Boden selbst des Craters er-
heben. Zwei Drittel des Beckens waren völlig von dichten
Wasser- und Schwefel-Dämpfen umhüllt. Alle Schätzungen
sehr grosser Crater-Tiefen sind unsicher und gewagt; sie
sind es um so mehr, als unsere Urtheile unter dem Einfluss
einer aufgeregten Einbildungskraft stehen. Es war mir da-
mals, als blickte ich von der Höhe des Kreuzes von Pichin-
cha auf die Häuser der Stadt Quito hinab. Dennoch ist der
sichtbare Theil des Craters vielleicht kaum 1200 oder 1500
Fuss tief. La Condamine glaubte 1742, also 82 Jahre
nach dem letzten grossen Ausbruche, den Crater ganz erlo-
schen zu sehen. Wir dagegen sahen 60 Jahre nach La
Condamine
's Besteigung, und 148 Jahre nach dem letz-
ten Ausbruche, die deutlichsten Spuren des Feuers. Bläu-
liche Lichter bewegten sich hin und her in der Tiefe, und
obgleich damals Ostwind herrschte (trotz der Höhe nicht der
Gegenstrom der Passate), so empfanden wir doch am östli-
chen Crater-Rande den Geruch der schweflichten Säure, der
abwechselnd stärker oder schwächer wurde. Der Punkt,

Rucu-Pichincha gewährt, kann man nicht unternehmen, mit
Worten zu beschreiben. Es ist ein ovales Becken, das
von Norden nach Süden an der groſsen Axe über achthun-
dert Toisen miſst. Diese Dimension allein konnte durch
die trigonometrische Operation von Poingasi genauer be-
stimmt werden, indem dort der Winkel zwischen den
zwei Felsenthürmen, die gegen Norden und Osten den
Feuerschlund begrenzen, gemessen wurden. Wenn, wie
ich bereits früher bemerkt, der östliche Crater-Rand
zwei Seiten eines stumpfen Dreiecks darbietet, so ist da-
gegen der gegenüberstehende Rand mehr gerundet, weit
niedriger und, in der Mitte, gegen die Südsee hin fast
thalförmig geöffnet. Die kleine Axe von Osten gegen We-
sten habe ich kein Mittel gehabt trigonometrisch zu be-
stimmen; — eben so wenig die Tiefe. Man blickt von der
hohen Zinne auf verglaste, zum Theil zackige Gipfel von
Hügeln, die sich gewiſs vom Boden selbst des Craters er-
heben. Zwei Drittel des Beckens waren völlig von dichten
Wasser- und Schwefel-Dämpfen umhüllt. Alle Schätzungen
sehr groſser Crater-Tiefen sind unsicher und gewagt; sie
sind es um so mehr, als unsere Urtheile unter dem Einfluſs
einer aufgeregten Einbildungskraft stehen. Es war mir da-
mals, als blickte ich von der Höhe des Kreuzes von Pichin-
cha auf die Häuser der Stadt Quito hinab. Dennoch ist der
sichtbare Theil des Craters vielleicht kaum 1200 oder 1500
Fuſs tief. La Condamine glaubte 1742, also 82 Jahre
nach dem letzten groſsen Ausbruche, den Crater ganz erlo-
schen zu sehen. Wir dagegen sahen 60 Jahre nach La
Condamine
's Besteigung, und 148 Jahre nach dem letz-
ten Ausbruche, die deutlichsten Spuren des Feuers. Bläu-
liche Lichter bewegten sich hin und her in der Tiefe, und
obgleich damals Ostwind herrschte (trotz der Höhe nicht der
Gegenstrom der Passate), so empfanden wir doch am östli-
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[214/0022] Rucu-Pichincha gewährt, kann man nicht unternehmen, mit Worten zu beschreiben. Es ist ein ovales Becken, das von Norden nach Süden an der groſsen Axe über achthun- dert Toisen miſst. Diese Dimension allein konnte durch die trigonometrische Operation von Poingasi genauer be- stimmt werden, indem dort der Winkel zwischen den zwei Felsenthürmen, die gegen Norden und Osten den Feuerschlund begrenzen, gemessen wurden. Wenn, wie ich bereits früher bemerkt, der östliche Crater-Rand zwei Seiten eines stumpfen Dreiecks darbietet, so ist da- gegen der gegenüberstehende Rand mehr gerundet, weit niedriger und, in der Mitte, gegen die Südsee hin fast thalförmig geöffnet. Die kleine Axe von Osten gegen We- sten habe ich kein Mittel gehabt trigonometrisch zu be- stimmen; — eben so wenig die Tiefe. Man blickt von der hohen Zinne auf verglaste, zum Theil zackige Gipfel von Hügeln, die sich gewiſs vom Boden selbst des Craters er- heben. Zwei Drittel des Beckens waren völlig von dichten Wasser- und Schwefel-Dämpfen umhüllt. Alle Schätzungen sehr groſser Crater-Tiefen sind unsicher und gewagt; sie sind es um so mehr, als unsere Urtheile unter dem Einfluſs einer aufgeregten Einbildungskraft stehen. Es war mir da- mals, als blickte ich von der Höhe des Kreuzes von Pichin- cha auf die Häuser der Stadt Quito hinab. Dennoch ist der sichtbare Theil des Craters vielleicht kaum 1200 oder 1500 Fuſs tief. La Condamine glaubte 1742, also 82 Jahre nach dem letzten groſsen Ausbruche, den Crater ganz erlo- schen zu sehen. Wir dagegen sahen 60 Jahre nach La Condamine's Besteigung, und 148 Jahre nach dem letz- ten Ausbruche, die deutlichsten Spuren des Feuers. Bläu- liche Lichter bewegten sich hin und her in der Tiefe, und obgleich damals Ostwind herrschte (trotz der Höhe nicht der Gegenstrom der Passate), so empfanden wir doch am östli- chen Crater-Rande den Geruch der schweflichten Säure, der abwechselnd stärker oder schwächer wurde. Der Punkt,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219, hier S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1838/22>, abgerufen am 23.11.2024.