Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

gens sind Gesellschaften und Vereinigungen, weit entfernt an
sich schädliche Folgen hervorzubringen, gerade eins der sicher-
sten und zweckmässigsten Mittel, die Ausbildung des Menschen
zu befördern und zu beschleunigen. Das Vorzüglichste, was
man hiebei vom Staat zu erwarten hätte, dürfte daher nur die
Anordnung sein, dass jede moralische Person oder Gesellschaft
für nichts weiter, als für die Vereinigung der jedesmaligen Mit-
glieder anzusehen sei, und daher nichts diese hindern könne,
über die Verwendung der gemeinschaftlichen Kräfte und Mittel
durch Stimmenmehrheit nach Gefallen zu beschliessen. Nur
muss man sich wohl in Acht nehmen für diese Mitglieder blos
diejenigen anzusehen, auf welchen wirklich die Gesellschaft
beruht, nicht aber diejenigen, welcher sich diese nur etwa als
Werkzeuge bedienen -- eine Verwechslung, welche nicht selten,
und vorzüglich, bei Beurtheilung der Rechte der Geistlichkeit,
gemacht worden ist.

Aus diesem bisherigen Raisonnement nun rechtfertigen sich,
glaube ich, folgende Grundsätze.

Da, wo der Mensch nicht blos innerhalb des Kreises seiner
Kräfte und seines Eigenthums bleibt, sondern Handlungen
vornimmt, welche sich unmittelbar auf den andren beziehen,
legt die Sorgfalt für die Sicherheit dem Staat folgende
Pflichten auf.

1. Bei denjenigen Handlungen, welche ohne, oder gegen
den Willen des andren vorgenommen werden, muss er ver-
bieten, dass dadurch der andre in dem Genuss seiner Kräfte,
oder dem Besitz seines Eigenthums gekränkt werde; im
Fall der Uebertretung, den Beleidiger zwingen, den ange-
richteten Schaden zu ersetzen, aber den Beleidigten ver-
hindern, unter diesem Vorwande, oder ausserdem eine
Privatrache an demselben zu üben.

2. Diejenigen Handlungen, welche mit freier Bewilligung
des andern geschehen, muss er in eben denjenigen, aber

gens sind Gesellschaften und Vereinigungen, weit entfernt an
sich schädliche Folgen hervorzubringen, gerade eins der sicher-
sten und zweckmässigsten Mittel, die Ausbildung des Menschen
zu befördern und zu beschleunigen. Das Vorzüglichste, was
man hiebei vom Staat zu erwarten hätte, dürfte daher nur die
Anordnung sein, dass jede moralische Person oder Gesellschaft
für nichts weiter, als für die Vereinigung der jedesmaligen Mit-
glieder anzusehen sei, und daher nichts diese hindern könne,
über die Verwendung der gemeinschaftlichen Kräfte und Mittel
durch Stimmenmehrheit nach Gefallen zu beschliessen. Nur
muss man sich wohl in Acht nehmen für diese Mitglieder blos
diejenigen anzusehen, auf welchen wirklich die Gesellschaft
beruht, nicht aber diejenigen, welcher sich diese nur etwa als
Werkzeuge bedienen — eine Verwechslung, welche nicht selten,
und vorzüglich, bei Beurtheilung der Rechte der Geistlichkeit,
gemacht worden ist.

Aus diesem bisherigen Raisonnement nun rechtfertigen sich,
glaube ich, folgende Grundsätze.

Da, wo der Mensch nicht blos innerhalb des Kreises seiner
Kräfte und seines Eigenthums bleibt, sondern Handlungen
vornimmt, welche sich unmittelbar auf den andren beziehen,
legt die Sorgfalt für die Sicherheit dem Staat folgende
Pflichten auf.

1. Bei denjenigen Handlungen, welche ohne, oder gegen
den Willen des andren vorgenommen werden, muss er ver-
bieten, dass dadurch der andre in dem Genuss seiner Kräfte,
oder dem Besitz seines Eigenthums gekränkt werde; im
Fall der Uebertretung, den Beleidiger zwingen, den ange-
richteten Schaden zu ersetzen, aber den Beleidigten ver-
hindern, unter diesem Vorwande, oder ausserdem eine
Privatrache an demselben zu üben.

2. Diejenigen Handlungen, welche mit freier Bewilligung
des andern geschehen, muss er in eben denjenigen, aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="130"/>
gens sind Gesellschaften und Vereinigungen, weit entfernt an<lb/>
sich schädliche Folgen hervorzubringen, gerade eins der sicher-<lb/>
sten und zweckmässigsten Mittel, die Ausbildung des Menschen<lb/>
zu befördern und zu beschleunigen. Das Vorzüglichste, was<lb/>
man hiebei vom Staat zu erwarten hätte, dürfte daher nur die<lb/>
Anordnung sein, dass jede moralische Person oder Gesellschaft<lb/>
für nichts weiter, als für die Vereinigung der jedesmaligen Mit-<lb/>
glieder anzusehen sei, und daher nichts diese hindern könne,<lb/>
über die Verwendung der gemeinschaftlichen Kräfte und Mittel<lb/>
durch Stimmenmehrheit nach Gefallen zu beschliessen. Nur<lb/>
muss man sich wohl in Acht nehmen für diese Mitglieder blos<lb/>
diejenigen anzusehen, auf welchen wirklich die Gesellschaft<lb/>
beruht, nicht aber diejenigen, welcher sich diese nur etwa als<lb/>
Werkzeuge bedienen &#x2014; eine Verwechslung, welche nicht selten,<lb/>
und vorzüglich, bei Beurtheilung der Rechte der Geistlichkeit,<lb/>
gemacht worden ist.</p><lb/>
        <p>Aus diesem bisherigen Raisonnement nun rechtfertigen sich,<lb/>
glaube ich, folgende Grundsätze.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Da, wo der Mensch nicht blos innerhalb des Kreises seiner<lb/>
Kräfte und seines Eigenthums bleibt, sondern Handlungen<lb/>
vornimmt, welche sich unmittelbar auf den andren beziehen,<lb/>
legt die Sorgfalt für die Sicherheit dem Staat folgende<lb/>
Pflichten auf.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">1. Bei denjenigen Handlungen, welche ohne, oder gegen<lb/>
den Willen des andren vorgenommen werden, muss er ver-<lb/>
bieten, dass dadurch der andre in dem Genuss seiner Kräfte,<lb/>
oder dem Besitz seines Eigenthums gekränkt werde; im<lb/>
Fall der Uebertretung, den Beleidiger zwingen, den ange-<lb/>
richteten Schaden zu ersetzen, aber den Beleidigten ver-<lb/>
hindern, unter diesem Vorwande, oder ausserdem eine<lb/>
Privatrache an demselben zu üben.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">2. Diejenigen Handlungen, welche mit freier Bewilligung<lb/>
des andern geschehen, muss er in eben denjenigen, aber<lb/></hi> </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0166] gens sind Gesellschaften und Vereinigungen, weit entfernt an sich schädliche Folgen hervorzubringen, gerade eins der sicher- sten und zweckmässigsten Mittel, die Ausbildung des Menschen zu befördern und zu beschleunigen. Das Vorzüglichste, was man hiebei vom Staat zu erwarten hätte, dürfte daher nur die Anordnung sein, dass jede moralische Person oder Gesellschaft für nichts weiter, als für die Vereinigung der jedesmaligen Mit- glieder anzusehen sei, und daher nichts diese hindern könne, über die Verwendung der gemeinschaftlichen Kräfte und Mittel durch Stimmenmehrheit nach Gefallen zu beschliessen. Nur muss man sich wohl in Acht nehmen für diese Mitglieder blos diejenigen anzusehen, auf welchen wirklich die Gesellschaft beruht, nicht aber diejenigen, welcher sich diese nur etwa als Werkzeuge bedienen — eine Verwechslung, welche nicht selten, und vorzüglich, bei Beurtheilung der Rechte der Geistlichkeit, gemacht worden ist. Aus diesem bisherigen Raisonnement nun rechtfertigen sich, glaube ich, folgende Grundsätze. Da, wo der Mensch nicht blos innerhalb des Kreises seiner Kräfte und seines Eigenthums bleibt, sondern Handlungen vornimmt, welche sich unmittelbar auf den andren beziehen, legt die Sorgfalt für die Sicherheit dem Staat folgende Pflichten auf. 1. Bei denjenigen Handlungen, welche ohne, oder gegen den Willen des andren vorgenommen werden, muss er ver- bieten, dass dadurch der andre in dem Genuss seiner Kräfte, oder dem Besitz seines Eigenthums gekränkt werde; im Fall der Uebertretung, den Beleidiger zwingen, den ange- richteten Schaden zu ersetzen, aber den Beleidigten ver- hindern, unter diesem Vorwande, oder ausserdem eine Privatrache an demselben zu üben. 2. Diejenigen Handlungen, welche mit freier Bewilligung des andern geschehen, muss er in eben denjenigen, aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/166
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/166>, abgerufen am 04.12.2024.