Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

der Nationalverein sollten, wie eng sie auch in einander verwebt
sein mögen, nie mit einander verwechselt werden. Wenn die
Staatsverfassung den Bürgern, seis durch Uebermacht und
Gewalt, oder Gewohnheit und Gesetz, ein bestimmtes Verhält-
niss anweist; so giebt es ausserdem noch ein andres, freiwillig
von ihnen gewähltes, unendlich mannigfaltiges, und oft wech-
selndes. Und dies letztere, das freie Wirken der Nation unter
einander, ist es eigentlich, welches alle Güter bewahrt, deren
Sehnsucht die Menschen in eine Gesellschaft führt. Die eigent-
liche Staatsverfassung ist diesem, als ihrem Zwecke, unterge-
ordnet, und wird immer nur, als ein nothwendiges Mittel, und,
da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist,
als ein nothwendiges Uebel gewählt. Die nachtheiligen Folgen
zu zeigen, welche die Verwechslung der freien Wirksamkeit
der Nation mit der erzwungenen der Staatsverfassung dem Ge-
nuss, den Kräften, und dem Charakter der Menschen bringt,
ist daher auch eine Nebenabsicht dieser Blätter gewesen.


der Nationalverein sollten, wie eng sie auch in einander verwebt
sein mögen, nie mit einander verwechselt werden. Wenn die
Staatsverfassung den Bürgern, seis durch Uebermacht und
Gewalt, oder Gewohnheit und Gesetz, ein bestimmtes Verhält-
niss anweist; so giebt es ausserdem noch ein andres, freiwillig
von ihnen gewähltes, unendlich mannigfaltiges, und oft wech-
selndes. Und dies letztere, das freie Wirken der Nation unter
einander, ist es eigentlich, welches alle Güter bewahrt, deren
Sehnsucht die Menschen in eine Gesellschaft führt. Die eigent-
liche Staatsverfassung ist diesem, als ihrem Zwecke, unterge-
ordnet, und wird immer nur, als ein nothwendiges Mittel, und,
da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist,
als ein nothwendiges Uebel gewählt. Die nachtheiligen Folgen
zu zeigen, welche die Verwechslung der freien Wirksamkeit
der Nation mit der erzwungenen der Staatsverfassung dem Ge-
nuss, den Kräften, und dem Charakter der Menschen bringt,
ist daher auch eine Nebenabsicht dieser Blätter gewesen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="176"/>
der Nationalverein sollten, wie eng sie auch in einander verwebt<lb/>
sein mögen, nie mit einander verwechselt werden. Wenn die<lb/>
Staatsverfassung den Bürgern, seis durch Uebermacht und<lb/>
Gewalt, oder Gewohnheit und Gesetz, ein bestimmtes Verhält-<lb/>
niss anweist; so giebt es ausserdem noch ein andres, freiwillig<lb/>
von ihnen gewähltes, unendlich mannigfaltiges, und oft wech-<lb/>
selndes. Und dies letztere, das freie Wirken der Nation unter<lb/>
einander, ist es eigentlich, welches alle Güter bewahrt, deren<lb/>
Sehnsucht die Menschen in eine Gesellschaft führt. Die eigent-<lb/>
liche Staatsverfassung ist diesem, als ihrem Zwecke, unterge-<lb/>
ordnet, und wird immer nur, als ein nothwendiges Mittel, und,<lb/>
da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist,<lb/>
als ein nothwendiges Uebel gewählt. Die nachtheiligen Folgen<lb/>
zu zeigen, welche die Verwechslung der freien Wirksamkeit<lb/>
der Nation mit der erzwungenen der Staatsverfassung dem Ge-<lb/>
nuss, den Kräften, und dem Charakter der Menschen bringt,<lb/>
ist daher auch eine Nebenabsicht dieser Blätter gewesen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0212] der Nationalverein sollten, wie eng sie auch in einander verwebt sein mögen, nie mit einander verwechselt werden. Wenn die Staatsverfassung den Bürgern, seis durch Uebermacht und Gewalt, oder Gewohnheit und Gesetz, ein bestimmtes Verhält- niss anweist; so giebt es ausserdem noch ein andres, freiwillig von ihnen gewähltes, unendlich mannigfaltiges, und oft wech- selndes. Und dies letztere, das freie Wirken der Nation unter einander, ist es eigentlich, welches alle Güter bewahrt, deren Sehnsucht die Menschen in eine Gesellschaft führt. Die eigent- liche Staatsverfassung ist diesem, als ihrem Zwecke, unterge- ordnet, und wird immer nur, als ein nothwendiges Mittel, und, da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist, als ein nothwendiges Uebel gewählt. Die nachtheiligen Folgen zu zeigen, welche die Verwechslung der freien Wirksamkeit der Nation mit der erzwungenen der Staatsverfassung dem Ge- nuss, den Kräften, und dem Charakter der Menschen bringt, ist daher auch eine Nebenabsicht dieser Blätter gewesen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/212
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/212>, abgerufen am 11.12.2024.