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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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I.
Einleitung.

Bestimmung des Gegenstandes der Untersuchung. -- Seltne Bearbeitung und
Wichtigkeit desselben. -- Historischer Blick auf die Gränzen, welche die Staaten
ihrer Wirksamkeit wirklich gesetzt haben. -- Unterschied der alten und neueren
Staaten. -- Zweck der Staatsverbindung überhaupt. -- Streitfrage, ob derselbe
allein in der Sorgfalt für die Sicherheit, oder für das Wohl der Nation überhaupt
bestehen soll? -- Gesetzgeber und Schriftsteller behaupten das Letztere. -- Den-
noch ist eine fernere Prüfung dieser Behauptung nothwendig. -- Diese Prüfung
muss von dem einzelnen Menschen und seinen höchsten Endzwecken ausgehen.

Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit ein-
ander, und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philoso-
phen und Politiker vergleicht; so wundert man sich vielleicht
nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollständig behandelt, und
so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die
Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich:
zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und
welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll? Den ver-
schiedenen Antheil, welcher der Nation, oder einzelnen ihrer
Theile, an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannig-
faltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu vertheilen, und
die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, dass nicht ein Theil die
Rechte des andern an sich reisse; damit allein haben sich fast alle
beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt, oder Vorschläge
zu politischen Reformationen gemacht haben. Dennoch müsste
man, so dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei
Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner,
ohne grossen Nachtheil übersehen werden dürfte: einmal die
Bestimmung des herrschenden und dienenden Theils der Nation

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I.
Einleitung.

Bestimmung des Gegenstandes der Untersuchung. — Seltne Bearbeitung und
Wichtigkeit desselben. — Historischer Blick auf die Gränzen, welche die Staaten
ihrer Wirksamkeit wirklich gesetzt haben. — Unterschied der alten und neueren
Staaten. — Zweck der Staatsverbindung überhaupt. — Streitfrage, ob derselbe
allein in der Sorgfalt für die Sicherheit, oder für das Wohl der Nation überhaupt
bestehen soll? — Gesetzgeber und Schriftsteller behaupten das Letztere. — Den-
noch ist eine fernere Prüfung dieser Behauptung nothwendig. — Diese Prüfung
muss von dem einzelnen Menschen und seinen höchsten Endzwecken ausgehen.

Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit ein-
ander, und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philoso-
phen und Politiker vergleicht; so wundert man sich vielleicht
nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollständig behandelt, und
so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die
Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich:
zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und
welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll? Den ver-
schiedenen Antheil, welcher der Nation, oder einzelnen ihrer
Theile, an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannig-
faltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu vertheilen, und
die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, dass nicht ein Theil die
Rechte des andern an sich reisse; damit allein haben sich fast alle
beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt, oder Vorschläge
zu politischen Reformationen gemacht haben. Dennoch müsste
man, so dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei
Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner,
ohne grossen Nachtheil übersehen werden dürfte: einmal die
Bestimmung des herrschenden und dienenden Theils der Nation

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[[1]/0037] I. Einleitung. Bestimmung des Gegenstandes der Untersuchung. — Seltne Bearbeitung und Wichtigkeit desselben. — Historischer Blick auf die Gränzen, welche die Staaten ihrer Wirksamkeit wirklich gesetzt haben. — Unterschied der alten und neueren Staaten. — Zweck der Staatsverbindung überhaupt. — Streitfrage, ob derselbe allein in der Sorgfalt für die Sicherheit, oder für das Wohl der Nation überhaupt bestehen soll? — Gesetzgeber und Schriftsteller behaupten das Letztere. — Den- noch ist eine fernere Prüfung dieser Behauptung nothwendig. — Diese Prüfung muss von dem einzelnen Menschen und seinen höchsten Endzwecken ausgehen. Wenn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit ein- ander, und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philoso- phen und Politiker vergleicht; so wundert man sich vielleicht nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollständig behandelt, und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und welche Schranken sie ihrer Wirksamkeit setzen soll? Den ver- schiedenen Antheil, welcher der Nation, oder einzelnen ihrer Theile, an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannig- faltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu vertheilen, und die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, dass nicht ein Theil die Rechte des andern an sich reisse; damit allein haben sich fast alle beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt, oder Vorschläge zu politischen Reformationen gemacht haben. Dennoch müsste man, so dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner, ohne grossen Nachtheil übersehen werden dürfte: einmal die Bestimmung des herrschenden und dienenden Theils der Nation 1

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/37>, abgerufen am 21.11.2024.