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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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der Nützlichkeit, für den physischen oder moralischen Zustand
der Nation Sorge zu tragen. Je mehr oder weniger die Ver-
fassung, an und für sich mit Macht versehen, andere Stützen
braucht; oder je mehr oder weniger die Gesetzgeber weit aus-
blickten, ist man bald mehr bei dem einen, bald bei dem andern
Gesichtspunkte stehen geblieben. Oft haben auch beide Rück-
sichten vereint gewirkt. In den älteren Staaten sind fast alle
Einrichtungen, welche auf das Privatleben der Bürger Bezug
haben, im eigentlichsten Verstande politisch. Denn da die
Verfassung in ihnen wenig eigentliche Gewalt besass, so beruhte
ihre Dauer vorzüglich auf dem Willen der Nation, und es
musste auf mannigfaltige Mittel gedacht werden, ihren Cha-
rakter mit diesem Willen übereinstimmend zu machen. Eben
dies ist noch jetzt in kleinen republikanischen Staaten der Fall,
und es ist daher völlig richtig, dass -- aus diesem Gesichts-
punkt allein die Sache betrachtet -- die Freiheit des Privat-
lebens immer in eben dem Grade steigt, in welchem die öffent-
liche sinkt, da hingegen die Sicherheit immer mit dieser gleichen
Schritt hält. Oft aber sorgten auch die ältern Gesetzgeber,
und immer die alten Philosophen im eigentlichsten Verstande
für den Menschen, und da am Menschen der moralische Werth
ihnen das Höchste schien, so ist z. B. Platos Republik, nach
Rousseaus äusserst wahrer Bemerkung, mehr eine Erziehungs-
als eine Staatsschrift. Vergleicht man hiermit die neuesten
Staaten, so ist die Absicht, für den Bürger selbst und sein
Wohl zu arbeiten, bei so vielen Gesetzen und Einrichtungen,
die dem Privatleben eine oft sehr bestimmte Form geben,
unverkennbar. Die grössere innere Festigkeit unserer Ver-
fassungen, ihre grössere Unabhängigkeit von einer gewissen
Stimmung des Charakters der Nation, dann der stärkere Ein-
fluss bloss denkender Köpfe -- die, ihrer Natur nach, weitere
und grössere Gesichtspunkte zu fassen im Stande sind -- eine
Menge von Erfindungen, welche die gewöhnlichen Gegenstände

der Nützlichkeit, für den physischen oder moralischen Zustand
der Nation Sorge zu tragen. Je mehr oder weniger die Ver-
fassung, an und für sich mit Macht versehen, andere Stützen
braucht; oder je mehr oder weniger die Gesetzgeber weit aus-
blickten, ist man bald mehr bei dem einen, bald bei dem andern
Gesichtspunkte stehen geblieben. Oft haben auch beide Rück-
sichten vereint gewirkt. In den älteren Staaten sind fast alle
Einrichtungen, welche auf das Privatleben der Bürger Bezug
haben, im eigentlichsten Verstande politisch. Denn da die
Verfassung in ihnen wenig eigentliche Gewalt besass, so beruhte
ihre Dauer vorzüglich auf dem Willen der Nation, und es
musste auf mannigfaltige Mittel gedacht werden, ihren Cha-
rakter mit diesem Willen übereinstimmend zu machen. Eben
dies ist noch jetzt in kleinen republikanischen Staaten der Fall,
und es ist daher völlig richtig, dass — aus diesem Gesichts-
punkt allein die Sache betrachtet — die Freiheit des Privat-
lebens immer in eben dem Grade steigt, in welchem die öffent-
liche sinkt, da hingegen die Sicherheit immer mit dieser gleichen
Schritt hält. Oft aber sorgten auch die ältern Gesetzgeber,
und immer die alten Philosophen im eigentlichsten Verstande
für den Menschen, und da am Menschen der moralische Werth
ihnen das Höchste schien, so ist z. B. Platos Republik, nach
Rousseaus äusserst wahrer Bemerkung, mehr eine Erziehungs-
als eine Staatsschrift. Vergleicht man hiermit die neuesten
Staaten, so ist die Absicht, für den Bürger selbst und sein
Wohl zu arbeiten, bei so vielen Gesetzen und Einrichtungen,
die dem Privatleben eine oft sehr bestimmte Form geben,
unverkennbar. Die grössere innere Festigkeit unserer Ver-
fassungen, ihre grössere Unabhängigkeit von einer gewissen
Stimmung des Charakters der Nation, dann der stärkere Ein-
fluss bloss denkender Köpfe — die, ihrer Natur nach, weitere
und grössere Gesichtspunkte zu fassen im Stande sind — eine
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[5/0041] der Nützlichkeit, für den physischen oder moralischen Zustand der Nation Sorge zu tragen. Je mehr oder weniger die Ver- fassung, an und für sich mit Macht versehen, andere Stützen braucht; oder je mehr oder weniger die Gesetzgeber weit aus- blickten, ist man bald mehr bei dem einen, bald bei dem andern Gesichtspunkte stehen geblieben. Oft haben auch beide Rück- sichten vereint gewirkt. In den älteren Staaten sind fast alle Einrichtungen, welche auf das Privatleben der Bürger Bezug haben, im eigentlichsten Verstande politisch. Denn da die Verfassung in ihnen wenig eigentliche Gewalt besass, so beruhte ihre Dauer vorzüglich auf dem Willen der Nation, und es musste auf mannigfaltige Mittel gedacht werden, ihren Cha- rakter mit diesem Willen übereinstimmend zu machen. Eben dies ist noch jetzt in kleinen republikanischen Staaten der Fall, und es ist daher völlig richtig, dass — aus diesem Gesichts- punkt allein die Sache betrachtet — die Freiheit des Privat- lebens immer in eben dem Grade steigt, in welchem die öffent- liche sinkt, da hingegen die Sicherheit immer mit dieser gleichen Schritt hält. Oft aber sorgten auch die ältern Gesetzgeber, und immer die alten Philosophen im eigentlichsten Verstande für den Menschen, und da am Menschen der moralische Werth ihnen das Höchste schien, so ist z. B. Platos Republik, nach Rousseaus äusserst wahrer Bemerkung, mehr eine Erziehungs- als eine Staatsschrift. Vergleicht man hiermit die neuesten Staaten, so ist die Absicht, für den Bürger selbst und sein Wohl zu arbeiten, bei so vielen Gesetzen und Einrichtungen, die dem Privatleben eine oft sehr bestimmte Form geben, unverkennbar. Die grössere innere Festigkeit unserer Ver- fassungen, ihre grössere Unabhängigkeit von einer gewissen Stimmung des Charakters der Nation, dann der stärkere Ein- fluss bloss denkender Köpfe — die, ihrer Natur nach, weitere und grössere Gesichtspunkte zu fassen im Stande sind — eine Menge von Erfindungen, welche die gewöhnlichen Gegenstände

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/41>, abgerufen am 03.12.2024.