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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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dieselbe Baumart gleichzeitig in allen Stufen des Wachsthums sehen, und aus diesem Anblick, aus dieser Coexistenz den Eindruck fortschreitender Lebens-Entwicklung schöpfen, so erkennen wir auch in dem großen Weltgarten die verschiedensten Stadien allmäliger Sternbildung. Der Proceß der Verdichtung, den Anaximenes und die ganze ionische Schule lehrte, scheint hier gleichsam unter unsern Augen vorzugehen. Dieser Gegenstand des Forschens und Ahnens ist vorzugsweise anziehend für die Einbildungskraft. Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniß des Seins, als die des Werdens; sei dies Werden auch nur (denn vom eigentlichen Schaffen als einer Thathandlung, vom Entstehen, als "Anfang des Seins nach dem Nichtsein", haben wir weder Begriff noch Erfahrung) ein neuer Zustand des schon materiell Vorhandenen.

Nicht bloß durch Vergleichung der verschiednen Entwicklungs-Momente, in denen sich die gegen ihr Inneres mehr oder minder verdichteten Nebelflecke zeigen, auch durch unmittelbare auf einander folgende Beobachtungen hat man geglaubt, zuerst in der Andromeda, später im Schiffe Argo und in dem isolirten fasrigen Theile des Orion-Nebels wirkliche Gestaltveränderungen zu bemerken. Ungleichheit der Lichtstärke in den angewandten Instrumenten, verschiedene Zustände unseres Luftkreises, und andere optische Verhältnisse machen freilich einen Theil der Resultate als wahrhaft historische Ergebnisse zweifelhaft.

Mit den eigentlichen vielgestalteten Nebelflecken, deren einzelne Theile einen ungleichen Glanz haben und

dieselbe Baumart gleichzeitig in allen Stufen des Wachsthums sehen, und aus diesem Anblick, aus dieser Coexistenz den Eindruck fortschreitender Lebens-Entwicklung schöpfen, so erkennen wir auch in dem großen Weltgarten die verschiedensten Stadien allmäliger Sternbildung. Der Proceß der Verdichtung, den Anaximenes und die ganze ionische Schule lehrte, scheint hier gleichsam unter unsern Augen vorzugehen. Dieser Gegenstand des Forschens und Ahnens ist vorzugsweise anziehend für die Einbildungskraft. Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniß des Seins, als die des Werdens; sei dies Werden auch nur (denn vom eigentlichen Schaffen als einer Thathandlung, vom Entstehen, als „Anfang des Seins nach dem Nichtsein“, haben wir weder Begriff noch Erfahrung) ein neuer Zustand des schon materiell Vorhandenen.

Nicht bloß durch Vergleichung der verschiednen Entwicklungs-Momente, in denen sich die gegen ihr Inneres mehr oder minder verdichteten Nebelflecke zeigen, auch durch unmittelbare auf einander folgende Beobachtungen hat man geglaubt, zuerst in der Andromeda, später im Schiffe Argo und in dem isolirten fasrigen Theile des Orion-Nebels wirkliche Gestaltveränderungen zu bemerken. Ungleichheit der Lichtstärke in den angewandten Instrumenten, verschiedene Zustände unseres Luftkreises, und andere optische Verhältnisse machen freilich einen Theil der Resultate als wahrhaft historische Ergebnisse zweifelhaft.

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[87/0106] dieselbe Baumart gleichzeitig in allen Stufen des Wachsthums sehen, und aus diesem Anblick, aus dieser Coexistenz den Eindruck fortschreitender Lebens-Entwicklung schöpfen, so erkennen wir auch in dem großen Weltgarten die verschiedensten Stadien allmäliger Sternbildung. Der Proceß der Verdichtung, den Anaximenes und die ganze ionische Schule lehrte, scheint hier gleichsam unter unsern Augen vorzugehen. Dieser Gegenstand des Forschens und Ahnens ist vorzugsweise anziehend für die Einbildungskraft. Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniß des Seins, als die des Werdens; sei dies Werden auch nur (denn vom eigentlichen Schaffen als einer Thathandlung, vom Entstehen, als „Anfang des Seins nach dem Nichtsein“, haben wir weder Begriff noch Erfahrung) ein neuer Zustand des schon materiell Vorhandenen. Nicht bloß durch Vergleichung der verschiednen Entwicklungs-Momente, in denen sich die gegen ihr Inneres mehr oder minder verdichteten Nebelflecke zeigen, auch durch unmittelbare auf einander folgende Beobachtungen hat man geglaubt, zuerst in der Andromeda, später im Schiffe Argo und in dem isolirten fasrigen Theile des Orion-Nebels wirkliche Gestaltveränderungen zu bemerken. Ungleichheit der Lichtstärke in den angewandten Instrumenten, verschiedene Zustände unseres Luftkreises, und andere optische Verhältnisse machen freilich einen Theil der Resultate als wahrhaft historische Ergebnisse zweifelhaft. Mit den eigentlichen vielgestalteten Nebelflecken, deren einzelne Theile einen ungleichen Glanz haben und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/106>, abgerufen am 24.11.2024.