Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

"durch eine gewisse Nachlassung der Schwungkraft und durch den Wurf einer unregelmäßigen Bewegung herabgeschleudert werden, nicht bloß nach der bewohnten Erde, sondern auch außerhalb in das große Meer, weshalb man sie dann nicht findet." Noch deutlicher spricht sich Diogenes von Apollonia58 aus. Nach seiner Ansicht "bewegten sich, zusammen mit den sichtbaren, unsichtbare Sterne, die eben deshalb keine Namen haben. Diese fallen oft auf die Erde herab und erlöschen, wie der bei Aegos Potamoi feurig herabgefallene steinerne Stern." Der Apolloniate, welcher auch alle übrigen Gestirne (die leuchtenden) für bimssteinartige Körper hält, gründete wahrscheinlich seine Meinung von Sternschnuppen und Meteormassen auf die Lehre des Anaxagoras von Klazomenä, der sich alle Gestirne (alle Körper im Weltraume) "als Felsstücke" dachte, "die der feurige Aether in der Stärke seines Umschwunges von der Erde abgerissen und, entzündet, zu Sternen gemacht habe". In der ionischen Schule fielen also, nach der Deutung des Diogenes von Apollonia, wie sie uns überliefert worden ist, Aerolithen und Gestirne in eine und dieselbe Classe. Beide sind der ersten Entstehung nach gleich tellurisch, aber nur in dem Sinne, als habe die Erde, als Centralkörper, einst59 um sich her alles so gebildet, wie, nach unsern heutigen Ideen, die Planeten eines Systems aus der erweiterten Atmosphäre eines andern Centralkörpers, der Sonne, entstehen. Diese Ansichten sind also nicht mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin tellurischen oder atmosphärischen Ursprung der Meteorsteine nennt, oder gar mit der wunderbaren Vermuthung

„durch eine gewisse Nachlassung der Schwungkraft und durch den Wurf einer unregelmäßigen Bewegung herabgeschleudert werden, nicht bloß nach der bewohnten Erde, sondern auch außerhalb in das große Meer, weshalb man sie dann nicht findet.“ Noch deutlicher spricht sich Diogenes von Apollonia58 aus. Nach seiner Ansicht „bewegten sich, zusammen mit den sichtbaren, unsichtbare Sterne, die eben deshalb keine Namen haben. Diese fallen oft auf die Erde herab und erlöschen, wie der bei Aegos Potamoi feurig herabgefallene steinerne Stern.“ Der Apolloniate, welcher auch alle übrigen Gestirne (die leuchtenden) für bimssteinartige Körper hält, gründete wahrscheinlich seine Meinung von Sternschnuppen und Meteormassen auf die Lehre des Anaxagoras von Klazomenä, der sich alle Gestirne (alle Körper im Weltraume) „als Felsstücke“ dachte, „die der feurige Aether in der Stärke seines Umschwunges von der Erde abgerissen und, entzündet, zu Sternen gemacht habe“. In der ionischen Schule fielen also, nach der Deutung des Diogenes von Apollonia, wie sie uns überliefert worden ist, Aërolithen und Gestirne in eine und dieselbe Classe. Beide sind der ersten Entstehung nach gleich tellurisch, aber nur in dem Sinne, als habe die Erde, als Centralkörper, einst59 um sich her alles so gebildet, wie, nach unsern heutigen Ideen, die Planeten eines Systems aus der erweiterten Atmosphäre eines andern Centralkörpers, der Sonne, entstehen. Diese Ansichten sind also nicht mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin tellurischen oder atmosphärischen Ursprung der Meteorsteine nennt, oder gar mit der wunderbaren Vermuthung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="139"/><hi rendition="#g">&#x201E;durch eine gewisse Nachlassung der Schwungkraft</hi> und durch den Wurf einer unregelmäßigen Bewegung herabgeschleudert werden, nicht bloß nach der bewohnten Erde, sondern auch außerhalb in das große Meer, weshalb man sie dann nicht findet.&#x201C; Noch deutlicher spricht sich Diogenes von Apollonia<note xml:id="ftn88" next="ftn88-text" place="end" n="58"/> aus. Nach seiner Ansicht &#x201E;bewegten sich, zusammen mit den sichtbaren, <hi rendition="#g">unsichtbare Sterne,</hi> die eben deshalb keine Namen haben. Diese fallen oft auf die Erde herab und erlöschen, wie der bei Aegos Potamoi feurig herabgefallene <hi rendition="#g">steinerne Stern.&#x201C;</hi> Der Apolloniate, welcher auch alle übrigen Gestirne (die leuchtenden) für bimssteinartige Körper hält, gründete wahrscheinlich seine Meinung von Sternschnuppen und Meteormassen auf die Lehre des Anaxagoras von Klazomenä, der sich alle Gestirne (alle Körper im Weltraume) &#x201E;als Felsstücke&#x201C; dachte, &#x201E;die der feurige Aether in der Stärke seines Umschwunges von der Erde abgerissen und, entzündet, zu Sternen gemacht habe&#x201C;. In der ionischen Schule fielen also, nach der Deutung des Diogenes von Apollonia, wie sie uns überliefert worden ist, Aërolithen und Gestirne in eine und dieselbe Classe. Beide sind <hi rendition="#g">der ersten Entstehung nach</hi> gleich tellurisch, aber nur in dem Sinne, als habe die Erde, als Centralkörper, einst<note xml:id="ftn89" next="ftn89-text" place="end" n="59"/> um sich her alles so gebildet, wie, nach unsern heutigen Ideen, die Planeten eines Systems aus der erweiterten Atmosphäre eines andern Centralkörpers, der Sonne, entstehen. Diese Ansichten sind also nicht mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin tellurischen oder atmosphärischen Ursprung der Meteorsteine nennt, oder gar mit der wunderbaren Vermuthung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0158] „durch eine gewisse Nachlassung der Schwungkraft und durch den Wurf einer unregelmäßigen Bewegung herabgeschleudert werden, nicht bloß nach der bewohnten Erde, sondern auch außerhalb in das große Meer, weshalb man sie dann nicht findet.“ Noch deutlicher spricht sich Diogenes von Apollonia ⁵⁸ aus. Nach seiner Ansicht „bewegten sich, zusammen mit den sichtbaren, unsichtbare Sterne, die eben deshalb keine Namen haben. Diese fallen oft auf die Erde herab und erlöschen, wie der bei Aegos Potamoi feurig herabgefallene steinerne Stern.“ Der Apolloniate, welcher auch alle übrigen Gestirne (die leuchtenden) für bimssteinartige Körper hält, gründete wahrscheinlich seine Meinung von Sternschnuppen und Meteormassen auf die Lehre des Anaxagoras von Klazomenä, der sich alle Gestirne (alle Körper im Weltraume) „als Felsstücke“ dachte, „die der feurige Aether in der Stärke seines Umschwunges von der Erde abgerissen und, entzündet, zu Sternen gemacht habe“. In der ionischen Schule fielen also, nach der Deutung des Diogenes von Apollonia, wie sie uns überliefert worden ist, Aërolithen und Gestirne in eine und dieselbe Classe. Beide sind der ersten Entstehung nach gleich tellurisch, aber nur in dem Sinne, als habe die Erde, als Centralkörper, einst ⁵⁹ um sich her alles so gebildet, wie, nach unsern heutigen Ideen, die Planeten eines Systems aus der erweiterten Atmosphäre eines andern Centralkörpers, der Sonne, entstehen. Diese Ansichten sind also nicht mit dem zu verwechseln, was man gemeinhin tellurischen oder atmosphärischen Ursprung der Meteorsteine nennt, oder gar mit der wunderbaren Vermuthung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/158
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/158>, abgerufen am 16.05.2024.