Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.an irgend einem Punkte, diese Oberfläche erbebt, daß sie ununterbrochen der Reaction des Inneren gegen das Aeußere unterworfen ist. Diese Frequenz und Allverbreitung einer Erscheinung, die wahrscheinlich durch die erhöhte Temperatur der tiefsten geschmolzenen Schichten begründet wird, erklärt ihre Unabhängigkeit von der Natur der Gebirgsarten, in denen sie sich äußert. Selbst in den lockersten Alluvialschichten von Holland, um Middelburg und Vliessingen, sind (23 Februar 1828) Erdstöße empfunden worden. Granit und Glimmerschiefer werden wie Flözkalk und Sandstein, wie Trachyt und Mandelstein erschüttert. Es ist nicht die chemische Natur der Bestandtheile, sondern die mechanische Structur der Gebirgsarten, welche die Fortpflanzung der Bewegung (die Erschütterungs-Welle) modificirt. Wo letztere längs einer Küste oder an dem Fuß und in der Richtung einer Gebirgskette regelmäßig fortläuft, bemerkt man bisweilen, und dieß seit Jahrhunderten, eine Unterbrechung an gewissen Punkten. Die Undulation schreitet in der Tiefe fort, wird aber an jenen Punkten an der Oberfläche nie gefühlt. Die Peruaner59 sagen von diesen unbewegten oberen Schichten, "daß sie eine Brücke bilden". Da die Gebirgsketten auf Spalten erhoben scheinen, so mögen die Wände dieser Höhlungen die Richtung der den Ketten parallelen Undulationen begünstigen; bisweilen durchschneiden aber auch die Erschütterungswellen mehrere Ketten fast senkrecht. So sehen wir sie in Südamerika die Küsten-Kette von Venezuela und die Sierra Parime gleichzeitig durchbrechen. In Asien haben sich die Erdstöße von Lahore und vom Fuß des Himalaya (22 Jan. 1832), quer durch die Kette des Hindou-Kho, bis Badak- an irgend einem Punkte, diese Oberfläche erbebt, daß sie ununterbrochen der Reaction des Inneren gegen das Aeußere unterworfen ist. Diese Frequenz und Allverbreitung einer Erscheinung, die wahrscheinlich durch die erhöhte Temperatur der tiefsten geschmolzenen Schichten begründet wird, erklärt ihre Unabhängigkeit von der Natur der Gebirgsarten, in denen sie sich äußert. Selbst in den lockersten Alluvialschichten von Holland, um Middelburg und Vliessingen, sind (23 Februar 1828) Erdstöße empfunden worden. Granit und Glimmerschiefer werden wie Flözkalk und Sandstein, wie Trachyt und Mandelstein erschüttert. Es ist nicht die chemische Natur der Bestandtheile, sondern die mechanische Structur der Gebirgsarten, welche die Fortpflanzung der Bewegung (die Erschütterungs-Welle) modificirt. Wo letztere längs einer Küste oder an dem Fuß und in der Richtung einer Gebirgskette regelmäßig fortläuft, bemerkt man bisweilen, und dieß seit Jahrhunderten, eine Unterbrechung an gewissen Punkten. Die Undulation schreitet in der Tiefe fort, wird aber an jenen Punkten an der Oberfläche nie gefühlt. Die Peruaner59 sagen von diesen unbewegten oberen Schichten, „daß sie eine Brücke bilden“. Da die Gebirgsketten auf Spalten erhoben scheinen, so mögen die Wände dieser Höhlungen die Richtung der den Ketten parallelen Undulationen begünstigen; bisweilen durchschneiden aber auch die Erschütterungswellen mehrere Ketten fast senkrecht. So sehen wir sie in Südamerika die Küsten-Kette von Venezuela und die Sierra Parime gleichzeitig durchbrechen. In Asien haben sich die Erdstöße von Lahore und vom Fuß des Himalaya (22 Jan. 1832), quer durch die Kette des Hindou-Kho, bis Badak- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0238" n="219"/> an irgend einem Punkte, diese Oberfläche erbebt, daß sie ununterbrochen der Reaction des Inneren gegen das Aeußere unterworfen ist. Diese Frequenz und Allverbreitung einer Erscheinung, die wahrscheinlich durch die erhöhte Temperatur der tiefsten geschmolzenen Schichten begründet wird, erklärt ihre Unabhängigkeit von der Natur der Gebirgsarten, in denen sie sich äußert. Selbst in den lockersten Alluvialschichten von Holland, um Middelburg und Vliessingen, sind (23 Februar 1828) Erdstöße empfunden worden. Granit und Glimmerschiefer werden wie Flözkalk und Sandstein, wie Trachyt und Mandelstein erschüttert. Es ist nicht die chemische Natur der Bestandtheile, sondern die mechanische Structur der Gebirgsarten, welche die Fortpflanzung der Bewegung (die <hi rendition="#g">Erschütterungs-Welle)</hi> modificirt. Wo letztere längs einer Küste oder an dem Fuß und in der Richtung einer Gebirgskette regelmäßig fortläuft, bemerkt man bisweilen, und dieß seit Jahrhunderten, eine Unterbrechung an gewissen Punkten. Die Undulation schreitet in der Tiefe fort, wird aber an jenen Punkten an der Oberfläche nie gefühlt. Die Peruaner<note place="end" n="59" xml:id="ftn189" next="#ftn189-text"/> sagen von diesen unbewegten oberen Schichten, „daß sie eine Brücke bilden“. Da die Gebirgsketten auf Spalten erhoben scheinen, so mögen die Wände dieser Höhlungen die Richtung der den Ketten parallelen Undulationen begünstigen; bisweilen durchschneiden aber auch die Erschütterungswellen mehrere Ketten fast senkrecht. So sehen wir sie in Südamerika die Küsten-Kette von Venezuela und die Sierra Parime gleichzeitig durchbrechen. In Asien haben sich die Erdstöße von Lahore und vom Fuß des Himalaya (22 Jan. 1832), quer durch die Kette des Hindou-Kho, bis Badak- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0238]
an irgend einem Punkte, diese Oberfläche erbebt, daß sie ununterbrochen der Reaction des Inneren gegen das Aeußere unterworfen ist. Diese Frequenz und Allverbreitung einer Erscheinung, die wahrscheinlich durch die erhöhte Temperatur der tiefsten geschmolzenen Schichten begründet wird, erklärt ihre Unabhängigkeit von der Natur der Gebirgsarten, in denen sie sich äußert. Selbst in den lockersten Alluvialschichten von Holland, um Middelburg und Vliessingen, sind (23 Februar 1828) Erdstöße empfunden worden. Granit und Glimmerschiefer werden wie Flözkalk und Sandstein, wie Trachyt und Mandelstein erschüttert. Es ist nicht die chemische Natur der Bestandtheile, sondern die mechanische Structur der Gebirgsarten, welche die Fortpflanzung der Bewegung (die Erschütterungs-Welle) modificirt. Wo letztere längs einer Küste oder an dem Fuß und in der Richtung einer Gebirgskette regelmäßig fortläuft, bemerkt man bisweilen, und dieß seit Jahrhunderten, eine Unterbrechung an gewissen Punkten. Die Undulation schreitet in der Tiefe fort, wird aber an jenen Punkten an der Oberfläche nie gefühlt. Die Peruaner
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sagen von diesen unbewegten oberen Schichten, „daß sie eine Brücke bilden“. Da die Gebirgsketten auf Spalten erhoben scheinen, so mögen die Wände dieser Höhlungen die Richtung der den Ketten parallelen Undulationen begünstigen; bisweilen durchschneiden aber auch die Erschütterungswellen mehrere Ketten fast senkrecht. So sehen wir sie in Südamerika die Küsten-Kette von Venezuela und die Sierra Parime gleichzeitig durchbrechen. In Asien haben sich die Erdstöße von Lahore und vom Fuß des Himalaya (22 Jan. 1832), quer durch die Kette des Hindou-Kho, bis Badak-
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