Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.Himalaya-Gebirges, dem Dhawalagiri. Obgleich das indische Gebirge in der Größe seiner colossalen, jetzt durch wiederholte Messung wohl bestimmten Massen die Andeskette weit übertrifft, so gewährt ihr Anblick doch nicht die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche die Cordilleren von Südamerika charakterisiren. Höhe allein bestimmt nicht den Eindruck der Natur. Die Himalaya-Kette liegt schon weit außerhalb der Grenze tropischer Klimate. Kaum verirrt sich eine Palme3 bis in die schönen Thäler der Vorgebirge von Nepaul und Kumaon. Unter dem 28sten und 34sten Grade der Breite, am Abhange des alten Paropamisus, entfaltet die vegetabilische Natur nicht mehr die Fülle baumartiger Farnkräuter und Gräser, großblüthiger Orchideen und Bananen-Gewächse, welche unter den Wendekreisen bis zu den Hochebenen hinaufsteigen. Unter dem Schatten der cederartigen Deodwara-Fichte und großblättriger Eichen bedecken das granitartige Gestein europäische und nordasiatische Pflanzenformen. Es sind nicht dieselben Arten, aber ähnliche Gebilde: Wachholder, Alpen-Birken, Gentianen, Parnassien und stachlige Ribes-Arten.4 Dem Himalaya fehlen die wechselnden Erscheinungen thätiger Vulkane, welche in der indischen Inselwelt drohend an das innere Leben der Erde mahnen. Auch fängt, wenigstens an seinem südlichen Abhange, wo die feuchtere Luft Hindustans ihren Wassergehalt absetzt, der ewige Schnee meist schon in der Höhe von eilf- bis zwölftausend Fuß an, und setzt so der Entwicklung des organischen Lebens eine frühere Grenze als in den Aequinoctial-Gegenden von Südamerika, wo der Organismus fast zweitausend sechshundert Fuß höher verbreitet ist. Himalaya-Gebirges, dem Dhawalagiri. Obgleich das indische Gebirge in der Größe seiner colossalen, jetzt durch wiederholte Messung wohl bestimmten Massen die Andeskette weit übertrifft, so gewährt ihr Anblick doch nicht die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche die Cordilleren von Südamerika charakterisiren. Höhe allein bestimmt nicht den Eindruck der Natur. Die Himalaya-Kette liegt schon weit außerhalb der Grenze tropischer Klimate. Kaum verirrt sich eine Palme3 bis in die schönen Thäler der Vorgebirge von Nepaul und Kumaon. Unter dem 28sten und 34sten Grade der Breite, am Abhange des alten Paropamisus, entfaltet die vegetabilische Natur nicht mehr die Fülle baumartiger Farnkräuter und Gräser, großblüthiger Orchideen und Bananen-Gewächse, welche unter den Wendekreisen bis zu den Hochebenen hinaufsteigen. Unter dem Schatten der cederartigen Deodwara-Fichte und großblättriger Eichen bedecken das granitartige Gestein europäische und nordasiatische Pflanzenformen. Es sind nicht dieselben Arten, aber ähnliche Gebilde: Wachholder, Alpen-Birken, Gentianen, Parnassien und stachlige Ribes-Arten.4 Dem Himalaya fehlen die wechselnden Erscheinungen thätiger Vulkane, welche in der indischen Inselwelt drohend an das innere Leben der Erde mahnen. Auch fängt, wenigstens an seinem südlichen Abhange, wo die feuchtere Luft Hindustans ihren Wassergehalt absetzt, der ewige Schnee meist schon in der Höhe von eilf- bis zwölftausend Fuß an, und setzt so der Entwicklung des organischen Lebens eine frühere Grenze als in den Aequinoctial-Gegenden von Südamerika, wo der Organismus fast zweitausend sechshundert Fuß höher verbreitet ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0030" n="11"/> Himalaya-Gebirges, dem Dhawalagiri. Obgleich das indische Gebirge in der Größe seiner colossalen, jetzt durch wiederholte Messung wohl bestimmten Massen die Andeskette weit übertrifft, so gewährt ihr Anblick doch nicht die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche die Cordilleren von Südamerika charakterisiren. Höhe allein bestimmt nicht den Eindruck der Natur. Die Himalaya-Kette liegt schon weit außerhalb der Grenze tropischer Klimate. Kaum verirrt sich eine Palme<note place="end" n="3" xml:id="ftn3" next="#ftn3-text"/> bis in die schönen Thäler der Vorgebirge von Nepaul und Kumaon. Unter dem 28sten und 34sten Grade der Breite, am Abhange des alten Paropamisus, entfaltet die vegetabilische Natur nicht mehr die Fülle baumartiger Farnkräuter und Gräser, großblüthiger Orchideen und Bananen-Gewächse, welche unter den Wendekreisen bis zu den Hochebenen hinaufsteigen. Unter dem Schatten der cederartigen Deodwara-Fichte und großblättriger Eichen bedecken das granitartige Gestein europäische und nordasiatische Pflanzenformen. Es sind nicht dieselben Arten, aber ähnliche Gebilde: Wachholder, Alpen-Birken, Gentianen, Parnassien und stachlige Ribes-Arten.<note place="end" n="4" xml:id="ftn4" next="#ftn4-text"/> Dem Himalaya fehlen die wechselnden Erscheinungen thätiger Vulkane, welche in der indischen Inselwelt drohend an das innere Leben der Erde mahnen. Auch fängt, wenigstens an seinem südlichen Abhange, wo die feuchtere Luft Hindustans ihren Wassergehalt absetzt, der ewige Schnee meist schon in der Höhe von eilf- bis zwölftausend Fuß an, und setzt so der Entwicklung des organischen Lebens eine frühere Grenze als in den Aequinoctial-Gegenden von Südamerika, wo der Organismus fast zweitausend sechshundert Fuß höher verbreitet ist.</p> <note place="end" n="5" xml:id="ftn5" next="#ftn5-text"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0030]
Himalaya-Gebirges, dem Dhawalagiri. Obgleich das indische Gebirge in der Größe seiner colossalen, jetzt durch wiederholte Messung wohl bestimmten Massen die Andeskette weit übertrifft, so gewährt ihr Anblick doch nicht die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche die Cordilleren von Südamerika charakterisiren. Höhe allein bestimmt nicht den Eindruck der Natur. Die Himalaya-Kette liegt schon weit außerhalb der Grenze tropischer Klimate. Kaum verirrt sich eine Palme
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bis in die schönen Thäler der Vorgebirge von Nepaul und Kumaon. Unter dem 28sten und 34sten Grade der Breite, am Abhange des alten Paropamisus, entfaltet die vegetabilische Natur nicht mehr die Fülle baumartiger Farnkräuter und Gräser, großblüthiger Orchideen und Bananen-Gewächse, welche unter den Wendekreisen bis zu den Hochebenen hinaufsteigen. Unter dem Schatten der cederartigen Deodwara-Fichte und großblättriger Eichen bedecken das granitartige Gestein europäische und nordasiatische Pflanzenformen. Es sind nicht dieselben Arten, aber ähnliche Gebilde: Wachholder, Alpen-Birken, Gentianen, Parnassien und stachlige Ribes-Arten.
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Dem Himalaya fehlen die wechselnden Erscheinungen thätiger Vulkane, welche in der indischen Inselwelt drohend an das innere Leben der Erde mahnen. Auch fängt, wenigstens an seinem südlichen Abhange, wo die feuchtere Luft Hindustans ihren Wassergehalt absetzt, der ewige Schnee meist schon in der Höhe von eilf- bis zwölftausend Fuß an, und setzt so der Entwicklung des organischen Lebens eine frühere Grenze als in den Aequinoctial-Gegenden von Südamerika, wo der Organismus fast zweitausend sechshundert Fuß höher verbreitet ist.
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