Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

amerika, ebenfalls mit einer Insel (Neu-Leinster) endigend. Eine merkwürdige Erscheinung ist noch, daß fast ganz unter denselben Meridianen, unter welchen in der Ländermasse des Alten Continents sich die größte Ausdehnung gegen Süden zeigt, auch die nördlichen Gestade am höchsten gegen den Nordpol vordringen. Dies ergiebt sich aus der Vergleichung des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Bank Lagullas mit dem europäischen Nordcap, der Halbinsel Malacca mit dem sibirischen Cap Taimura.10 Ob festes Land die beiden Erdpole umgürtet oder ob die Pole nur von einem Eismeere umflossen, mit Flözlagen von Eis (erstarrtem Wasser) bedeckt sind, wissen wir nicht. An dem Nordpol ist man bis 82° 55' Breite, an dem Südpol nur bis zu dem Parallel von 78° 10' gelangt.

So wie die großen Ländermassen pyramidal enden, so wiederholt sich diese Gestaltung auch mannigfaltig im Kleinen: nicht bloß im indischen Ocean (Halbinseln von Arabien, Hindustan und Malacca), sondern auch, wie schon Eratosthenes und Polybius bemerkten, im Mittelmeer, wo sie die iberische, italische und hellenische mit einander sinnig verglichen haben11. Europa, mit einem Areal fünfmal kleiner als das von Asien, ist gleichsam nur eine westliche vielgegliederte Halbinsel des asiatischen, fast ungegliederten Welttheils; auch beweisen die klimatischen Verhältnisse Europa's, daß es sich zu Asien verhält wie die peninsulare Bretagne zum übrigen Frankreich12. Wie die Gliederung eines Continents, die höhere Entwicklung seiner Form zugleich auf die Gesittung und den ganzen Culturzustand der Völker wirkt, bemerkt schon Strabo13, indem er unseres kleinen Welttheils "vielgestaltete

amerika, ebenfalls mit einer Insel (Neu-Leinster) endigend. Eine merkwürdige Erscheinung ist noch, daß fast ganz unter denselben Meridianen, unter welchen in der Ländermasse des Alten Continents sich die größte Ausdehnung gegen Süden zeigt, auch die nördlichen Gestade am höchsten gegen den Nordpol vordringen. Dies ergiebt sich aus der Vergleichung des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Bank Lagullas mit dem europäischen Nordcap, der Halbinsel Malacca mit dem sibirischen Cap Taimura.10 Ob festes Land die beiden Erdpole umgürtet oder ob die Pole nur von einem Eismeere umflossen, mit Flözlagen von Eis (erstarrtem Wasser) bedeckt sind, wissen wir nicht. An dem Nordpol ist man bis 82° 55′ Breite, an dem Südpol nur bis zu dem Parallel von 78° 10′ gelangt.

So wie die großen Ländermassen pyramidal enden, so wiederholt sich diese Gestaltung auch mannigfaltig im Kleinen: nicht bloß im indischen Ocean (Halbinseln von Arabien, Hindustan und Malacca), sondern auch, wie schon Eratosthenes und Polybius bemerkten, im Mittelmeer, wo sie die iberische, italische und hellenische mit einander sinnig verglichen haben11. Europa, mit einem Areal fünfmal kleiner als das von Asien, ist gleichsam nur eine westliche vielgegliederte Halbinsel des asiatischen, fast ungegliederten Welttheils; auch beweisen die klimatischen Verhältnisse Europa's, daß es sich zu Asien verhält wie die peninsulare Bretagne zum übrigen Frankreich12. Wie die Gliederung eines Continents, die höhere Entwicklung seiner Form zugleich auf die Gesittung und den ganzen Culturzustand der Völker wirkt, bemerkt schon Strabo13, indem er unseres kleinen Welttheils „vielgestaltete

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="308"/>
amerika, ebenfalls mit einer Insel (Neu-Leinster) endigend. Eine merkwürdige Erscheinung ist noch, daß fast ganz unter denselben Meridianen, unter welchen in der Ländermasse des Alten Continents sich die größte Ausdehnung gegen Süden zeigt, auch die nördlichen Gestade am höchsten gegen den Nordpol vordringen. Dies ergiebt sich aus der Vergleichung des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Bank Lagullas mit dem europäischen Nordcap, der Halbinsel Malacca mit dem sibirischen Cap Taimura.<note place="end" n="10" xml:id="ftn340" next="#ftn340-text"/> Ob festes Land die beiden Erdpole umgürtet oder ob die Pole nur von einem Eismeere umflossen, mit Flözlagen von Eis (erstarrtem Wasser) bedeckt sind, wissen wir nicht. An dem Nordpol ist man bis 82° 55&#x2032; Breite, an dem Südpol nur bis zu dem Parallel von 78° 10&#x2032; gelangt.</p>
          <p>So wie die großen Ländermassen pyramidal enden, so wiederholt sich diese Gestaltung auch mannigfaltig im Kleinen: nicht bloß im indischen Ocean (Halbinseln von Arabien, Hindustan und Malacca), sondern auch, wie schon Eratosthenes und Polybius bemerkten, im Mittelmeer, wo sie die iberische, italische und hellenische mit einander sinnig verglichen haben<note place="end" n="11" xml:id="ftn341" next="#ftn341-text"/>. Europa, mit einem Areal fünfmal kleiner als das von Asien, ist gleichsam nur eine westliche vielgegliederte Halbinsel des asiatischen, fast ungegliederten Welttheils; auch beweisen die klimatischen Verhältnisse Europa's, daß es sich zu Asien verhält wie die peninsulare Bretagne zum übrigen Frankreich<note place="end" n="12" xml:id="ftn342" next="#ftn342-text"/>. Wie die Gliederung eines Continents, die höhere Entwicklung seiner Form zugleich auf die Gesittung und den ganzen Culturzustand der Völker wirkt, bemerkt schon Strabo<note place="end" n="13" xml:id="ftn343" next="#ftn343-text"/>, indem er unseres kleinen Welttheils <hi rendition="#g">&#x201E;vielgestaltete</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0327] amerika, ebenfalls mit einer Insel (Neu-Leinster) endigend. Eine merkwürdige Erscheinung ist noch, daß fast ganz unter denselben Meridianen, unter welchen in der Ländermasse des Alten Continents sich die größte Ausdehnung gegen Süden zeigt, auch die nördlichen Gestade am höchsten gegen den Nordpol vordringen. Dies ergiebt sich aus der Vergleichung des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Bank Lagullas mit dem europäischen Nordcap, der Halbinsel Malacca mit dem sibirischen Cap Taimura. ¹⁰ Ob festes Land die beiden Erdpole umgürtet oder ob die Pole nur von einem Eismeere umflossen, mit Flözlagen von Eis (erstarrtem Wasser) bedeckt sind, wissen wir nicht. An dem Nordpol ist man bis 82° 55′ Breite, an dem Südpol nur bis zu dem Parallel von 78° 10′ gelangt. So wie die großen Ländermassen pyramidal enden, so wiederholt sich diese Gestaltung auch mannigfaltig im Kleinen: nicht bloß im indischen Ocean (Halbinseln von Arabien, Hindustan und Malacca), sondern auch, wie schon Eratosthenes und Polybius bemerkten, im Mittelmeer, wo sie die iberische, italische und hellenische mit einander sinnig verglichen haben ¹¹ . Europa, mit einem Areal fünfmal kleiner als das von Asien, ist gleichsam nur eine westliche vielgegliederte Halbinsel des asiatischen, fast ungegliederten Welttheils; auch beweisen die klimatischen Verhältnisse Europa's, daß es sich zu Asien verhält wie die peninsulare Bretagne zum übrigen Frankreich ¹² . Wie die Gliederung eines Continents, die höhere Entwicklung seiner Form zugleich auf die Gesittung und den ganzen Culturzustand der Völker wirkt, bemerkt schon Strabo ¹³ , indem er unseres kleinen Welttheils „vielgestaltete

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/327
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/327>, abgerufen am 22.11.2024.