Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.Steigen des einen das scheinbare Sinken des andern hervorruft -- sind die Ursach aller Gestaltveränderungen der Continente. In einem allgemeinen Naturgemälde, bei einer freien, nicht einseitigen Begründung der Erscheinungen in der Natur muß daher wenigstens auch der Möglichkeit einer Wasserverminderung, eines wirklichen Sinkens des Meeresspiegels Erwähnung geschehen. Daß bei der ehemaligen erhöhten Temperatur der Erdoberfläche, bei der größeren, wasserverschluckenden Zerklüftung derselben, bei einer ganz anderen Beschaffenheit der Atmosphäre einst große Veränderungen im Niveau der Meere statt gefunden haben, welche von der Zu- oder Abnahme des Tropfbar-Flüssigen auf der Erde abhingen: ist wohl keinem Zweifel unterworfen. In dem dermaligen Zustande unsres Planeten fehlt es aber bisher gänzlich an directen Beweisen für eine reelle, fortdauernde Ab- oder Zunahme des Meeres; es fehlt auch an Beweisen für allmälige Veränderungen der mittleren Barometerhöhe im Niveau der Meere an denselben Beobachtungspunkten. Nach Daussy's und Antonio Nobile's Erfahrungen würde Vermehrung der Barometerhöhe ohnedies von selbst eine Erniedrigung des Wasserspiegels hervorbringen. Da aber der mittlere Druck der Atmosphäre im Niveau des Oceans aus meteorologischen Ursachen der Windesrichtung und Feuchtigkeit nicht unter allen Breiten derselbe ist, so würde das Barometer allein nicht einen sicheren Zeugen der Niveauveränderung des Tropfbar-Flüssigen abgeben. Die denkwürdigen Erfahrungen, nach denen im Anfange dieses Jahrhunderts wiederholt einige Häfen des Mittelmeeres viele Stunden lang ganz trocken lagen, scheinen zu beweisen, daß in ihrer Richtung und Stärke Steigen des einen das scheinbare Sinken des andern hervorruft — sind die Ursach aller Gestaltveränderungen der Continente. In einem allgemeinen Naturgemälde, bei einer freien, nicht einseitigen Begründung der Erscheinungen in der Natur muß daher wenigstens auch der Möglichkeit einer Wasserverminderung, eines wirklichen Sinkens des Meeresspiegels Erwähnung geschehen. Daß bei der ehemaligen erhöhten Temperatur der Erdoberfläche, bei der größeren, wasserverschluckenden Zerklüftung derselben, bei einer ganz anderen Beschaffenheit der Atmosphäre einst große Veränderungen im Niveau der Meere statt gefunden haben, welche von der Zu- oder Abnahme des Tropfbar-Flüssigen auf der Erde abhingen: ist wohl keinem Zweifel unterworfen. In dem dermaligen Zustande unsres Planeten fehlt es aber bisher gänzlich an directen Beweisen für eine reelle, fortdauernde Ab- oder Zunahme des Meeres; es fehlt auch an Beweisen für allmälige Veränderungen der mittleren Barometerhöhe im Niveau der Meere an denselben Beobachtungspunkten. Nach Daussy's und Antonio Nobile's Erfahrungen würde Vermehrung der Barometerhöhe ohnedies von selbst eine Erniedrigung des Wasserspiegels hervorbringen. Da aber der mittlere Druck der Atmosphäre im Niveau des Oceans aus meteorologischen Ursachen der Windesrichtung und Feuchtigkeit nicht unter allen Breiten derselbe ist, so würde das Barometer allein nicht einen sicheren Zeugen der Niveauveränderung des Tropfbar-Flüssigen abgeben. 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Daß bei der ehemaligen erhöhten Temperatur der Erdoberfläche, bei der größeren, wasserverschluckenden Zerklüftung derselben, bei einer ganz anderen Beschaffenheit der Atmosphäre einst große Veränderungen im Niveau der Meere statt gefunden haben, welche von der Zu- oder Abnahme des Tropfbar-Flüssigen auf der Erde abhingen: ist wohl keinem Zweifel unterworfen. In dem dermaligen Zustande unsres Planeten fehlt es aber bisher gänzlich an directen Beweisen für eine reelle, fortdauernde Ab- oder Zunahme des Meeres; es fehlt auch an Beweisen für allmälige Veränderungen der <hi rendition="#g">mittleren</hi> Barometerhöhe im Niveau der Meere an denselben Beobachtungspunkten. Nach Daussy's und Antonio Nobile's Erfahrungen würde Vermehrung der Barometerhöhe ohnedies von selbst eine Erniedrigung des Wasserspiegels hervorbringen. 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Steigen des einen das scheinbare Sinken des andern hervorruft — sind die Ursach aller Gestaltveränderungen der Continente. In einem allgemeinen Naturgemälde, bei einer freien, nicht einseitigen Begründung der Erscheinungen in der Natur muß daher wenigstens auch der Möglichkeit einer Wasserverminderung, eines wirklichen Sinkens des Meeresspiegels Erwähnung geschehen. Daß bei der ehemaligen erhöhten Temperatur der Erdoberfläche, bei der größeren, wasserverschluckenden Zerklüftung derselben, bei einer ganz anderen Beschaffenheit der Atmosphäre einst große Veränderungen im Niveau der Meere statt gefunden haben, welche von der Zu- oder Abnahme des Tropfbar-Flüssigen auf der Erde abhingen: ist wohl keinem Zweifel unterworfen. In dem dermaligen Zustande unsres Planeten fehlt es aber bisher gänzlich an directen Beweisen für eine reelle, fortdauernde Ab- oder Zunahme des Meeres; es fehlt auch an Beweisen für allmälige Veränderungen der mittleren Barometerhöhe im Niveau der Meere an denselben Beobachtungspunkten. Nach Daussy's und Antonio Nobile's Erfahrungen würde Vermehrung der Barometerhöhe ohnedies von selbst eine Erniedrigung des Wasserspiegels hervorbringen. Da aber der mittlere Druck der Atmosphäre im Niveau des Oceans aus meteorologischen Ursachen der Windesrichtung und Feuchtigkeit nicht unter allen Breiten derselbe ist, so würde das Barometer allein nicht einen sicheren Zeugen der Niveauveränderung des Tropfbar-Flüssigen abgeben. Die denkwürdigen Erfahrungen, nach denen im Anfange dieses Jahrhunderts wiederholt einige Häfen des Mittelmeeres viele Stunden lang ganz trocken lagen, scheinen zu beweisen, daß in ihrer Richtung und Stärke
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