Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.der Erde rings umher sind größere und kleinere Gewölbe. Wasser strömt in Fülle darin, auch viel Feuer und große Feuerströme, und Ströme von feuchtem Schlamm (theils reinerem, theils schmutzigerem), wie in Sicilien die vor dem Feuerstrome sich ergießenden Ströme von Schlamm und der Feuerstrom selbst; von denen denn alle Oerter erfüllt werden, je nachdem jedesmal jeder der Ströme seinen Umlauf nimmt. Der Pyriphlegethon ergießt sich in eine weite mit einem gewaltigen Feuer brennende Gegend, wo er einen See bildet, größer als unser Meer, siedend von Wasser und Schlamm. Von hier aus bewegt er sich im Kreise herum um die Erde trübe und schlammig." Dieser Fluß geschmolzener Erde und Schlammes ist so sehr die allgemeine Ursach der vulkanischen Erscheinungen, daß Plato ausdrücklich hinzusetzt: "So ist der Pyriphlegethon beschaffen, von welchem auch die Feuerströme (oi Ruakhes), wo auf der Erde sie sich auch finden mögen (ope an tukhosi tes ges), kleine Theile (abgerissene Stücke) heraufblasen." Die vulkanischen Schlacken und Lavaströme sind demnach Theile des Pyriphlegethon selbst, Theile jener unterirdischen geschmolzenen, stets wogenden Masse. Daß aber oi Ruakhes Lavaströme und nicht, wie Schneider, Passow und Schleiermacher wollen, "feuerspeiende Berge" bedeute, ist aus vielen, theilweise schon von Ukert (Geogr. der Griechen und Römer Th. II, 1. S. 200) gesammelten Stellen sichtbar; Ruax ist das vulkanische Phänomen von seiner bedeutendsten Seite, dem Lavastrom, gefaßt. Daher der Ausdruck: die Ruakhes des Aetna. Aristot. Mirab. Ausc. T. II. p. 833 sect. 38 Bekker; Thucyd. III, 116; Theophr. de Lap. 22 p. 427 Schneider; Diod. V, 6 und XIV, 59, wo die merkwürdigen Worte: "viele nahe am Meer unfern dem Aetna gelegenen Orte wurden zu Grunde gerichtet upo tou kaloumenou Ruakhos; Strabo VI p. 269, XIII p. 628, und von dem berühmten Glühschlamme der Lelantischen Ebene auf Euböa I p. 58 Casaub.; endlich Appian. de bello civili V, 114. Der Tadel, welchen Aristoteles (Meteor. II. 2, 19) über die geognostischen Phantasien im Phädon ausspricht, bezieht sich eigentlich nur auf die Quellen der Flüsse, welche die Oberfläche der Erde durchströmen. Auffallend muß uns die von Plato so bestimmt ausgesprochene Ansicht sein, nach der "feuchte Schlammauswürfe in Sicilien den Glühströmen (Lavaströmen) vorhergehen". Beobachtungen am Aetna können dazu wohl keine der Erde rings umher sind größere und kleinere Gewölbe. Wasser strömt in Fülle darin, auch viel Feuer und große Feuerströme, und Ströme von feuchtem Schlamm (theils reinerem, theils schmutzigerem), wie in Sicilien die vor dem Feuerstrome sich ergießenden Ströme von Schlamm und der Feuerstrom selbst; von denen denn alle Oerter erfüllt werden, je nachdem jedesmal jeder der Ströme seinen Umlauf nimmt. Der Pyriphlegethon ergießt sich in eine weite mit einem gewaltigen Feuer brennende Gegend, wo er einen See bildet, größer als unser Meer, siedend von Wasser und Schlamm. Von hier aus bewegt er sich im Kreise herum um die Erde trübe und schlammig.“ Dieser Fluß geschmolzener Erde und Schlammes ist so sehr die allgemeine Ursach der vulkanischen Erscheinungen, daß Plato ausdrücklich hinzusetzt: „So ist der Pyriphlegethon beschaffen, von welchem auch die Feuerströme (οἱ ῥύαχες), wo auf der Erde sie sich auch finden mögen (ὅπῃ ἂν τύχοσι τῆς γῆς), kleine Theile (abgerissene Stücke) heraufblasen.“ Die vulkanischen Schlacken und Lavaströme sind demnach Theile des Pyriphlegethon selbst, Theile jener unterirdischen geschmolzenen, stets wogenden Masse. Daß aber οἱ ῥύαχες Lavaströme und nicht, wie Schneider, Passow und Schleiermacher wollen, „feuerspeiende Berge“ bedeute, ist aus vielen, theilweise schon von Ukert (Geogr. der Griechen und Römer Th. II, 1. S. 200) gesammelten Stellen sichtbar; ῥύαξ ist das vulkanische Phänomen von seiner bedeutendsten Seite, dem Lavastrom, gefaßt. Daher der Ausdruck: die ῥύαχες des Aetna. Aristot. Mirab. Ausc. T. II. p. 833 sect. 38 Bekker; Thucyd. III, 116; Theophr. de Lap. 22 p. 427 Schneider; Diod. V, 6 und XIV, 59, wo die merkwürdigen Worte: „viele nahe am Meer unfern dem Aetna gelegenen Orte wurden zu Grunde gerichtet ὑπὸ τοῦ καλουμένου ῥύαχος; Strabo VI p. 269, XIII p. 628, und von dem berühmten Glühschlamme der Lelantischen Ebene auf Euböa I p. 58 Casaub.; endlich Appian. de bello civili V, 114. Der Tadel, welchen Aristoteles (Meteor. II. 2, 19) über die geognostischen Phantasien im Phädon ausspricht, bezieht sich eigentlich nur auf die Quellen der Flüsse, welche die Oberfläche der Erde durchströmen. Auffallend muß uns die von Plato so bestimmt ausgesprochene Ansicht sein, nach der „feuchte Schlammauswürfe in Sicilien den Glühströmen (Lavaströmen) vorhergehen“. 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⁹⁶ der Erde rings umher sind größere und kleinere Gewölbe. Wasser strömt in Fülle darin, auch viel Feuer und große Feuerströme, und Ströme von feuchtem Schlamm (theils reinerem, theils schmutzigerem), wie in Sicilien die vor dem Feuerstrome sich ergießenden Ströme von Schlamm und der Feuerstrom selbst; von denen denn alle Oerter erfüllt werden, je nachdem jedesmal jeder der Ströme seinen Umlauf nimmt. Der Pyriphlegethon ergießt sich in eine weite mit einem gewaltigen Feuer brennende Gegend, wo er einen See bildet, größer als unser Meer, siedend von Wasser und Schlamm. Von hier aus bewegt er sich im Kreise herum um die Erde trübe und schlammig.“ Dieser Fluß geschmolzener Erde und Schlammes ist so sehr die allgemeine Ursach der vulkanischen Erscheinungen, daß Plato ausdrücklich hinzusetzt: „So ist der Pyriphlegethon beschaffen, von welchem auch die Feuerströme (οἱ ῥύαχες), wo auf der Erde sie sich auch finden mögen (ὅπῃ ἂν τύχοσι τῆς γῆς), kleine Theile (abgerissene Stücke) heraufblasen.“ Die vulkanischen Schlacken und Lavaströme sind demnach Theile des Pyriphlegethon selbst, Theile jener unterirdischen geschmolzenen, stets wogenden Masse. Daß aber οἱ ῥύαχες Lavaströme und nicht, wie Schneider, Passow und Schleiermacher wollen, „feuerspeiende Berge“ bedeute, ist aus vielen, theilweise schon von Ukert (Geogr. der Griechen und Römer Th. II, 1. S. 200) gesammelten Stellen sichtbar; ῥύαξ ist das vulkanische Phänomen von seiner bedeutendsten Seite, dem Lavastrom, gefaßt. Daher der Ausdruck: die ῥύαχες des Aetna. Aristot. Mirab. Ausc. T. II. p. 833 sect. 38 Bekker; Thucyd. III, 116; Theophr. de Lap. 22 p. 427 Schneider; Diod. V, 6 und XIV, 59, wo die merkwürdigen Worte: „viele nahe am Meer unfern dem Aetna gelegenen Orte wurden zu Grunde gerichtet ὑπὸ τοῦ καλουμένου ῥύαχος; Strabo VI p. 269, XIII p. 628, und von dem berühmten Glühschlamme der Lelantischen Ebene auf Euböa I p. 58 Casaub.; endlich Appian. de bello civili V, 114. Der Tadel, welchen Aristoteles (Meteor. II. 2, 19) über die geognostischen Phantasien im Phädon ausspricht, bezieht sich eigentlich nur auf die Quellen der Flüsse, welche die Oberfläche der Erde durchströmen. Auffallend muß uns die von Plato so bestimmt ausgesprochene Ansicht sein, nach der „feuchte Schlammauswürfe in Sicilien den Glühströmen (Lavaströmen) vorhergehen“. Beobachtungen am Aetna können dazu wohl keine
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