Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.sehr geringem Erfolge, von denen versucht worden, die sich mit der Classification aller Zweige des menschlichen Wissens beschäftigt haben, von der großen Encyclopädie (Margarita philosophica) des Carthäuser-Mönchs Gregorius Reisch1 an bis Baco, von Baco bis D'Alembert und, um der neuesten Zeit zu gedenken, bis zu dem scharfsinnigen Geometer und Physiker Ampere2. Die wenig glückliche Wahl einer gräcisirenden Nomenclatur hat dem Unternehmen vielleicht mehr noch, als die zu große dichotomische Zerspaltung und Vervielfältigung der Gruppen geschadet. Die physische Weltbeschreibung, indem sie die Welt "als Gegenstand des äußeren Sinnes" umfaßt, bedarf allerdings der allgemeinen Physik und der Naturgeschichte als Hülfswissenschaften; aber die Betrachtung der körperlichen Dinge unter der Gestalt eines, durch innere Kräfte bewegten und belebten Naturganzen hat als abgesonderte Wissenschaft einen ganz eigenthümlichen Charakter. Die Physik verweilt bei den allgemeinen Eigenschaften der Materie, sie ist eine Abstraction von den Kraftäußerungen der Stoffe; und schon da, wo sie zuerst begründet wurde, in den acht Büchern der physischen Vorträge des Aristoteles3, sind alle Erscheinungen der Natur als bewegende Lebensthätigkeit einer allgemeinen Weltkraft geschildert. Der tellurische Theil der physischen Weltbeschreibung, dem ich gern die alte ausdrucksvolle Benennung physische Erdbeschreibung lasse, lehrt die Vertheilung des Magnetismus auf unserem Planeten nach Verhältnissen der Intensität und der Richtung, nicht die Gesetze magnetischer Anziehung und Abstoßung oder die Mittel, mächtige electro-magnetische Wirkungen bald vorübergehend, bald bleibend hervorzurufen. sehr geringem Erfolge, von denen versucht worden, die sich mit der Classification aller Zweige des menschlichen Wissens beschäftigt haben, von der großen Encyclopädie (Margarita philosophica) des Carthäuser-Mönchs Gregorius Reisch1 an bis Baco, von Baco bis D'Alembert und, um der neuesten Zeit zu gedenken, bis zu dem scharfsinnigen Geometer und Physiker Ampère2. Die wenig glückliche Wahl einer gräcisirenden Nomenclatur hat dem Unternehmen vielleicht mehr noch, als die zu große dichotomische Zerspaltung und Vervielfältigung der Gruppen geschadet. Die physische Weltbeschreibung, indem sie die Welt „als Gegenstand des äußeren Sinnes“ umfaßt, bedarf allerdings der allgemeinen Physik und der Naturgeschichte als Hülfswissenschaften; aber die Betrachtung der körperlichen Dinge unter der Gestalt eines, durch innere Kräfte bewegten und belebten Naturganzen hat als abgesonderte Wissenschaft einen ganz eigenthümlichen Charakter. Die Physik verweilt bei den allgemeinen Eigenschaften der Materie, sie ist eine Abstraction von den Kraftäußerungen der Stoffe; und schon da, wo sie zuerst begründet wurde, in den acht Büchern der physischen Vorträge des Aristoteles3, sind alle Erscheinungen der Natur als bewegende Lebensthätigkeit einer allgemeinen Weltkraft geschildert. Der tellurische Theil der physischen Weltbeschreibung, dem ich gern die alte ausdrucksvolle Benennung physische Erdbeschreibung lasse, lehrt die Vertheilung des Magnetismus auf unserem Planeten nach Verhältnissen der Intensität und der Richtung, nicht die Gesetze magnetischer Anziehung und Abstoßung oder die Mittel, mächtige electro-magnetische Wirkungen bald vorübergehend, bald bleibend hervorzurufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0071" n="52"/> sehr geringem Erfolge, von denen versucht worden, die sich mit der Classification aller Zweige des menschlichen Wissens beschäftigt haben, von der großen Encyclopädie (Margarita philosophica) des Carthäuser-Mönchs Gregorius Reisch<note place="end" n="1" xml:id="ftn19" next="#ftn19-text"/> an bis Baco, von Baco bis D'Alembert und, um der neuesten Zeit zu gedenken, bis zu dem scharfsinnigen Geometer und Physiker Ampère<note place="end" n="2" xml:id="ftn20" next="#ftn20-text"/>. 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sehr geringem Erfolge, von denen versucht worden, die sich mit der Classification aller Zweige des menschlichen Wissens beschäftigt haben, von der großen Encyclopädie (Margarita philosophica) des Carthäuser-Mönchs Gregorius Reisch
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an bis Baco, von Baco bis D'Alembert und, um der neuesten Zeit zu gedenken, bis zu dem scharfsinnigen Geometer und Physiker Ampère
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. Die wenig glückliche Wahl einer gräcisirenden Nomenclatur hat dem Unternehmen vielleicht mehr noch, als die zu große dichotomische Zerspaltung und Vervielfältigung der Gruppen geschadet.
Die physische Weltbeschreibung, indem sie die Welt „als Gegenstand des äußeren Sinnes“ umfaßt, bedarf allerdings der allgemeinen Physik und der Naturgeschichte als Hülfswissenschaften; aber die Betrachtung der körperlichen Dinge unter der Gestalt eines, durch innere Kräfte bewegten und belebten Naturganzen hat als abgesonderte Wissenschaft einen ganz eigenthümlichen Charakter. Die Physik verweilt bei den allgemeinen Eigenschaften der Materie, sie ist eine Abstraction von den Kraftäußerungen der Stoffe; und schon da, wo sie zuerst begründet wurde, in den acht Büchern der physischen Vorträge des Aristoteles
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, sind alle Erscheinungen der Natur als bewegende Lebensthätigkeit einer allgemeinen Weltkraft geschildert. Der tellurische Theil der physischen Weltbeschreibung, dem ich gern die alte ausdrucksvolle Benennung physische Erdbeschreibung lasse, lehrt die Vertheilung des Magnetismus auf unserem Planeten nach Verhältnissen der Intensität und der Richtung, nicht die Gesetze magnetischer Anziehung und Abstoßung oder die Mittel, mächtige electro-magnetische Wirkungen bald vorübergehend, bald bleibend hervorzurufen.
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