Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Darstellung den Leser in den Stand setzen könne den Geist, in welchem ein so schwer zu begrenzendes Bild einst auszuführen wäre, leichter zu erfassen. Hier wie in dem Naturgemälde, welches der erste Band des Kosmos enthält, wird nicht nach Vollständigkeit in Aufzählung von Einzelheiten, sondern nach der klaren Entwickelung von leitenden Ideen getrachtet, solchen, welche einige der Wege bezeichnen, die der Physiker als Geschichtsforscher durchlaufen kann. Die Kenntniß von dem Zusammenhang der Begebenheiten und ihren Causalverhältnissen wird als ein Gegebenes vorausgesetzt; die Begebenheiten brauchen nicht erzählt zu werden, es genügt sie zu nennen und den Einfluß zu bestimmen, den sie auf die allmälig anwachsende Erkenntniß eines Naturganzen ausgeübt haben. Vollständigkeit, ich glaube es wiederholen zu müssen, ist hier weder zu erreichen noch als das Ziel eines solchen Unternehmens zu betrachten. Indem ich dies ausspreche, um meinem Werke vom Kosmos den eigenthümlichen Charakter zu bewahren, der dasselbe allein ausführbar macht, werde ich mich freilich von neuem dem Tadel derer aussetzen, welche weniger bei dem verweilen, was ein Buch enthält, als bei dem, was nach ihrer individuellen Ansicht darin gefunden werden sollte. In den älteren Theilen der Geschichte bin ich geflissentlich weit umständlicher als in den neueren gewesen. Wo die Quellen sparsamer fließen, ist die Combination schwieriger, und die aufgestellten Meinungen bedürfen dann der Anführung nicht allgemein bekannter Zeugnisse. Auch Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Materien habe ich mir da frei gestattet, wo es darauf ankam durch Aufzählung von Einzelheiten dem Vortrag ein belebenderes Interesse zu geben. Wie die Erkenntniß eines Weltganzen mit intuitiver Darstellung den Leser in den Stand setzen könne den Geist, in welchem ein so schwer zu begrenzendes Bild einst auszuführen wäre, leichter zu erfassen. Hier wie in dem Naturgemälde, welches der erste Band des Kosmos enthält, wird nicht nach Vollständigkeit in Aufzählung von Einzelheiten, sondern nach der klaren Entwickelung von leitenden Ideen getrachtet, solchen, welche einige der Wege bezeichnen, die der Physiker als Geschichtsforscher durchlaufen kann. Die Kenntniß von dem Zusammenhang der Begebenheiten und ihren Causalverhältnissen wird als ein Gegebenes vorausgesetzt; die Begebenheiten brauchen nicht erzählt zu werden, es genügt sie zu nennen und den Einfluß zu bestimmen, den sie auf die allmälig anwachsende Erkenntniß eines Naturganzen ausgeübt haben. Vollständigkeit, ich glaube es wiederholen zu müssen, ist hier weder zu erreichen noch als das Ziel eines solchen Unternehmens zu betrachten. Indem ich dies ausspreche, um meinem Werke vom Kosmos den eigenthümlichen Charakter zu bewahren, der dasselbe allein ausführbar macht, werde ich mich freilich von neuem dem Tadel derer aussetzen, welche weniger bei dem verweilen, was ein Buch enthält, als bei dem, was nach ihrer individuellen Ansicht darin gefunden werden sollte. In den älteren Theilen der Geschichte bin ich geflissentlich weit umständlicher als in den neueren gewesen. Wo die Quellen sparsamer fließen, ist die Combination schwieriger, und die aufgestellten Meinungen bedürfen dann der Anführung nicht allgemein bekannter Zeugnisse. Auch Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Materien habe ich mir da frei gestattet, wo es darauf ankam durch Aufzählung von Einzelheiten dem Vortrag ein belebenderes Interesse zu geben. Wie die Erkenntniß eines Weltganzen mit intuitiver <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="145"/> Darstellung den Leser in den Stand setzen könne den Geist, in welchem ein so schwer zu begrenzendes Bild einst auszuführen wäre, leichter zu erfassen. Hier wie in dem <hi rendition="#g">Naturgemälde,</hi> welches der erste Band des Kosmos enthält, wird nicht nach Vollständigkeit in Aufzählung von Einzelheiten, sondern nach der klaren Entwickelung von leitenden Ideen getrachtet, solchen, welche einige der Wege bezeichnen, die der Physiker als Geschichtsforscher durchlaufen kann. Die Kenntniß von dem Zusammenhang der Begebenheiten und ihren Causalverhältnissen wird als ein Gegebenes vorausgesetzt; die Begebenheiten brauchen nicht erzählt zu werden, es genügt sie zu nennen und den Einfluß zu bestimmen, den sie auf die allmälig anwachsende Erkenntniß eines Naturganzen ausgeübt haben. Vollständigkeit, ich glaube es wiederholen zu müssen, ist hier weder zu erreichen noch als das Ziel eines solchen Unternehmens zu betrachten. Indem ich dies ausspreche, um meinem Werke vom Kosmos den eigenthümlichen Charakter zu bewahren, der dasselbe allein ausführbar macht, werde ich mich freilich von neuem dem Tadel derer aussetzen, welche weniger bei dem verweilen, was ein Buch enthält, als bei dem, was nach ihrer individuellen Ansicht darin gefunden werden sollte. In den älteren Theilen der Geschichte bin ich geflissentlich weit umständlicher als in den neueren gewesen. Wo die Quellen sparsamer fließen, ist die Combination schwieriger, und die aufgestellten Meinungen bedürfen dann der Anführung nicht allgemein bekannter Zeugnisse. Auch Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Materien habe ich mir da frei gestattet, wo es darauf ankam durch Aufzählung von Einzelheiten dem Vortrag ein belebenderes Interesse zu geben.</p> <p>Wie die Erkenntniß eines Weltganzen mit intuitiver </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [145/0150]
Darstellung den Leser in den Stand setzen könne den Geist, in welchem ein so schwer zu begrenzendes Bild einst auszuführen wäre, leichter zu erfassen. Hier wie in dem Naturgemälde, welches der erste Band des Kosmos enthält, wird nicht nach Vollständigkeit in Aufzählung von Einzelheiten, sondern nach der klaren Entwickelung von leitenden Ideen getrachtet, solchen, welche einige der Wege bezeichnen, die der Physiker als Geschichtsforscher durchlaufen kann. Die Kenntniß von dem Zusammenhang der Begebenheiten und ihren Causalverhältnissen wird als ein Gegebenes vorausgesetzt; die Begebenheiten brauchen nicht erzählt zu werden, es genügt sie zu nennen und den Einfluß zu bestimmen, den sie auf die allmälig anwachsende Erkenntniß eines Naturganzen ausgeübt haben. Vollständigkeit, ich glaube es wiederholen zu müssen, ist hier weder zu erreichen noch als das Ziel eines solchen Unternehmens zu betrachten. Indem ich dies ausspreche, um meinem Werke vom Kosmos den eigenthümlichen Charakter zu bewahren, der dasselbe allein ausführbar macht, werde ich mich freilich von neuem dem Tadel derer aussetzen, welche weniger bei dem verweilen, was ein Buch enthält, als bei dem, was nach ihrer individuellen Ansicht darin gefunden werden sollte. In den älteren Theilen der Geschichte bin ich geflissentlich weit umständlicher als in den neueren gewesen. Wo die Quellen sparsamer fließen, ist die Combination schwieriger, und die aufgestellten Meinungen bedürfen dann der Anführung nicht allgemein bekannter Zeugnisse. Auch Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Materien habe ich mir da frei gestattet, wo es darauf ankam durch Aufzählung von Einzelheiten dem Vortrag ein belebenderes Interesse zu geben.
Wie die Erkenntniß eines Weltganzen mit intuitiver
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/150 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/150>, abgerufen am 16.02.2025. |