Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Thierwelt werden mit Anmuth und oft mit einer Genauigkeit geschildert, daß die neuere classificirende Naturkunde Gattungen und selbst Arten in den Beschreibungen erkennen kann. Es fehlt aber allen diesen Dichtungsarten das innere Leben, eine begeisterte Anschauung der Natur, das, wodurch die Außenwelt dem angeregten Dichter fast unbewußt ein Gegenstand der Phantasie wird. Das Uebermaaß des beschreibenden Elements findet sich in den durch kunstreichen Versbau ausgezeichneten 48 Gesängen der Dionysiaca des Aegyptiers Nonnus. Der Dichter gefällt sich in der Darstellung großer Naturumwälzungen; er läßt durch ein vom Blitz entzündetes Waldufer, im Flußbette des Hydaspes, selbst die Fische verbrennen; er lehrt, wie aufsteigende Dämpfe den meteorologischen Proceß des Gewitters und eines electrischen Regens erzeugen. Zur romantischen Poesie hingeneigt, ist Nonnus von Panopolis wundersam ungleich, bald begeistert und anregend, bald langweilig und wortreich. Mehr Naturgefühl und Zartheit der Empfindung offenbaren sich in einzelnen Theilen der griechischen Blumenlese (Anthologie), welche auf so verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Zeiten zu uns gelangt ist. In der anmuthigen Uebersetzung von Jacobs ist alles, was das Thier- und Pflanzenleben betrifft, in eine Abtheilung vereinigt. Es find kleine Bilder, meist nur Anspielungen auf individuelle Formen. Die Platane, welche "in ihrem Gezweige die mostschwellende Traube ernährt", und aus Kleinasien über die Insel des Diomedes erst unter Dionysius dem Aelteren bis zu den Ufern des sicilischen Anapus vordrang, wird vielleicht nur zu oft besungen; doch scheint im ganzen der antike Sinn in diesen Liedern und Epigrammen mehr der Thier- als der Thierwelt werden mit Anmuth und oft mit einer Genauigkeit geschildert, daß die neuere classificirende Naturkunde Gattungen und selbst Arten in den Beschreibungen erkennen kann. Es fehlt aber allen diesen Dichtungsarten das innere Leben, eine begeisterte Anschauung der Natur, das, wodurch die Außenwelt dem angeregten Dichter fast unbewußt ein Gegenstand der Phantasie wird. Das Uebermaaß des beschreibenden Elements findet sich in den durch kunstreichen Versbau ausgezeichneten 48 Gesängen der Dionysiaca des Aegyptiers Nonnus. Der Dichter gefällt sich in der Darstellung großer Naturumwälzungen; er läßt durch ein vom Blitz entzündetes Waldufer, im Flußbette des Hydaspes, selbst die Fische verbrennen; er lehrt, wie aufsteigende Dämpfe den meteorologischen Proceß des Gewitters und eines electrischen Regens erzeugen. Zur romantischen Poesie hingeneigt, ist Nonnus von Panopolis wundersam ungleich, bald begeistert und anregend, bald langweilig und wortreich. Mehr Naturgefühl und Zartheit der Empfindung offenbaren sich in einzelnen Theilen der griechischen Blumenlese (Anthologie), welche auf so verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Zeiten zu uns gelangt ist. In der anmuthigen Uebersetzung von Jacobs ist alles, was das Thier- und Pflanzenleben betrifft, in eine Abtheilung vereinigt. Es find kleine Bilder, meist nur Anspielungen auf individuelle Formen. Die Platane, welche „in ihrem Gezweige die mostschwellende Traube ernährt", und aus Kleinasien über die Insel des Diomedes erst unter Dionysius dem Aelteren bis zu den Ufern des sicilischen Anapus vordrang, wird vielleicht nur zu oft besungen; doch scheint im ganzen der antike Sinn in diesen Liedern und Epigrammen mehr der Thier- als der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0018" n="13"/> Thierwelt werden mit Anmuth und oft mit einer Genauigkeit geschildert, daß die neuere classificirende Naturkunde Gattungen und selbst Arten in den Beschreibungen erkennen kann. Es fehlt aber allen diesen Dichtungsarten das innere Leben, eine begeisterte Anschauung der Natur, das, wodurch die Außenwelt dem angeregten Dichter fast unbewußt ein Gegenstand der Phantasie wird. Das Uebermaaß des beschreibenden Elements findet sich in den durch kunstreichen Versbau ausgezeichneten 48 Gesängen der <hi rendition="#g">Dionysiaca</hi> des Aegyptiers Nonnus. Der Dichter gefällt sich in der Darstellung großer Naturumwälzungen; er läßt durch ein vom Blitz entzündetes Waldufer, im Flußbette des Hydaspes, selbst die Fische verbrennen; er lehrt, wie aufsteigende Dämpfe den meteorologischen Proceß des Gewitters und eines electrischen Regens erzeugen. Zur romantischen Poesie hingeneigt, ist Nonnus von Panopolis wundersam ungleich, bald begeistert und anregend, bald langweilig und wortreich.</p> <p>Mehr Naturgefühl und Zartheit der Empfindung offenbaren sich in einzelnen Theilen der griechischen Blumenlese <hi rendition="#g">(Anthologie),</hi> welche auf so verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Zeiten zu uns gelangt ist. In der anmuthigen Uebersetzung von Jacobs ist alles, was das Thier- und Pflanzenleben betrifft, in eine Abtheilung vereinigt. Es find kleine Bilder, meist nur Anspielungen auf individuelle Formen. Die Platane, welche „in ihrem Gezweige die mostschwellende Traube ernährt", und aus Kleinasien über die Insel des Diomedes erst unter Dionysius dem Aelteren bis zu den Ufern des sicilischen Anapus vordrang, wird vielleicht nur zu oft besungen; doch scheint im ganzen der antike Sinn in diesen Liedern und Epigrammen mehr der Thier- als der </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0018]
Thierwelt werden mit Anmuth und oft mit einer Genauigkeit geschildert, daß die neuere classificirende Naturkunde Gattungen und selbst Arten in den Beschreibungen erkennen kann. Es fehlt aber allen diesen Dichtungsarten das innere Leben, eine begeisterte Anschauung der Natur, das, wodurch die Außenwelt dem angeregten Dichter fast unbewußt ein Gegenstand der Phantasie wird. Das Uebermaaß des beschreibenden Elements findet sich in den durch kunstreichen Versbau ausgezeichneten 48 Gesängen der Dionysiaca des Aegyptiers Nonnus. Der Dichter gefällt sich in der Darstellung großer Naturumwälzungen; er läßt durch ein vom Blitz entzündetes Waldufer, im Flußbette des Hydaspes, selbst die Fische verbrennen; er lehrt, wie aufsteigende Dämpfe den meteorologischen Proceß des Gewitters und eines electrischen Regens erzeugen. Zur romantischen Poesie hingeneigt, ist Nonnus von Panopolis wundersam ungleich, bald begeistert und anregend, bald langweilig und wortreich.
Mehr Naturgefühl und Zartheit der Empfindung offenbaren sich in einzelnen Theilen der griechischen Blumenlese (Anthologie), welche auf so verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Zeiten zu uns gelangt ist. In der anmuthigen Uebersetzung von Jacobs ist alles, was das Thier- und Pflanzenleben betrifft, in eine Abtheilung vereinigt. Es find kleine Bilder, meist nur Anspielungen auf individuelle Formen. Die Platane, welche „in ihrem Gezweige die mostschwellende Traube ernährt", und aus Kleinasien über die Insel des Diomedes erst unter Dionysius dem Aelteren bis zu den Ufern des sicilischen Anapus vordrang, wird vielleicht nur zu oft besungen; doch scheint im ganzen der antike Sinn in diesen Liedern und Epigrammen mehr der Thier- als der
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