Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Oscillationen der Erdrinde. Strabo sagt ausdrücklich, daß die veränderten Grenzen zwischen Meer und Land mehr der Hebung und Senkung des Bodens als den kleinlichen Anschwemmungen zuzuschreiben seien; "daß nicht bloß einzelne Felsmassen oder kleine und große Inseln, sondern ganze Continente können emporgehoben werden". Wie Herodot, ist Strabo auch auf die Abstammung der Völker und die Racenverschiedenheit des Menschen aufmerksam, welchen er merkwürdig genug "ein Land- und Luftthier" nennt, das "vieles Lichtes bedürftig" ist54. Die ethnologische Absonderung der Stämme finden wir am schärfsten aufgefaßt in den Commentaren des Julius Cäsar wie in des Tacitus herrlicher Lobrede auf den Agricola. Leider ist Strabo's großes, an Thatsachen so reichhaltiges Werk, dessen kosmische Ansichten wir hier zusammenstellen, in dem römischen Alterthume bis in das fünfte Jahrhundert fast unbekannt, selbst von dem vielsammelnden Plinius unbenutzt geblieben. Es hat erst am Ende des Mittelalters auf die Richtung der Ideen gewirkt: aber in minderem Maaße als die mehr mathematische, den physikalischen Ansichten fast ganz entfremdete, tabellarisch-nüchterne Geographie des Claudius Ptolemäus. Letztere ist bis in das sechzehnte Jahrhundert der Leitfaden aller Reisenden gewesen. Was man entdeckte, glaubte man fast immer in ihr unter anderen Benennungen zu erkennen. Wie die Naturhistoriker lange neu aufgefundene Pflanzen und Thiere den classischen Verzeichnissen des Linnäus anschlossen, so erschienen auch die frühesten Carten des Neuen Continents in dem Atlas des Ptolemäus, welchen Agathodämon zu derselben Zeit anfertigte als im fernsten Asien Oscillationen der Erdrinde. Strabo sagt ausdrücklich, daß die veränderten Grenzen zwischen Meer und Land mehr der Hebung und Senkung des Bodens als den kleinlichen Anschwemmungen zuzuschreiben seien; „daß nicht bloß einzelne Felsmassen oder kleine und große Inseln, sondern ganze Continente können emporgehoben werden". Wie Herodot, ist Strabo auch auf die Abstammung der Völker und die Racenverschiedenheit des Menschen aufmerksam, welchen er merkwürdig genug „ein Land- und Luftthier" nennt, das „vieles Lichtes bedürftig" ist54. Die ethnologische Absonderung der Stämme finden wir am schärfsten aufgefaßt in den Commentaren des Julius Cäsar wie in des Tacitus herrlicher Lobrede auf den Agricola. Leider ist Strabo's großes, an Thatsachen so reichhaltiges Werk, dessen kosmische Ansichten wir hier zusammenstellen, in dem römischen Alterthume bis in das fünfte Jahrhundert fast unbekannt, selbst von dem vielsammelnden Plinius unbenutzt geblieben. Es hat erst am Ende des Mittelalters auf die Richtung der Ideen gewirkt: aber in minderem Maaße als die mehr mathematische, den physikalischen Ansichten fast ganz entfremdete, tabellarisch-nüchterne Geographie des Claudius Ptolemäus. Letztere ist bis in das sechzehnte Jahrhundert der Leitfaden aller Reisenden gewesen. Was man entdeckte, glaubte man fast immer in ihr unter anderen Benennungen zu erkennen. Wie die Naturhistoriker lange neu aufgefundene Pflanzen und Thiere den classischen Verzeichnissen des Linnäus anschlossen, so erschienen auch die frühesten Carten des Neuen Continents in dem Atlas des Ptolemäus, welchen Agathodämon zu derselben Zeit anfertigte als im fernsten Asien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0229" n="224"/> Oscillationen der Erdrinde. 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Wie die Naturhistoriker lange neu aufgefundene Pflanzen und Thiere den classischen Verzeichnissen des Linnäus anschlossen, so erschienen auch die frühesten Carten des Neuen Continents in dem Atlas des Ptolemäus, welchen Agathodämon zu derselben Zeit anfertigte als im fernsten Asien </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0229]
Oscillationen der Erdrinde. Strabo sagt ausdrücklich, daß die veränderten Grenzen zwischen Meer und Land mehr der Hebung und Senkung des Bodens als den kleinlichen Anschwemmungen zuzuschreiben seien; „daß nicht bloß einzelne Felsmassen oder kleine und große Inseln, sondern ganze Continente können emporgehoben werden". Wie Herodot, ist Strabo auch auf die Abstammung der Völker und die Racenverschiedenheit des Menschen aufmerksam, welchen er merkwürdig genug „ein Land- und Luftthier" nennt, das „vieles Lichtes bedürftig" ist
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. Die ethnologische Absonderung der Stämme finden wir am schärfsten aufgefaßt in den Commentaren des Julius Cäsar wie in des Tacitus herrlicher Lobrede auf den Agricola.
Leider ist Strabo's großes, an Thatsachen so reichhaltiges Werk, dessen kosmische Ansichten wir hier zusammenstellen, in dem römischen Alterthume bis in das fünfte Jahrhundert fast unbekannt, selbst von dem vielsammelnden Plinius unbenutzt geblieben. Es hat erst am Ende des Mittelalters auf die Richtung der Ideen gewirkt: aber in minderem Maaße als die mehr mathematische, den physikalischen Ansichten fast ganz entfremdete, tabellarisch-nüchterne Geographie des Claudius Ptolemäus. Letztere ist bis in das sechzehnte Jahrhundert der Leitfaden aller Reisenden gewesen. Was man entdeckte, glaubte man fast immer in ihr unter anderen Benennungen zu erkennen. Wie die Naturhistoriker lange neu aufgefundene Pflanzen und Thiere den classischen Verzeichnissen des Linnäus anschlossen, so erschienen auch die frühesten Carten des Neuen Continents in dem Atlas des Ptolemäus, welchen Agathodämon zu derselben Zeit anfertigte als im fernsten Asien
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