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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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caspischen Meeres gelten: eine Ansicht, welche die Ptolemäische Erdkunde nach fünfhundertjährigem Irrthume wiederherstellte. Herodot und Aristoteles (der letztere schrieb seine Meteorologica glücklicherweise vor den asiatischen Feldzügen Alexanders) hatten diese Abgeschlossenheit gekannt. Die Olbiopoliten, aus deren Munde der Vater der Geschichte seine Nachrichten schöpfte, waren vertraut mit der nördlichen Küste des caspischen Meers zwischen der Kuma, der Wolga (Rha) und dem Jaik (Ural). Nichts konnte dort bei ihnen die Idee eines Ausflusses nach dem Eismeere anregen. Ganz andere Ursachen der Täuschung boten sich dem Heere Alexanders dar, welches über Hekatompylos (Damaghan) in die feuchten Waldungen des Mazenderan herabstieg und das caspische Meer bei Zadrakarta, etwas westlich von dem jetzigen Asterabad, sich endlos gegen Norden hindehnen sah. Dieser Anblick erzeugte, wie Plutarch in dem Leben Alexanders erzählt, zuerst die Vermuthung, das gesehene Meer sei ein Busen des Pontus.58 Die macedonische Expedition, im ganzen wohlthätig für die Fortschritte der Erdkunde, führte zu einzelnen Irrthümern, die sich lange erhalten haben. Der Tanais wurde mit dem Jaxartes (Herodots Araxes), der Kaukasus mit dem Paropanisus (Hindu-Kho) verwechselt. Ptolemäus konnte durch seinen Aufenthalt in Alexandrien sichere Nachrichten aus den Ländern, welche das caspische Meer zunächst umgrenzen (aus Albanien, Atropatene und Hyrcanien), wie von den Zügen der Aorser haben, deren Kameele indische und babylonische Waaren zum Don und zum schwarzen Meere führten59. Wenn er, gegen Herodots richtigere Kenntniß, die große Axe des caspischen Binnenmeeres von Westen gegen Osten gerichtet

caspischen Meeres gelten: eine Ansicht, welche die Ptolemäische Erdkunde nach fünfhundertjährigem Irrthume wiederherstellte. Herodot und Aristoteles (der letztere schrieb seine Meteorologica glücklicherweise vor den asiatischen Feldzügen Alexanders) hatten diese Abgeschlossenheit gekannt. Die Olbiopoliten, aus deren Munde der Vater der Geschichte seine Nachrichten schöpfte, waren vertraut mit der nördlichen Küste des caspischen Meers zwischen der Kuma, der Wolga (Rha) und dem Jaik (Ural). Nichts konnte dort bei ihnen die Idee eines Ausflusses nach dem Eismeere anregen. Ganz andere Ursachen der Täuschung boten sich dem Heere Alexanders dar, welches über Hekatompylos (Damaghan) in die feuchten Waldungen des Mazenderan herabstieg und das caspische Meer bei Zadrakarta, etwas westlich von dem jetzigen Asterabad, sich endlos gegen Norden hindehnen sah. Dieser Anblick erzeugte, wie Plutarch in dem Leben Alexanders erzählt, zuerst die Vermuthung, das gesehene Meer sei ein Busen des Pontus.58 Die macedonische Expedition, im ganzen wohlthätig für die Fortschritte der Erdkunde, führte zu einzelnen Irrthümern, die sich lange erhalten haben. Der Tanais wurde mit dem Jaxartes (Herodots Araxes), der Kaukasus mit dem Paropanisus (Hindu-Kho) verwechselt. Ptolemäus konnte durch seinen Aufenthalt in Alexandrien sichere Nachrichten aus den Ländern, welche das caspische Meer zunächst umgrenzen (aus Albanien, Atropatene und Hyrcanien), wie von den Zügen der Aorser haben, deren Kameele indische und babylonische Waaren zum Don und zum schwarzen Meere führten59. Wenn er, gegen Herodots richtigere Kenntniß, die große Axe des caspischen Binnenmeeres von Westen gegen Osten gerichtet

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[226/0231] caspischen Meeres gelten: eine Ansicht, welche die Ptolemäische Erdkunde nach fünfhundertjährigem Irrthume wiederherstellte. Herodot und Aristoteles (der letztere schrieb seine Meteorologica glücklicherweise vor den asiatischen Feldzügen Alexanders) hatten diese Abgeschlossenheit gekannt. Die Olbiopoliten, aus deren Munde der Vater der Geschichte seine Nachrichten schöpfte, waren vertraut mit der nördlichen Küste des caspischen Meers zwischen der Kuma, der Wolga (Rha) und dem Jaik (Ural). Nichts konnte dort bei ihnen die Idee eines Ausflusses nach dem Eismeere anregen. Ganz andere Ursachen der Täuschung boten sich dem Heere Alexanders dar, welches über Hekatompylos (Damaghan) in die feuchten Waldungen des Mazenderan herabstieg und das caspische Meer bei Zadrakarta, etwas westlich von dem jetzigen Asterabad, sich endlos gegen Norden hindehnen sah. Dieser Anblick erzeugte, wie Plutarch in dem Leben Alexanders erzählt, zuerst die Vermuthung, das gesehene Meer sei ein Busen des Pontus. ⁵⁸ Die macedonische Expedition, im ganzen wohlthätig für die Fortschritte der Erdkunde, führte zu einzelnen Irrthümern, die sich lange erhalten haben. Der Tanais wurde mit dem Jaxartes (Herodots Araxes), der Kaukasus mit dem Paropanisus (Hindu-Kho) verwechselt. Ptolemäus konnte durch seinen Aufenthalt in Alexandrien sichere Nachrichten aus den Ländern, welche das caspische Meer zunächst umgrenzen (aus Albanien, Atropatene und Hyrcanien), wie von den Zügen der Aorser haben, deren Kameele indische und babylonische Waaren zum Don und zum schwarzen Meere führten ⁵⁹ . Wenn er, gegen Herodots richtigere Kenntniß, die große Axe des caspischen Binnenmeeres von Westen gegen Osten gerichtet

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/231>, abgerufen am 21.11.2024.