Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.scheint mir besonders erfreulich, daß er so oft und immer mit Vorliebe an den Einfluß erinnert, welchen die Natur auf die Gesittung und geistige Entwickelung der Menschheit ausgeübt hat. Nur die Anknüpfungspunkte sind selten glücklich gewählt (VII, 24-47; XXV, 2; XXVI, 1; XXXV, 2; XXXVI, 2-4; XXXVII, 1). Die Natur der Mineral- und Pflanzenstoffe z. B. führt zu einem Fragment aus der Geschichte der bildenden Künste, einem Fragmente, das für den heutigen Stand unseres Wissens freilich wichtiger geworden ist als fast alles, was wir von beschreibender Naturgeschichte aus dem Werke schöpfen können. Der Styl des Plinius hat mehr Geist und Leben als eigentliche Größe; er ist selten malerisch bezeichnend. Man fühlt, daß der Verfasser seine Eindrücke nicht aus der freien Natur, so viel er auch diese unter sehr verschiedenen Himmelsstrichen genossen, sondern aus Büchern geschöpft hat. Eine ernste, trübe Färbung ist über das Ganze ausgegossen. In diese sentimentale Stimmung ist Bitterkeit gemischt, so oft die Zustände des Menschengeschlechts und seine Bestimmung berührt werden. Fast wie in Cicero69, doch in minderer Einfachheit der Diction, wird dann als aufrichtend und tröstlich geschildert der Blick in das große Weltganze der Natur. Der Schluß der Historia naturalis des Plinius, des größten römischen Denkmals, welches der Litteratur des Mittelalters vererbt wurde, ist in dem ächten Geiste einer Weltbeschreibung abgefaßt. Er enthält, wie wir ihn erst seit 1831 kennen70, einen Blick auf die vergleichende Naturgeschichte der Länder in verschiedenen Zonen, das Lob des südlichen Europa's zwischen den natürlichen Gren- scheint mir besonders erfreulich, daß er so oft und immer mit Vorliebe an den Einfluß erinnert, welchen die Natur auf die Gesittung und geistige Entwickelung der Menschheit ausgeübt hat. Nur die Anknüpfungspunkte sind selten glücklich gewählt (VII, 24–47; XXV, 2; XXVI, 1; XXXV, 2; XXXVI, 2–4; XXXVII, 1). Die Natur der Mineral- und Pflanzenstoffe z. B. führt zu einem Fragment aus der Geschichte der bildenden Künste, einem Fragmente, das für den heutigen Stand unseres Wissens freilich wichtiger geworden ist als fast alles, was wir von beschreibender Naturgeschichte aus dem Werke schöpfen können. Der Styl des Plinius hat mehr Geist und Leben als eigentliche Größe; er ist selten malerisch bezeichnend. Man fühlt, daß der Verfasser seine Eindrücke nicht aus der freien Natur, so viel er auch diese unter sehr verschiedenen Himmelsstrichen genossen, sondern aus Büchern geschöpft hat. Eine ernste, trübe Färbung ist über das Ganze ausgegossen. In diese sentimentale Stimmung ist Bitterkeit gemischt, so oft die Zustände des Menschengeschlechts und seine Bestimmung berührt werden. Fast wie in Cicero69, doch in minderer Einfachheit der Diction, wird dann als aufrichtend und tröstlich geschildert der Blick in das große Weltganze der Natur. Der Schluß der Historia naturalis des Plinius, des größten römischen Denkmals, welches der Litteratur des Mittelalters vererbt wurde, ist in dem ächten Geiste einer Weltbeschreibung abgefaßt. Er enthält, wie wir ihn erst seit 1831 kennen70, einen Blick auf die vergleichende Naturgeschichte der Länder in verschiedenen Zonen, das Lob des südlichen Europa's zwischen den natürlichen Gren- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0238" n="233"/> scheint mir besonders erfreulich, daß er so oft und immer mit Vorliebe an den Einfluß erinnert, welchen die Natur auf die Gesittung und geistige Entwickelung der Menschheit ausgeübt hat. Nur die Anknüpfungspunkte sind selten glücklich gewählt (VII, 24–47; XXV, 2; XXVI, 1; XXXV, 2; XXXVI, 2–4; XXXVII, 1). Die Natur der Mineral- und Pflanzenstoffe z. B. führt zu einem Fragment aus der Geschichte der bildenden Künste, einem Fragmente, das für den heutigen Stand unseres Wissens freilich wichtiger geworden ist als fast alles, was wir von beschreibender Naturgeschichte aus dem Werke schöpfen können.</p> <p>Der Styl des Plinius hat mehr Geist und Leben als eigentliche Größe; er ist selten malerisch bezeichnend. Man fühlt, daß der Verfasser seine Eindrücke nicht aus der freien Natur, so viel er auch diese unter sehr verschiedenen Himmelsstrichen genossen, sondern aus Büchern geschöpft hat. Eine ernste, trübe Färbung ist über das Ganze ausgegossen. In diese sentimentale Stimmung ist Bitterkeit gemischt, so oft die Zustände des Menschengeschlechts und seine Bestimmung berührt werden. Fast wie in Cicero<note xml:id="ftn308" next="#ftn308-text" place="end" n="69"/>, doch in minderer Einfachheit der Diction, wird dann als aufrichtend und tröstlich geschildert der Blick in das große Weltganze der Natur.</p> <p>Der Schluß der <hi rendition="#g">Historia naturalis</hi> des Plinius, des größten römischen Denkmals, welches der Litteratur des Mittelalters vererbt wurde, ist in dem ächten Geiste einer Weltbeschreibung abgefaßt. Er enthält, wie wir ihn erst seit 1831 kennen<note xml:id="ftn309" next="#ftn309-text" place="end" n="70"/>, einen Blick auf die vergleichende Naturgeschichte der Länder in verschiedenen Zonen, das Lob des südlichen Europa's zwischen den natürlichen Gren- </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0238]
scheint mir besonders erfreulich, daß er so oft und immer mit Vorliebe an den Einfluß erinnert, welchen die Natur auf die Gesittung und geistige Entwickelung der Menschheit ausgeübt hat. Nur die Anknüpfungspunkte sind selten glücklich gewählt (VII, 24–47; XXV, 2; XXVI, 1; XXXV, 2; XXXVI, 2–4; XXXVII, 1). Die Natur der Mineral- und Pflanzenstoffe z. B. führt zu einem Fragment aus der Geschichte der bildenden Künste, einem Fragmente, das für den heutigen Stand unseres Wissens freilich wichtiger geworden ist als fast alles, was wir von beschreibender Naturgeschichte aus dem Werke schöpfen können.
Der Styl des Plinius hat mehr Geist und Leben als eigentliche Größe; er ist selten malerisch bezeichnend. Man fühlt, daß der Verfasser seine Eindrücke nicht aus der freien Natur, so viel er auch diese unter sehr verschiedenen Himmelsstrichen genossen, sondern aus Büchern geschöpft hat. Eine ernste, trübe Färbung ist über das Ganze ausgegossen. In diese sentimentale Stimmung ist Bitterkeit gemischt, so oft die Zustände des Menschengeschlechts und seine Bestimmung berührt werden. Fast wie in Cicero
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, doch in minderer Einfachheit der Diction, wird dann als aufrichtend und tröstlich geschildert der Blick in das große Weltganze der Natur.
Der Schluß der Historia naturalis des Plinius, des größten römischen Denkmals, welches der Litteratur des Mittelalters vererbt wurde, ist in dem ächten Geiste einer Weltbeschreibung abgefaßt. Er enthält, wie wir ihn erst seit 1831 kennen
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, einen Blick auf die vergleichende Naturgeschichte der Länder in verschiedenen Zonen, das Lob des südlichen Europa's zwischen den natürlichen Gren-
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