Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Momente um so schwieriger, als die menschliche Thätigkeit sich vielseitiger bewegt und als mit einer neuen Ordnung in den geselligen und staatlichen Verhältnissen auch ein engeres Band alle wissenschaftlichen Richtungen umschließt. In den einzelnen Disciplinen, deren Entwickelung eine Geschichte der physischen Wissenschaften darstellt, in der Chemie und der beschreibenden Botanik, ist es möglich bis in die neueste Zeit Perioden zu isoliren, in denen die Fortschritte am größten waren oder plötzlich neue Ansichten herrschend wurden; aber in der Geschichte der Weltanschauung, welche ihrem Wesen nach der Geschichte der einzelnen Disciplinen nur das entlehnen soll, was am unmittelbarsten sich auf die Erweiterung des Begriffs vom Kosmos als einem Naturganzen bezieht, wird das Anknüpfen an bestimmte Epochen schon darum gefahrvoll und unthunlich, weil das, was wir eben einen intellectuellen Entwickelungsproceß nannten, ein ununterbrochenes gleichzeitiges Fortschreiten in allen Sphären des kosmischen Wissens voraussetzt. An dem wichtigen Scheidepunkte angelangt, wo nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft ein neues, fremdartiges Element der Bildung sich offenbart, wo unser Continent dasselbe zum ersten Male unmittelbar aus einem Tropenlande empfängt, schien es mir nützlich einen allgemeinen, übersichtlichen Blick auf den Weg zu werfen, welcher noch zu durchlaufen übrig ist. Die Araber, ein semitischer Urstamm, verscheuchen theilweise die Barbarei, welche das von Völkerstürmen erschütterte Europa bereits seit zwei Jahrhunderten bedeckt hat. Sie führen zurück zu den ewigen Quellen griechischer Philosophie; sie tragen nicht bloß dazu bei die wissenschaft- Momente um so schwieriger, als die menschliche Thätigkeit sich vielseitiger bewegt und als mit einer neuen Ordnung in den geselligen und staatlichen Verhältnissen auch ein engeres Band alle wissenschaftlichen Richtungen umschließt. In den einzelnen Disciplinen, deren Entwickelung eine Geschichte der physischen Wissenschaften darstellt, in der Chemie und der beschreibenden Botanik, ist es möglich bis in die neueste Zeit Perioden zu isoliren, in denen die Fortschritte am größten waren oder plötzlich neue Ansichten herrschend wurden; aber in der Geschichte der Weltanschauung, welche ihrem Wesen nach der Geschichte der einzelnen Disciplinen nur das entlehnen soll, was am unmittelbarsten sich auf die Erweiterung des Begriffs vom Kosmos als einem Naturganzen bezieht, wird das Anknüpfen an bestimmte Epochen schon darum gefahrvoll und unthunlich, weil das, was wir eben einen intellectuellen Entwickelungsproceß nannten, ein ununterbrochenes gleichzeitiges Fortschreiten in allen Sphären des kosmischen Wissens voraussetzt. An dem wichtigen Scheidepunkte angelangt, wo nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft ein neues, fremdartiges Element der Bildung sich offenbart, wo unser Continent dasselbe zum ersten Male unmittelbar aus einem Tropenlande empfängt, schien es mir nützlich einen allgemeinen, übersichtlichen Blick auf den Weg zu werfen, welcher noch zu durchlaufen übrig ist. Die Araber, ein semitischer Urstamm, verscheuchen theilweise die Barbarei, welche das von Völkerstürmen erschütterte Europa bereits seit zwei Jahrhunderten bedeckt hat. Sie führen zurück zu den ewigen Quellen griechischer Philosophie; sie tragen nicht bloß dazu bei die wissenschaft- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0244" n="239"/> Momente um so schwieriger, als die menschliche Thätigkeit sich vielseitiger bewegt und als mit einer neuen Ordnung in den geselligen und staatlichen Verhältnissen auch ein engeres Band alle wissenschaftlichen Richtungen umschließt. 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An dem wichtigen Scheidepunkte angelangt, wo nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft ein neues, fremdartiges Element der Bildung sich offenbart, wo unser Continent dasselbe zum ersten Male unmittelbar aus einem Tropenlande empfängt, schien es mir nützlich einen allgemeinen, übersichtlichen Blick auf den Weg zu werfen, welcher noch zu durchlaufen übrig ist.</p> <p>Die Araber, ein semitischer Urstamm, verscheuchen theilweise die Barbarei, welche das von Völkerstürmen erschütterte Europa bereits seit zwei Jahrhunderten bedeckt hat. Sie führen zurück zu den ewigen Quellen griechischer Philosophie; sie tragen nicht bloß dazu bei die wissenschaft- </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0244]
Momente um so schwieriger, als die menschliche Thätigkeit sich vielseitiger bewegt und als mit einer neuen Ordnung in den geselligen und staatlichen Verhältnissen auch ein engeres Band alle wissenschaftlichen Richtungen umschließt. In den einzelnen Disciplinen, deren Entwickelung eine Geschichte der physischen Wissenschaften darstellt, in der Chemie und der beschreibenden Botanik, ist es möglich bis in die neueste Zeit Perioden zu isoliren, in denen die Fortschritte am größten waren oder plötzlich neue Ansichten herrschend wurden; aber in der Geschichte der Weltanschauung, welche ihrem Wesen nach der Geschichte der einzelnen Disciplinen nur das entlehnen soll, was am unmittelbarsten sich auf die Erweiterung des Begriffs vom Kosmos als einem Naturganzen bezieht, wird das Anknüpfen an bestimmte Epochen schon darum gefahrvoll und unthunlich, weil das, was wir eben einen intellectuellen Entwickelungsproceß nannten, ein ununterbrochenes gleichzeitiges Fortschreiten in allen Sphären des kosmischen Wissens voraussetzt. An dem wichtigen Scheidepunkte angelangt, wo nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft ein neues, fremdartiges Element der Bildung sich offenbart, wo unser Continent dasselbe zum ersten Male unmittelbar aus einem Tropenlande empfängt, schien es mir nützlich einen allgemeinen, übersichtlichen Blick auf den Weg zu werfen, welcher noch zu durchlaufen übrig ist.
Die Araber, ein semitischer Urstamm, verscheuchen theilweise die Barbarei, welche das von Völkerstürmen erschütterte Europa bereits seit zwei Jahrhunderten bedeckt hat. Sie führen zurück zu den ewigen Quellen griechischer Philosophie; sie tragen nicht bloß dazu bei die wissenschaft-
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