Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Verkehr mit gebildeteren Nachbarvölkern bei hochbegabten Stämmen hervorgerufen wird. Wie viele regenlose Gegenden des tropischen Amerika (Cumana, Coro, Payta) haben eine noch durchsichtigere Luft als Aegypten, Arabien und Bochara! Das tropische Klima, die ewige Heiterkeit des in Sternen und Nebelflecken prangenden Himmelsgewölbes wirken überall auf das Gemüth; doch folgereich, d. h. zu Ideen führend, zur Arbeit des Menschengeistes in Entwickelung mathematischer Gedanken, regen sie nur da an, wo andere, vom Klima ganz unabhängige, innere und äußere Antriebe einen Völkerstamm bewegen, wo z. B. die genaue Zeiteintheilung zur Befriedigung religiöser oder agronomischer Bedürfnisse eine Nothwendigkeit des geselligen Zustandes wird. Bei rechnenden Handelsvölkern (Phöniciern), bei construirenden, baulustigen, feldmessenden Nationen (Chaldäern und Aegyptern) werden früh empirische Regeln der Arithmetik und der Geometrie aufgefunden; aber alles dies kann nur die Entstehung mathematischer und astronomischer Wissenschaft vorbereiten. Erst bei höherer Cultur wird gesetzliche Regelmäßigkeit der Veränderungen am Himmel in den irdischen Erscheinungen wie reflectirt erkannt, auch in letzteren, laut dem Ausspruch unseres großen Dichters, nach dem "ruhenden Pole" geforscht. Die Ueberzeugung von dem Gesetzmäßigen in der Planetenbewegung hat unter allen Klimaten am meisten dazu beigetragen in dem wogenden Luftmeere, in den Oscillationen des Oceans, in dem periodischen Gange der Magnetnadel, in der Vertheilung des Organismus auf der Erdfläche Gesetz und Ordnung zu suchen. Die Araber erhielten indische Planetentafeln10 schon Verkehr mit gebildeteren Nachbarvölkern bei hochbegabten Stämmen hervorgerufen wird. Wie viele regenlose Gegenden des tropischen Amerika (Cumana, Coro, Payta) haben eine noch durchsichtigere Luft als Aegypten, Arabien und Bochara! Das tropische Klima, die ewige Heiterkeit des in Sternen und Nebelflecken prangenden Himmelsgewölbes wirken überall auf das Gemüth; doch folgereich, d. h. zu Ideen führend, zur Arbeit des Menschengeistes in Entwickelung mathematischer Gedanken, regen sie nur da an, wo andere, vom Klima ganz unabhängige, innere und äußere Antriebe einen Völkerstamm bewegen, wo z. B. die genaue Zeiteintheilung zur Befriedigung religiöser oder agronomischer Bedürfnisse eine Nothwendigkeit des geselligen Zustandes wird. Bei rechnenden Handelsvölkern (Phöniciern), bei construirenden, baulustigen, feldmessenden Nationen (Chaldäern und Aegyptern) werden früh empirische Regeln der Arithmetik und der Geometrie aufgefunden; aber alles dies kann nur die Entstehung mathematischer und astronomischer Wissenschaft vorbereiten. Erst bei höherer Cultur wird gesetzliche Regelmäßigkeit der Veränderungen am Himmel in den irdischen Erscheinungen wie reflectirt erkannt, auch in letzteren, laut dem Ausspruch unseres großen Dichters, nach dem „ruhenden Pole" geforscht. Die Ueberzeugung von dem Gesetzmäßigen in der Planetenbewegung hat unter allen Klimaten am meisten dazu beigetragen in dem wogenden Luftmeere, in den Oscillationen des Oceans, in dem periodischen Gange der Magnetnadel, in der Vertheilung des Organismus auf der Erdfläche Gesetz und Ordnung zu suchen. Die Araber erhielten indische Planetentafeln10 schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0264" n="259"/> Verkehr mit gebildeteren Nachbarvölkern bei hochbegabten Stämmen hervorgerufen wird. Wie viele regenlose Gegenden des tropischen Amerika (Cumana, Coro, Payta) haben eine noch durchsichtigere Luft als Aegypten, Arabien und Bochara! Das tropische Klima, die ewige Heiterkeit des in Sternen und Nebelflecken prangenden Himmelsgewölbes wirken überall auf das Gemüth; doch folgereich, d. h. zu Ideen führend, zur Arbeit des Menschengeistes in Entwickelung mathematischer Gedanken, regen sie nur da an, wo andere, vom Klima ganz unabhängige, innere und äußere Antriebe einen Völkerstamm bewegen, wo z. B. die genaue Zeiteintheilung zur Befriedigung religiöser oder agronomischer Bedürfnisse eine Nothwendigkeit des geselligen Zustandes wird. Bei rechnenden Handelsvölkern (Phöniciern), bei construirenden, baulustigen, feldmessenden Nationen (Chaldäern und Aegyptern) werden früh <hi rendition="#g">empirische Regeln</hi> der Arithmetik und der Geometrie aufgefunden; aber alles dies kann nur die Entstehung mathematischer und astronomischer <hi rendition="#g">Wissenschaft</hi> vorbereiten. Erst bei höherer Cultur wird gesetzliche Regelmäßigkeit der Veränderungen am Himmel in den irdischen Erscheinungen wie reflectirt erkannt, auch in letzteren, laut dem Ausspruch unseres großen Dichters, nach dem „ruhenden Pole" geforscht. Die Ueberzeugung von dem Gesetzmäßigen in der Planetenbewegung hat unter allen Klimaten am meisten dazu beigetragen in dem wogenden Luftmeere, in den Oscillationen des Oceans, in dem periodischen Gange der Magnetnadel, in der Vertheilung des Organismus auf der Erdfläche Gesetz und Ordnung zu suchen.</p> <p>Die Araber erhielten indische Planetentafeln<note xml:id="ftn349" next="ftn349-text" place="end" n="10"/> schon </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [259/0264]
Verkehr mit gebildeteren Nachbarvölkern bei hochbegabten Stämmen hervorgerufen wird. Wie viele regenlose Gegenden des tropischen Amerika (Cumana, Coro, Payta) haben eine noch durchsichtigere Luft als Aegypten, Arabien und Bochara! Das tropische Klima, die ewige Heiterkeit des in Sternen und Nebelflecken prangenden Himmelsgewölbes wirken überall auf das Gemüth; doch folgereich, d. h. zu Ideen führend, zur Arbeit des Menschengeistes in Entwickelung mathematischer Gedanken, regen sie nur da an, wo andere, vom Klima ganz unabhängige, innere und äußere Antriebe einen Völkerstamm bewegen, wo z. B. die genaue Zeiteintheilung zur Befriedigung religiöser oder agronomischer Bedürfnisse eine Nothwendigkeit des geselligen Zustandes wird. Bei rechnenden Handelsvölkern (Phöniciern), bei construirenden, baulustigen, feldmessenden Nationen (Chaldäern und Aegyptern) werden früh empirische Regeln der Arithmetik und der Geometrie aufgefunden; aber alles dies kann nur die Entstehung mathematischer und astronomischer Wissenschaft vorbereiten. Erst bei höherer Cultur wird gesetzliche Regelmäßigkeit der Veränderungen am Himmel in den irdischen Erscheinungen wie reflectirt erkannt, auch in letzteren, laut dem Ausspruch unseres großen Dichters, nach dem „ruhenden Pole" geforscht. Die Ueberzeugung von dem Gesetzmäßigen in der Planetenbewegung hat unter allen Klimaten am meisten dazu beigetragen in dem wogenden Luftmeere, in den Oscillationen des Oceans, in dem periodischen Gange der Magnetnadel, in der Vertheilung des Organismus auf der Erdfläche Gesetz und Ordnung zu suchen.
Die Araber erhielten indische Planetentafeln
¹⁰
schon
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/264 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/264>, abgerufen am 16.07.2024. |