Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.erschien damals nur noch wie eine Fortsetzung des Sinus magnus (megas kolpas) des Ptolemäus, dem der goldene Chersones vorlag, während sein östliches Ufer Cattigara und das Land der Sinen (Thinen) bilden sollte. Hipparchs phantastische Hypothese, nach welcher diese östliche Küste des Großen Busens sich an den gegen Morgen weit vorgestreckten Theil des afrikanischen Continents79 anschloß und so aus dem indischen Meere ein gesperrtes Binnenmeer machte, war glücklicherweise im Mittelalter, trotz der Anhänglichkeit an die Aussprüche des Ptolemäus, wenig beachtet worden; sie würde gewiß auf die Richtung großer nautischer Unternehmungen einen nachtheiligen Einfluß ausgeübt haben. Die Entdeckung und Beschiffung der Südsee bezeichnen für die Erkenntniß großer kosmischer Verhältnisse eine um so wichtigere Epoche, als durch dieselben zuerst und also vor kaum viertehalb hundert Jahren nicht bloß die Gestaltung der Westküste des Neuen und der Ostküste des Alten Continents bestimmt wurde, sondern weil auch, was meteorologisch noch weit folgereicher wurde, die numerische Größenvergleichung der Areale des Festen und Flüssigen auf der Oberfläche unseres Planeten nun endlich von den irrigsten Ansichten befreit zu werden anfing. Durch die Größe dieser Areale, durch die relative Vertheilung des Festen und Flüssigen werden aber der Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre, der wechselnde Luftdruck, die Vegetationskraft der Pflanzendecke, die größere oder geringere Verbreitung gewisser Thiergeschlechter und so viele andere allgemeine Erscheinungen und physische Processe mächtig bedingt. Der größere Flächenraum, welcher dem Flüssigen, als dem das Feste bedeckenden erschien damals nur noch wie eine Fortsetzung des Sinus magnus (μέγας κόλπας) des Ptolemäus, dem der goldene Chersones vorlag, während sein östliches Ufer Cattigara und das Land der Sinen (Thinen) bilden sollte. Hipparchs phantastische Hypothese, nach welcher diese östliche Küste des Großen Busens sich an den gegen Morgen weit vorgestreckten Theil des afrikanischen Continents79 anschloß und so aus dem indischen Meere ein gesperrtes Binnenmeer machte, war glücklicherweise im Mittelalter, trotz der Anhänglichkeit an die Aussprüche des Ptolemäus, wenig beachtet worden; sie würde gewiß auf die Richtung großer nautischer Unternehmungen einen nachtheiligen Einfluß ausgeübt haben. Die Entdeckung und Beschiffung der Südsee bezeichnen für die Erkenntniß großer kosmischer Verhältnisse eine um so wichtigere Epoche, als durch dieselben zuerst und also vor kaum viertehalb hundert Jahren nicht bloß die Gestaltung der Westküste des Neuen und der Ostküste des Alten Continents bestimmt wurde, sondern weil auch, was meteorologisch noch weit folgereicher wurde, die numerische Größenvergleichung der Areale des Festen und Flüssigen auf der Oberfläche unseres Planeten nun endlich von den irrigsten Ansichten befreit zu werden anfing. Durch die Größe dieser Areale, durch die relative Vertheilung des Festen und Flüssigen werden aber der Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre, der wechselnde Luftdruck, die Vegetationskraft der Pflanzendecke, die größere oder geringere Verbreitung gewisser Thiergeschlechter und so viele andere allgemeine Erscheinungen und physische Processe mächtig bedingt. 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erschien damals nur noch wie eine Fortsetzung des Sinus magnus (μέγας κόλπας) des Ptolemäus, dem der goldene Chersones vorlag, während sein östliches Ufer Cattigara und das Land der Sinen (Thinen) bilden sollte. Hipparchs phantastische Hypothese, nach welcher diese östliche Küste des Großen Busens sich an den gegen Morgen weit vorgestreckten Theil des afrikanischen Continents
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anschloß und so aus dem indischen Meere ein gesperrtes Binnenmeer machte, war glücklicherweise im Mittelalter, trotz der Anhänglichkeit an die Aussprüche des Ptolemäus, wenig beachtet worden; sie würde gewiß auf die Richtung großer nautischer Unternehmungen einen nachtheiligen Einfluß ausgeübt haben.
Die Entdeckung und Beschiffung der Südsee bezeichnen für die Erkenntniß großer kosmischer Verhältnisse eine um so wichtigere Epoche, als durch dieselben zuerst und also vor kaum viertehalb hundert Jahren nicht bloß die Gestaltung der Westküste des Neuen und der Ostküste des Alten Continents bestimmt wurde, sondern weil auch, was meteorologisch noch weit folgereicher wurde, die numerische Größenvergleichung der Areale des Festen und Flüssigen auf der Oberfläche unseres Planeten nun endlich von den irrigsten Ansichten befreit zu werden anfing. Durch die Größe dieser Areale, durch die relative Vertheilung des Festen und Flüssigen werden aber der Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre, der wechselnde Luftdruck, die Vegetationskraft der Pflanzendecke, die größere oder geringere Verbreitung gewisser Thiergeschlechter und so viele andere allgemeine Erscheinungen und physische Processe mächtig bedingt. Der größere Flächenraum, welcher dem Flüssigen, als dem das Feste bedeckenden
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