Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

auffallendsten Contraste der vegetabilischen Organisation und der Klimate sich ihren Blicken dargestellt hatten. Wenn ich mich hier wieder veranlaßt finde die begeistigenden Vorzüge der Gebirgsländer in der Aequinoctial-Zone besonders hervorzuheben, so kann mich der schon mehrfach wiederholte Ausspruch rechtfertigen, daß es den Bewohnern dieser Länder allein verliehen ist alle Gestirne der Himmelsräume wie fast alle Familien-Gestaltungen der Pflanzenwelt zu schauen; aber schauen ist nicht beobachten, d. h. vergleichend combiniren.

Wenn sich auch in Columbus, wie ich in einem anderen Werke glaube bewiesen zu haben, bei völligem Mangel naturhistorischer Vorkenntnisse, bloß durch den Contact mit großen Naturphänomenen der Sinn für genaue Beobachtung auf mannigfaltige Weise entwickelte, so darf man keinesweges eine ähnliche Entwickelung in der rohen und kriegerischen Masse der Conquistadoren voraussetzen. Was Europa unbestreitbar durch die Entdeckung von Amerika als Bereicherung seines naturhistorischen und physikalischen Wissens über die Constitution des Luftkreises und seine Wirkungen auf die menschliche Organisation, über die Vertheilung der Klimate am Abhange der Cordilleren, über die Höhe des ewigen Schnees nach Maaßgabe der verschiedenen Breitengrade in beiden Hemisphären, über die Reihefolge der Vulkane, die Begrenzung der Erschütterungskreise bei Erdbeben, die Gesetze des Magnetismus, die Richtung der Meeresströme, die Abstufungen neuer Thier- und Pflanzenformen allmälig erlangt hat: verdankt es einer anderen, friedsameren Classe von Reisenden, einer geringen Zahl ausgezeichneter Männer unter den Municipal-Beamten,

auffallendsten Contraste der vegetabilischen Organisation und der Klimate sich ihren Blicken dargestellt hatten. Wenn ich mich hier wieder veranlaßt finde die begeistigenden Vorzüge der Gebirgsländer in der Aequinoctial-Zone besonders hervorzuheben, so kann mich der schon mehrfach wiederholte Ausspruch rechtfertigen, daß es den Bewohnern dieser Länder allein verliehen ist alle Gestirne der Himmelsräume wie fast alle Familien-Gestaltungen der Pflanzenwelt zu schauen; aber schauen ist nicht beobachten, d. h. vergleichend combiniren.

Wenn sich auch in Columbus, wie ich in einem anderen Werke glaube bewiesen zu haben, bei völligem Mangel naturhistorischer Vorkenntnisse, bloß durch den Contact mit großen Naturphänomenen der Sinn für genaue Beobachtung auf mannigfaltige Weise entwickelte, so darf man keinesweges eine ähnliche Entwickelung in der rohen und kriegerischen Masse der Conquistadoren voraussetzen. Was Europa unbestreitbar durch die Entdeckung von Amerika als Bereicherung seines naturhistorischen und physikalischen Wissens über die Constitution des Luftkreises und seine Wirkungen auf die menschliche Organisation, über die Vertheilung der Klimate am Abhange der Cordilleren, über die Höhe des ewigen Schnees nach Maaßgabe der verschiedenen Breitengrade in beiden Hemisphären, über die Reihefolge der Vulkane, die Begrenzung der Erschütterungskreise bei Erdbeben, die Gesetze des Magnetismus, die Richtung der Meeresströme, die Abstufungen neuer Thier- und Pflanzenformen allmälig erlangt hat: verdankt es einer anderen, friedsameren Classe von Reisenden, einer geringen Zahl ausgezeichneter Männer unter den Municipal-Beamten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0318" n="313"/>
auffallendsten Contraste der vegetabilischen Organisation und der Klimate sich ihren Blicken dargestellt hatten. Wenn ich mich hier wieder veranlaßt finde die begeistigenden Vorzüge der Gebirgsländer in der Aequinoctial-Zone besonders hervorzuheben, so kann mich der schon mehrfach wiederholte Ausspruch rechtfertigen, daß es den Bewohnern dieser Länder allein verliehen ist alle Gestirne der Himmelsräume wie fast alle Familien-Gestaltungen der Pflanzenwelt zu schauen; aber schauen ist nicht beobachten, d. h. vergleichend combiniren.</p>
              <p>Wenn sich auch in Columbus, wie ich in einem anderen Werke glaube bewiesen zu haben, bei <hi rendition="#g">völligem</hi> Mangel naturhistorischer Vorkenntnisse, bloß durch den Contact mit großen Naturphänomenen der Sinn für genaue Beobachtung auf mannigfaltige Weise entwickelte, so darf man keinesweges eine ähnliche Entwickelung in der rohen und kriegerischen Masse der <hi rendition="#g">Conquistadoren</hi> voraussetzen. Was Europa unbestreitbar durch die Entdeckung von Amerika als Bereicherung seines naturhistorischen und physikalischen Wissens über die Constitution des Luftkreises und seine Wirkungen auf die menschliche Organisation, über die Vertheilung der Klimate am Abhange der Cordilleren, über die Höhe des ewigen Schnees nach Maaßgabe der verschiedenen Breitengrade in beiden Hemisphären, über die Reihefolge der Vulkane, die Begrenzung der Erschütterungskreise bei Erdbeben, die Gesetze des Magnetismus, die Richtung der Meeresströme, die Abstufungen neuer Thier- und Pflanzenformen allmälig erlangt hat: verdankt es einer anderen, friedsameren Classe von Reisenden, einer geringen Zahl ausgezeichneter Männer unter den Municipal-Beamten,
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[313/0318] auffallendsten Contraste der vegetabilischen Organisation und der Klimate sich ihren Blicken dargestellt hatten. Wenn ich mich hier wieder veranlaßt finde die begeistigenden Vorzüge der Gebirgsländer in der Aequinoctial-Zone besonders hervorzuheben, so kann mich der schon mehrfach wiederholte Ausspruch rechtfertigen, daß es den Bewohnern dieser Länder allein verliehen ist alle Gestirne der Himmelsräume wie fast alle Familien-Gestaltungen der Pflanzenwelt zu schauen; aber schauen ist nicht beobachten, d. h. vergleichend combiniren. Wenn sich auch in Columbus, wie ich in einem anderen Werke glaube bewiesen zu haben, bei völligem Mangel naturhistorischer Vorkenntnisse, bloß durch den Contact mit großen Naturphänomenen der Sinn für genaue Beobachtung auf mannigfaltige Weise entwickelte, so darf man keinesweges eine ähnliche Entwickelung in der rohen und kriegerischen Masse der Conquistadoren voraussetzen. Was Europa unbestreitbar durch die Entdeckung von Amerika als Bereicherung seines naturhistorischen und physikalischen Wissens über die Constitution des Luftkreises und seine Wirkungen auf die menschliche Organisation, über die Vertheilung der Klimate am Abhange der Cordilleren, über die Höhe des ewigen Schnees nach Maaßgabe der verschiedenen Breitengrade in beiden Hemisphären, über die Reihefolge der Vulkane, die Begrenzung der Erschütterungskreise bei Erdbeben, die Gesetze des Magnetismus, die Richtung der Meeresströme, die Abstufungen neuer Thier- und Pflanzenformen allmälig erlangt hat: verdankt es einer anderen, friedsameren Classe von Reisenden, einer geringen Zahl ausgezeichneter Männer unter den Municipal-Beamten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/318
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/318>, abgerufen am 24.11.2024.