Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.der physischen Astronomie (durch das aufgefundene Satelliten-System des Jupiter und die Phasen der Venus) bekräftigt und erweitert, haben die Grundansichten des Copernicus der theoretischen Astronomie Wege vorgezeichnet, die zu sicherem Ziele führen mußten, ja zur Lösung von Problemen anregten, welche die Vervollkommnung des analytischen Calcüls nothwendig machten. So wie Georg Peurbach und Regiomontanus (Johann Müller aus Königsberg in Franken) wohlthätig einwirken auf Copernicus und seine Schüler Rhäticus, Reinhold und Möstlin, so wirken diese, wenn gleich der Zeit nach getrennter, auf die Arbeiten von Kepler, Galilei und Newton. Dies ist die ideelle Verkettung zwischen dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert; und man kann die erweiterte astronomische Weltansicht in diesem nicht schildern, ohne die Anregungen zu berühren, welche aus jenem überströmen. Es ist eine irrige und leider! noch in neuerer Zeit23 sehr verbreitete Meinung, daß Copernicus aus Furchtsamkeit und in der Besorgniß priesterlicher Verfolgung die planetarische Bewegung der Erde und die Stellung der Sonne im Centrum des ganzen Planetensystems als eine bloße Hypothese vorgetragen habe, welche den astronomischen Zweck erfülle die Bahn der Himmelskörper bequem der Rechnung zu unterwerfen, "aber weder wahr, noch auch nur wahrscheinlich zu sein brauche". Allerdings liest man diese seltsamen Worte24 in dem anonymen Vorbericht, mit dem des Copernicus Werk anhebt und der de Hypothesibus hujus operis überschrieben ist; sie enthalten aber Aeußerungen, welche, dem Copernicus ganz fremd, in geradem Widerspruch mit seiner Zueignung an den Pabst Paul III der physischen Astronomie (durch das aufgefundene Satelliten-System des Jupiter und die Phasen der Venus) bekräftigt und erweitert, haben die Grundansichten des Copernicus der theoretischen Astronomie Wege vorgezeichnet, die zu sicherem Ziele führen mußten, ja zur Lösung von Problemen anregten, welche die Vervollkommnung des analytischen Calcüls nothwendig machten. So wie Georg Peurbach und Regiomontanus (Johann Müller aus Königsberg in Franken) wohlthätig einwirken auf Copernicus und seine Schüler Rhäticus, Reinhold und Möstlin, so wirken diese, wenn gleich der Zeit nach getrennter, auf die Arbeiten von Kepler, Galilei und Newton. Dies ist die ideelle Verkettung zwischen dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert; und man kann die erweiterte astronomische Weltansicht in diesem nicht schildern, ohne die Anregungen zu berühren, welche aus jenem überströmen. Es ist eine irrige und leider! noch in neuerer Zeit23 sehr verbreitete Meinung, daß Copernicus aus Furchtsamkeit und in der Besorgniß priesterlicher Verfolgung die planetarische Bewegung der Erde und die Stellung der Sonne im Centrum des ganzen Planetensystems als eine bloße Hypothese vorgetragen habe, welche den astronomischen Zweck erfülle die Bahn der Himmelskörper bequem der Rechnung zu unterwerfen, „aber weder wahr, noch auch nur wahrscheinlich zu sein brauche". Allerdings liest man diese seltsamen Worte24 in dem anonymen Vorbericht, mit dem des Copernicus Werk anhebt und der de Hypothesibus hujus operis überschrieben ist; sie enthalten aber Aeußerungen, welche, dem Copernicus ganz fremd, in geradem Widerspruch mit seiner Zueignung an den Pabst Paul III <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0350" n="345"/> der <hi rendition="#g">physischen Astronomie</hi> (durch das aufgefundene Satelliten-System des Jupiter und die Phasen der Venus) bekräftigt und erweitert, haben die Grundansichten des Copernicus der <hi rendition="#g">theoretischen Astronomie</hi> Wege vorgezeichnet, die zu sicherem Ziele führen mußten, ja zur Lösung von Problemen anregten, welche die Vervollkommnung des analytischen Calcüls nothwendig machten. 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der physischen Astronomie (durch das aufgefundene Satelliten-System des Jupiter und die Phasen der Venus) bekräftigt und erweitert, haben die Grundansichten des Copernicus der theoretischen Astronomie Wege vorgezeichnet, die zu sicherem Ziele führen mußten, ja zur Lösung von Problemen anregten, welche die Vervollkommnung des analytischen Calcüls nothwendig machten. So wie Georg Peurbach und Regiomontanus (Johann Müller aus Königsberg in Franken) wohlthätig einwirken auf Copernicus und seine Schüler Rhäticus, Reinhold und Möstlin, so wirken diese, wenn gleich der Zeit nach getrennter, auf die Arbeiten von Kepler, Galilei und Newton. Dies ist die ideelle Verkettung zwischen dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert; und man kann die erweiterte astronomische Weltansicht in diesem nicht schildern, ohne die Anregungen zu berühren, welche aus jenem überströmen.
Es ist eine irrige und leider! noch in neuerer Zeit
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sehr verbreitete Meinung, daß Copernicus aus Furchtsamkeit und in der Besorgniß priesterlicher Verfolgung die planetarische Bewegung der Erde und die Stellung der Sonne im Centrum des ganzen Planetensystems als eine bloße Hypothese vorgetragen habe, welche den astronomischen Zweck erfülle die Bahn der Himmelskörper bequem der Rechnung zu unterwerfen, „aber weder wahr, noch auch nur wahrscheinlich zu sein brauche". Allerdings liest man diese seltsamen Worte
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in dem anonymen Vorbericht, mit dem des Copernicus Werk anhebt und der de Hypothesibus hujus operis überschrieben ist; sie enthalten aber Aeußerungen, welche, dem Copernicus ganz fremd, in geradem Widerspruch mit seiner Zueignung an den Pabst Paul III
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