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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Erde.30 Was Copernicus ahndete, Kepler aber in seinem herrlichen Werke de Stella Martis deutlicher aussprach, dort selbst31 auf die Ebbe und Fluth des Oceans anwandte, findet man neu belebt und reich befruchtet (1666 und 1674) durch den Scharfsinn des geistreichen Robert Hooke. Nach solchen Vorbereitungen bot Newton's Lehre von der Gravitation das großartige Mittel dar die ganze physische Astronomie in eine Mechanik des Himmels zu verwandeln.32

Copernicus kannte, wie man nicht bloß aus der Zueignung an den Pabst, sondern in mehreren Stellen des Werkes selbst sieht, ziemlich vollständig die Vorstellungen der Alten vom Weltbau. Er nennt indeß aus der vorhipparchischen Zeit nur Hicetas aus Syracus, den er immer als Nicetas aufführt, Philolaus den Pythagoreer, den Timäus des Plato, Ecphantus, Heraclides den Pontiker und den großen Geometer Apollonius von Perga. Von den beiden seinem Systeme am nächsten stehenden Mathematikern, dem Aristarch von Samos und Seleucus dem Babylonier33, erwähnt er den ersteren ohne alle Bezeichnung und den zweiten gar nicht. Man hat oft behauptet, er habe die Meinung des Aristarch von Samos von der Centralsonne und der planetarischen Erde darum nicht gekannt, weil der Arenarius und alle Werke des Archimedes erst ein Jahr nach seinem Tode, ein volles Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst, erschienen seien; aber man vergißt, daß Copernicus in der Zueignung an den Pabst Paul III eine lange Stelle über Philolaus, Ecphantus und Heraclides vom Pontus aus des Plutarchus Werke über die Meinungen der Philosophen (III, 13)

Erde.30 Was Copernicus ahndete, Kepler aber in seinem herrlichen Werke de Stella Martis deutlicher aussprach, dort selbst31 auf die Ebbe und Fluth des Oceans anwandte, findet man neu belebt und reich befruchtet (1666 und 1674) durch den Scharfsinn des geistreichen Robert Hooke. Nach solchen Vorbereitungen bot Newton's Lehre von der Gravitation das großartige Mittel dar die ganze physische Astronomie in eine Mechanik des Himmels zu verwandeln.32

Copernicus kannte, wie man nicht bloß aus der Zueignung an den Pabst, sondern in mehreren Stellen des Werkes selbst sieht, ziemlich vollständig die Vorstellungen der Alten vom Weltbau. Er nennt indeß aus der vorhipparchischen Zeit nur Hicetas aus Syracus, den er immer als Nicetas aufführt, Philolaus den Pythagoreer, den Timäus des Plato, Ecphantus, Heraclides den Pontiker und den großen Geometer Apollonius von Perga. Von den beiden seinem Systeme am nächsten stehenden Mathematikern, dem Aristarch von Samos und Seleucus dem Babylonier33, erwähnt er den ersteren ohne alle Bezeichnung und den zweiten gar nicht. Man hat oft behauptet, er habe die Meinung des Aristarch von Samos von der Centralsonne und der planetarischen Erde darum nicht gekannt, weil der Arenarius und alle Werke des Archimedes erst ein Jahr nach seinem Tode, ein volles Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst, erschienen seien; aber man vergißt, daß Copernicus in der Zueignung an den Pabst Paul III eine lange Stelle über Philolaus, Ecphantus und Heraclides vom Pontus aus des Plutarchus Werke über die Meinungen der Philosophen (III, 13)

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[349/0354] Erde. ³⁰ Was Copernicus ahndete, Kepler aber in seinem herrlichen Werke de Stella Martis deutlicher aussprach, dort selbst ³¹ auf die Ebbe und Fluth des Oceans anwandte, findet man neu belebt und reich befruchtet (1666 und 1674) durch den Scharfsinn des geistreichen Robert Hooke. Nach solchen Vorbereitungen bot Newton's Lehre von der Gravitation das großartige Mittel dar die ganze physische Astronomie in eine Mechanik des Himmels zu verwandeln. ³² Copernicus kannte, wie man nicht bloß aus der Zueignung an den Pabst, sondern in mehreren Stellen des Werkes selbst sieht, ziemlich vollständig die Vorstellungen der Alten vom Weltbau. Er nennt indeß aus der vorhipparchischen Zeit nur Hicetas aus Syracus, den er immer als Nicetas aufführt, Philolaus den Pythagoreer, den Timäus des Plato, Ecphantus, Heraclides den Pontiker und den großen Geometer Apollonius von Perga. Von den beiden seinem Systeme am nächsten stehenden Mathematikern, dem Aristarch von Samos und Seleucus dem Babylonier ³³ , erwähnt er den ersteren ohne alle Bezeichnung und den zweiten gar nicht. Man hat oft behauptet, er habe die Meinung des Aristarch von Samos von der Centralsonne und der planetarischen Erde darum nicht gekannt, weil der Arenarius und alle Werke des Archimedes erst ein Jahr nach seinem Tode, ein volles Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst, erschienen seien; aber man vergißt, daß Copernicus in der Zueignung an den Pabst Paul III eine lange Stelle über Philolaus, Ecphantus und Heraclides vom Pontus aus des Plutarchus Werke über die Meinungen der Philosophen (III, 13)

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/354>, abgerufen am 24.11.2024.