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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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52 (S. 290.) S. die Beweise in meinem Examen crit. T. II. p. 316-320. Josafat Barbaro (1436) und Ghislin von Busbeck (1555) fanden noch zwischen Tana (Asow), Caffa und dem Erdil (der Wolga) Alanen und deutsch redende gothische Stämme (Ramusio, delle Navigationi et Viaggi Vol. II. p. 92,b und 98,a). Roger Bacon nennt Rubruquis immer nur frater Willielmus, quem dominus Rex Franciae misit ad Tartaros.
53 (S. 290.) Das große und herrliche Werk des Marco Polo (Il Milione di Messer Marco Polo), wie wir es in der correcten Ausgabe des Grafen Baldelli besitzen, wird fälschlich eine Reise genannt; es ist größtentheils ein beschreibendes, man möchte sagen statistisches Werk: in welchem schwer zu unterscheiden ist, was der Reisende selbst gesehen, was er von Anderen erfahren oder aus topographischen Beschreibungen, an denen die chinesische Litteratur so reich ist und die ihm durch seinen persischen Dolmetscher zugänglich werden konnten, geschöpft habe. Die auffallende Aehnlichkeit des Reiseberichts von Hiuan-thsang, dem buddhistischen Pilger des siebenten Jahrhunderts, mit dem, was Marco Polo von dem Pamir-Hochlande 1277 erfahren, hatte früh meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Der der asiatischen Sprachkunde leider so früh entzogene Jacquet, der sich, wie Klaproth und ich, lange mit dem venetianischen Reisenden beschäftigt hatte, schrieb mir kurz vor seinem Tode: Je suis frappe comme Vous de la forme de redaction litteraire du Milione. Le fond appartient sans doute a l'observation directe et personnelle du voyageur, mais il a probablement employe des documents qui lui ont ete communiques soit officiellement, soit en particulier. Bien des choses paraissent avoir ete empruntees a des livres chinois et mongols, bien que ces influences sur la composition du Milione soient difficiles a reconnaeitre dans les traductions successives sur lesquelles Polo aura fonde ses extraits. Eben so sehr als die neueren Reisenden sich nur zu gern mit ihrer Person beschäftigen, ist dagegen Marco Polo bemüht seine eigenen Beobachtungen mit den ihm mitgetheilten officiellen Angaben, deren er, als Gouverneur der Stadt Yangui, viele haben konnte, zu vermengen. (S. meine Asie centrale T. II. p. 395.) Die compilirende Methode des berühmten Reisenden macht auch begreiflich, daß er im Gefängniß in Genua 1295 wie im Angesicht vorliegender Documente
52 (S. 290.) S. die Beweise in meinem Examen crit. T. II. p. 316–320. Josafat Barbaro (1436) und Ghislin von Busbeck (1555) fanden noch zwischen Tana (Asow), Caffa und dem Erdil (der Wolga) Alanen und deutsch redende gothische Stämme (Ramusio, delle Navigationi et Viaggi Vol. II. p. 92,b und 98,a). Roger Bacon nennt Rubruquis immer nur frater Willielmus, quem dominus Rex Franciae misit ad Tartaros.
53 (S. 290.) Das große und herrliche Werk des Marco Polo (Il Milione di Messer Marco Polo), wie wir es in der correcten Ausgabe des Grafen Baldelli besitzen, wird fälschlich eine Reise genannt; es ist größtentheils ein beschreibendes, man möchte sagen statistisches Werk: in welchem schwer zu unterscheiden ist, was der Reisende selbst gesehen, was er von Anderen erfahren oder aus topographischen Beschreibungen, an denen die chinesische Litteratur so reich ist und die ihm durch seinen persischen Dolmetscher zugänglich werden konnten, geschöpft habe. Die auffallende Aehnlichkeit des Reiseberichts von Hiuan-thsang, dem buddhistischen Pilger des siebenten Jahrhunderts, mit dem, was Marco Polo von dem Pamir-Hochlande 1277 erfahren, hatte früh meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Der der asiatischen Sprachkunde leider so früh entzogene Jacquet, der sich, wie Klaproth und ich, lange mit dem venetianischen Reisenden beschäftigt hatte, schrieb mir kurz vor seinem Tode: Je suis frappé comme Vous de la forme de rédaction littéraire du Milione. Le fond appartient sans doute à l'observation directe et personnelle du voyageur, mais il a probablement employé des documents qui lui ont été communiqués soit officiellement, soit en particulier. Bien des choses paraissent avoir été empruntées à des livres chinois et mongols, bien que ces influences sur la composition du Milione soient difficiles à reconnaître dans les traductions successives sur lesquelles Polo aura fondé ses extraits. Eben so sehr als die neueren Reisenden sich nur zu gern mit ihrer Person beschäftigen, ist dagegen Marco Polo bemüht seine eigenen Beobachtungen mit den ihm mitgetheilten officiellen Angaben, deren er, als Gouverneur der Stadt Yangui, viele haben konnte, zu vermengen. (S. meine Asie centrale T. II. p. 395.) Die compilirende Methode des berühmten Reisenden macht auch begreiflich, daß er im Gefängniß in Genua 1295 wie im Angesicht vorliegender Documente
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[466/0471] ⁵² (S. 290.) S. die Beweise in meinem Examen crit. T. II. p. 316–320. Josafat Barbaro (1436) und Ghislin von Busbeck (1555) fanden noch zwischen Tana (Asow), Caffa und dem Erdil (der Wolga) Alanen und deutsch redende gothische Stämme (Ramusio, delle Navigationi et Viaggi Vol. II. p. 92,b und 98,a). Roger Bacon nennt Rubruquis immer nur frater Willielmus, quem dominus Rex Franciae misit ad Tartaros. ⁵³ (S. 290.) Das große und herrliche Werk des Marco Polo (Il Milione di Messer Marco Polo), wie wir es in der correcten Ausgabe des Grafen Baldelli besitzen, wird fälschlich eine Reise genannt; es ist größtentheils ein beschreibendes, man möchte sagen statistisches Werk: in welchem schwer zu unterscheiden ist, was der Reisende selbst gesehen, was er von Anderen erfahren oder aus topographischen Beschreibungen, an denen die chinesische Litteratur so reich ist und die ihm durch seinen persischen Dolmetscher zugänglich werden konnten, geschöpft habe. Die auffallende Aehnlichkeit des Reiseberichts von Hiuan-thsang, dem buddhistischen Pilger des siebenten Jahrhunderts, mit dem, was Marco Polo von dem Pamir-Hochlande 1277 erfahren, hatte früh meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Der der asiatischen Sprachkunde leider so früh entzogene Jacquet, der sich, wie Klaproth und ich, lange mit dem venetianischen Reisenden beschäftigt hatte, schrieb mir kurz vor seinem Tode: Je suis frappé comme Vous de la forme de rédaction littéraire du Milione. Le fond appartient sans doute à l'observation directe et personnelle du voyageur, mais il a probablement employé des documents qui lui ont été communiqués soit officiellement, soit en particulier. Bien des choses paraissent avoir été empruntées à des livres chinois et mongols, bien que ces influences sur la composition du Milione soient difficiles à reconnaître dans les traductions successives sur lesquelles Polo aura fondé ses extraits. Eben so sehr als die neueren Reisenden sich nur zu gern mit ihrer Person beschäftigen, ist dagegen Marco Polo bemüht seine eigenen Beobachtungen mit den ihm mitgetheilten officiellen Angaben, deren er, als Gouverneur der Stadt Yangui, viele haben konnte, zu vermengen. (S. meine Asie centrale T. II. p. 395.) Die compilirende Methode des berühmten Reisenden macht auch begreiflich, daß er im Gefängniß in Genua 1295 wie im Angesicht vorliegender Documente

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/471>, abgerufen am 22.11.2024.