Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.durch den Anblick einer reich geschmückten erotischen Natur, Eindrücke zurückließ, deren Lebendigkeit sich nach Jahrhunderten noch, in den Werken hochbegabter Schriftsteller, offenbart; so wirkte zum zweiten Male, und selbst in einem höheren Maaßstabe als die Kreuzzüge, auf die westlichen Völker die Entdeckung von Amerika. Die Tropenwelt mit der ganzen Ueppigkeit ihrer Vegetation in der Ebene, mit allen Abstufungen des Organismus am Abhange der Cordilleren, mit allen Anklängen nördlicher Klimate in den bewohnten Hochebenen von Mexico, Neu-Granada und Quito wurde nun zuerst den Europäern eröffnet. Die Phantasie, ohne deren Anregung kein wahrhaft großes Werk der Menschheit gedeihen kann, gab den Naturschilderungen von Columbus und Vespucci einen eigenthümlichen Reiz. Den letzteren charakterisirt in der Beschreibung der brasilischen Küste eine genaue Bekanntschaft mit den Dichtern alter und neuer Zeit; jenen in der Beschreibung des milden Himmels von Paria und der (wie er wähnt) dem östlichen Paradiese entströmenden Wassermenge des Orinoco eine ernste religiöse Stimmung. Bei zunehmendem Alter, beim Ankämpfen gegen ungerechte Verfolgung ging diese Stimmung in Trübsinn und schwärmerische Begeisterung über. In den heroischen Zeiten der portugiesischen und castilianischen Volksstämme führte nicht Golddurst allein (wie man aus Unkunde des damaligen Volkslebens behauptet), sondern allgemeine Aufregung zu den Wagnissen ferner Reisen. Die Namen Haiti, Cubagua und Darien wirkten, im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, auf die Einbildungskraft der Menschen wie in den neueren Zeiten die, seit Anson und Cook gefeierten Namen von Tinian durch den Anblick einer reich geschmückten erotischen Natur, Eindrücke zurückließ, deren Lebendigkeit sich nach Jahrhunderten noch, in den Werken hochbegabter Schriftsteller, offenbart; so wirkte zum zweiten Male, und selbst in einem höheren Maaßstabe als die Kreuzzüge, auf die westlichen Völker die Entdeckung von Amerika. Die Tropenwelt mit der ganzen Ueppigkeit ihrer Vegetation in der Ebene, mit allen Abstufungen des Organismus am Abhange der Cordilleren, mit allen Anklängen nördlicher Klimate in den bewohnten Hochebenen von Mexico, Neu-Granada und Quito wurde nun zuerst den Europäern eröffnet. Die Phantasie, ohne deren Anregung kein wahrhaft großes Werk der Menschheit gedeihen kann, gab den Naturschilderungen von Columbus und Vespucci einen eigenthümlichen Reiz. Den letzteren charakterisirt in der Beschreibung der brasilischen Küste eine genaue Bekanntschaft mit den Dichtern alter und neuer Zeit; jenen in der Beschreibung des milden Himmels von Paria und der (wie er wähnt) dem östlichen Paradiese entströmenden Wassermenge des Orinoco eine ernste religiöse Stimmung. Bei zunehmendem Alter, beim Ankämpfen gegen ungerechte Verfolgung ging diese Stimmung in Trübsinn und schwärmerische Begeisterung über. In den heroischen Zeiten der portugiesischen und castilianischen Volksstämme führte nicht Golddurst allein (wie man aus Unkunde des damaligen Volkslebens behauptet), sondern allgemeine Aufregung zu den Wagnissen ferner Reisen. 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Die Phantasie, ohne deren Anregung kein wahrhaft großes Werk der Menschheit gedeihen kann, gab den Naturschilderungen von Columbus und Vespucci einen eigenthümlichen Reiz. Den letzteren charakterisirt in der Beschreibung der brasilischen Küste eine genaue Bekanntschaft mit den Dichtern alter und neuer Zeit; jenen in der Beschreibung des milden Himmels von Paria und der (wie er wähnt) dem östlichen Paradiese entströmenden Wassermenge des Orinoco eine ernste religiöse Stimmung. Bei zunehmendem Alter, beim Ankämpfen gegen ungerechte Verfolgung ging diese Stimmung in Trübsinn und schwärmerische Begeisterung über.</p> <p>In den heroischen Zeiten der portugiesischen und castilianischen Volksstämme führte nicht Golddurst allein (wie man aus Unkunde des damaligen Volkslebens behauptet), sondern allgemeine Aufregung zu den Wagnissen ferner Reisen. 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durch den Anblick einer reich geschmückten erotischen Natur, Eindrücke zurückließ, deren Lebendigkeit sich nach Jahrhunderten noch, in den Werken hochbegabter Schriftsteller, offenbart; so wirkte zum zweiten Male, und selbst in einem höheren Maaßstabe als die Kreuzzüge, auf die westlichen Völker die Entdeckung von Amerika. Die Tropenwelt mit der ganzen Ueppigkeit ihrer Vegetation in der Ebene, mit allen Abstufungen des Organismus am Abhange der Cordilleren, mit allen Anklängen nördlicher Klimate in den bewohnten Hochebenen von Mexico, Neu-Granada und Quito wurde nun zuerst den Europäern eröffnet. Die Phantasie, ohne deren Anregung kein wahrhaft großes Werk der Menschheit gedeihen kann, gab den Naturschilderungen von Columbus und Vespucci einen eigenthümlichen Reiz. Den letzteren charakterisirt in der Beschreibung der brasilischen Küste eine genaue Bekanntschaft mit den Dichtern alter und neuer Zeit; jenen in der Beschreibung des milden Himmels von Paria und der (wie er wähnt) dem östlichen Paradiese entströmenden Wassermenge des Orinoco eine ernste religiöse Stimmung. Bei zunehmendem Alter, beim Ankämpfen gegen ungerechte Verfolgung ging diese Stimmung in Trübsinn und schwärmerische Begeisterung über.
In den heroischen Zeiten der portugiesischen und castilianischen Volksstämme führte nicht Golddurst allein (wie man aus Unkunde des damaligen Volkslebens behauptet), sondern allgemeine Aufregung zu den Wagnissen ferner Reisen. Die Namen Haiti, Cubagua und Darien wirkten, im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, auf die Einbildungskraft der Menschen wie in den neueren Zeiten die, seit Anson und Cook gefeierten Namen von Tinian
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