Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Scenen von Clarens und Meillerie am Leman-See erwähne, so ist es, weil in den Hauptwerken des, wenig gelehrten, aber eifrigen Pflanzensammlers (sie sind um zwanzig Jahre älter als Buffon's phantasiereiche Weltepochen1) die Begeisterung sich hauptsächlich in der innersten Eigenthümlichkeit der Sprache offenbart, ja in der Prosa eben so überströmend ausbricht als in Klopstock's, Schiller's, Göthe's und Byron's unsterblichen Dichtungen. Auch da, wo nichts beabsichtigt wird, was unmittelbar an das Studium der Natur geknüpft ist, kann doch unsere Liebe zu diesem Studium durch den Zauber einer poetischen Darstellung des Naturlebens, sei es auch in den engsten, uns wohlbekannten Erdräumen, erhöht werden.

Indem wir zu den Prosaikern wieder zurückkehren, verweilen wir gern bei der kleinen Schöpfung, welcher Bernardin de St. Pierre den schöneren Theil seines litterarischen Ruhmes verdankt. Paul und Virginia, ein Werk, wie es kaum eine andere Litteratur aufzuweisen hat, ist das einfache Naturbild einer Insel mitten im tropischen Meere, wo, bald von der Milde des Himmels beschirmt, bald von dem mächtigen Kampf der Elemente bedroht, zwei anmuthvolle Gestalten in der wilden Pflanzenfülle des Waldes sich malerisch wie von einem blüthenreichen Teppich abheben. Hier und in der Chaumiere indienne, ja selbst in den Etudes de la Nature, welche leider durch abenteuerliche Theorien und physikalische Irrthümer verunstaltet werden, sind der Anblick des Meeres, die Gruppirung der Wolken, das Rauschen der Lüfte in den Bambus-Gebüschen, das Wogen der hohen Palmengipfel mit unnachahmlicher Wahrheit geschildert. Bernardin de St. Pierre's Meisterwerk Paul und Virginia hat

Scenen von Clarens und Meillerie am Leman-See erwähne, so ist es, weil in den Hauptwerken des, wenig gelehrten, aber eifrigen Pflanzensammlers (sie sind um zwanzig Jahre älter als Buffon's phantasiereiche Weltepochen1) die Begeisterung sich hauptsächlich in der innersten Eigenthümlichkeit der Sprache offenbart, ja in der Prosa eben so überströmend ausbricht als in Klopstock's, Schiller's, Göthe's und Byron's unsterblichen Dichtungen. Auch da, wo nichts beabsichtigt wird, was unmittelbar an das Studium der Natur geknüpft ist, kann doch unsere Liebe zu diesem Studium durch den Zauber einer poetischen Darstellung des Naturlebens, sei es auch in den engsten, uns wohlbekannten Erdräumen, erhöht werden.

Indem wir zu den Prosaikern wieder zurückkehren, verweilen wir gern bei der kleinen Schöpfung, welcher Bernardin de St. Pierre den schöneren Theil seines litterarischen Ruhmes verdankt. Paul und Virginia, ein Werk, wie es kaum eine andere Litteratur aufzuweisen hat, ist das einfache Naturbild einer Insel mitten im tropischen Meere, wo, bald von der Milde des Himmels beschirmt, bald von dem mächtigen Kampf der Elemente bedroht, zwei anmuthvolle Gestalten in der wilden Pflanzenfülle des Waldes sich malerisch wie von einem blüthenreichen Teppich abheben. Hier und in der Chaumière indienne, ja selbst in den Études de la Nature, welche leider durch abenteuerliche Theorien und physikalische Irrthümer verunstaltet werden, sind der Anblick des Meeres, die Gruppirung der Wolken, das Rauschen der Lüfte in den Bambus-Gebüschen, das Wogen der hohen Palmengipfel mit unnachahmlicher Wahrheit geschildert. Bernardin de St. Pierre's Meisterwerk Paul und Virginia hat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="67"/>
Scenen von Clarens und Meillerie am Leman-See erwähne, so ist es, weil in den Hauptwerken des, wenig gelehrten, aber eifrigen Pflanzensammlers (sie sind um zwanzig Jahre älter als Buffon's phantasiereiche <hi rendition="#g">Weltepochen</hi><note xml:id="ftn100" next="#ftn100-text" place="end" n="1"/>) die Begeisterung sich hauptsächlich in der innersten Eigenthümlichkeit der Sprache offenbart, ja in der Prosa eben so überströmend ausbricht als in Klopstock's, Schiller's, Göthe's und Byron's unsterblichen Dichtungen. Auch da, wo nichts beabsichtigt wird, was unmittelbar an das Studium der Natur geknüpft ist, kann doch unsere Liebe zu diesem Studium durch den Zauber einer poetischen Darstellung des Naturlebens, sei es auch in den engsten, uns wohlbekannten Erdräumen, erhöht werden.</p>
            <p>Indem wir zu den Prosaikern wieder zurückkehren, verweilen wir gern bei der kleinen Schöpfung, welcher <hi rendition="#g">Bernardin de</hi> St. <hi rendition="#g">Pierre</hi> den schöneren Theil seines litterarischen Ruhmes verdankt. <hi rendition="#g">Paul und Virginia,</hi> ein Werk, wie es kaum eine andere Litteratur aufzuweisen hat, ist das einfache Naturbild einer Insel mitten im tropischen Meere, wo, bald von der Milde des Himmels beschirmt, bald von dem mächtigen Kampf der Elemente bedroht, zwei anmuthvolle Gestalten in der wilden Pflanzenfülle des Waldes sich malerisch wie von einem blüthenreichen Teppich abheben. Hier und in der <hi rendition="#g">Chaumière indienne,</hi> ja selbst in den <hi rendition="#g">Études de la Nature,</hi> welche leider durch abenteuerliche Theorien und physikalische Irrthümer verunstaltet werden, sind der Anblick des Meeres, die Gruppirung der Wolken, das Rauschen der Lüfte in den Bambus-Gebüschen, das Wogen der hohen Palmengipfel mit unnachahmlicher Wahrheit geschildert. Bernardin de St. Pierre's Meisterwerk <hi rendition="#g">Paul und Virginia</hi> hat
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0072] Scenen von Clarens und Meillerie am Leman-See erwähne, so ist es, weil in den Hauptwerken des, wenig gelehrten, aber eifrigen Pflanzensammlers (sie sind um zwanzig Jahre älter als Buffon's phantasiereiche Weltepochen ¹ ) die Begeisterung sich hauptsächlich in der innersten Eigenthümlichkeit der Sprache offenbart, ja in der Prosa eben so überströmend ausbricht als in Klopstock's, Schiller's, Göthe's und Byron's unsterblichen Dichtungen. Auch da, wo nichts beabsichtigt wird, was unmittelbar an das Studium der Natur geknüpft ist, kann doch unsere Liebe zu diesem Studium durch den Zauber einer poetischen Darstellung des Naturlebens, sei es auch in den engsten, uns wohlbekannten Erdräumen, erhöht werden. Indem wir zu den Prosaikern wieder zurückkehren, verweilen wir gern bei der kleinen Schöpfung, welcher Bernardin de St. Pierre den schöneren Theil seines litterarischen Ruhmes verdankt. Paul und Virginia, ein Werk, wie es kaum eine andere Litteratur aufzuweisen hat, ist das einfache Naturbild einer Insel mitten im tropischen Meere, wo, bald von der Milde des Himmels beschirmt, bald von dem mächtigen Kampf der Elemente bedroht, zwei anmuthvolle Gestalten in der wilden Pflanzenfülle des Waldes sich malerisch wie von einem blüthenreichen Teppich abheben. Hier und in der Chaumière indienne, ja selbst in den Études de la Nature, welche leider durch abenteuerliche Theorien und physikalische Irrthümer verunstaltet werden, sind der Anblick des Meeres, die Gruppirung der Wolken, das Rauschen der Lüfte in den Bambus-Gebüschen, das Wogen der hohen Palmengipfel mit unnachahmlicher Wahrheit geschildert. Bernardin de St. Pierre's Meisterwerk Paul und Virginia hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/72
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/72>, abgerufen am 25.11.2024.