Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Landschaft erwähnt, in der man Rauch aus dem Gipfel eines Vulkans aufsteigen und Lavaströme sich in das nahe Meer ergießen sah. In dieser sehr verwickelten Composition einer Ansicht von sieben Inseln glauben die neuesten Commentatoren8 sogar die Darstellung einer wirklichen Gegend, die kleine äolische oder liparische Vulkangruppe, nördlich von Sicilien, zu erkennen. Die perspectivische Bühnenmalerei, durch welche die Aufführung der Meisterwerke des Aeschylus und Sophokles verherrlicht worden war, erweiterte allmälig diesen Theil des Kunstgebietes9, indem sie das Bedürfniß einer täuschenden Nachahmung lebloser Gegenstände (Baulichkeiten, Wald und Felsen) vermehrte.

Von der Bühne, durch die Vervollkommnung der Scenographie, ging die Landschaftmalerei bei den Griechen und den nachahmenden Römern in die durch Säulen gezierten Hallen über, wo lange Wandflächen erst mit eingeschränkten Naturscenen10, bald aber mit großen Prospecten von Städten, Seeufern und weiten Triften bedeckt wurden, auf denen Viehheerden weiden11. Solche anmuthige Wandverzierungen hatte in dem Augusteischen Zeitalter, nicht erfunden, aber allgemein beliebt gemacht12 und durch die Staffage kleiner Figuren erheitert13 der römische Maler Ludius. Fast zu derselben Zeit und wohl noch ein halbes Jahrhundert früher finden wir schon bei den Indern in der glänzenden Epoche des Vikramaditya der Landschaftmalerei als einer sehr geübten Kunst erwähnt. In dem reizenden Drama Sakuntala wird dem König Duschmanta das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er ist nicht zufrieden damit, denn er will: "daß die Malerinn die Plätze abbilde, welche der Freundinn besonders lieb sind, den Malini-Fluß mit einer

eine Landschaft erwähnt, in der man Rauch aus dem Gipfel eines Vulkans aufsteigen und Lavaströme sich in das nahe Meer ergießen sah. In dieser sehr verwickelten Composition einer Ansicht von sieben Inseln glauben die neuesten Commentatoren8 sogar die Darstellung einer wirklichen Gegend, die kleine äolische oder liparische Vulkangruppe, nördlich von Sicilien, zu erkennen. Die perspectivische Bühnenmalerei, durch welche die Aufführung der Meisterwerke des Aeschylus und Sophokles verherrlicht worden war, erweiterte allmälig diesen Theil des Kunstgebietes9, indem sie das Bedürfniß einer täuschenden Nachahmung lebloser Gegenstände (Baulichkeiten, Wald und Felsen) vermehrte.

Von der Bühne, durch die Vervollkommnung der Scenographie, ging die Landschaftmalerei bei den Griechen und den nachahmenden Römern in die durch Säulen gezierten Hallen über, wo lange Wandflächen erst mit eingeschränkten Naturscenen10, bald aber mit großen Prospecten von Städten, Seeufern und weiten Triften bedeckt wurden, auf denen Viehheerden weiden11. Solche anmuthige Wandverzierungen hatte in dem Augusteischen Zeitalter, nicht erfunden, aber allgemein beliebt gemacht12 und durch die Staffage kleiner Figuren erheitert13 der römische Maler Ludius. Fast zu derselben Zeit und wohl noch ein halbes Jahrhundert früher finden wir schon bei den Indern in der glänzenden Epoche des Vikramaditya der Landschaftmalerei als einer sehr geübten Kunst erwähnt. In dem reizenden Drama Sakuntala wird dem König Duschmanta das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er ist nicht zufrieden damit, denn er will: „daß die Malerinn die Plätze abbilde, welche der Freundinn besonders lieb sind, den Malini-Fluß mit einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0083" n="78"/>
eine Landschaft erwähnt, in der man Rauch aus dem Gipfel eines Vulkans aufsteigen und Lavaströme sich in das nahe Meer ergießen sah. In dieser sehr verwickelten Composition einer Ansicht von sieben Inseln glauben die neuesten Commentatoren<note xml:id="ftn107" next="#ftn107-text" place="end" n="8"/> sogar die Darstellung einer wirklichen Gegend, die kleine äolische oder liparische Vulkangruppe, nördlich von Sicilien, zu erkennen. Die perspectivische Bühnenmalerei, durch welche die Aufführung der Meisterwerke des Aeschylus und Sophokles verherrlicht worden war, erweiterte allmälig diesen Theil des Kunstgebietes<note xml:id="ftn108" next="#ftn108-text" place="end" n="9"/>, indem sie das Bedürfniß einer täuschenden Nachahmung lebloser Gegenstände (Baulichkeiten, Wald und Felsen) vermehrte.</p>
            <p>Von der Bühne, durch die Vervollkommnung der <hi rendition="#g">Scenographie,</hi> ging die Landschaftmalerei bei den Griechen und den nachahmenden Römern in die durch Säulen gezierten Hallen über, wo lange Wandflächen erst mit eingeschränkten Naturscenen<note xml:id="ftn109" next="#ftn109-text" place="end" n="10"/>, bald aber mit großen Prospecten von Städten, Seeufern und weiten Triften bedeckt wurden, auf denen Viehheerden weiden<note xml:id="ftn110" next="#ftn110-text" place="end" n="11"/>. Solche anmuthige Wandverzierungen hatte in dem Augusteischen Zeitalter, nicht erfunden, aber allgemein beliebt gemacht<note xml:id="ftn111" next="#ftn111-text" place="end" n="12"/> und durch die Staffage kleiner Figuren erheitert<note xml:id="ftn112" next="#ftn112-text" place="end" n="13"/> der römische Maler Ludius. Fast zu derselben Zeit und wohl noch ein halbes Jahrhundert früher finden wir schon bei den Indern in der glänzenden Epoche des Vikramaditya der Landschaftmalerei als einer sehr geübten Kunst erwähnt. In dem reizenden Drama Sakuntala wird dem König Duschmanta das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er ist nicht zufrieden damit, denn er will: &#x201E;daß die Malerinn die Plätze abbilde, welche der Freundinn besonders lieb sind, den Malini-Fluß mit einer
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0083] eine Landschaft erwähnt, in der man Rauch aus dem Gipfel eines Vulkans aufsteigen und Lavaströme sich in das nahe Meer ergießen sah. In dieser sehr verwickelten Composition einer Ansicht von sieben Inseln glauben die neuesten Commentatoren ⁸ sogar die Darstellung einer wirklichen Gegend, die kleine äolische oder liparische Vulkangruppe, nördlich von Sicilien, zu erkennen. Die perspectivische Bühnenmalerei, durch welche die Aufführung der Meisterwerke des Aeschylus und Sophokles verherrlicht worden war, erweiterte allmälig diesen Theil des Kunstgebietes ⁹ , indem sie das Bedürfniß einer täuschenden Nachahmung lebloser Gegenstände (Baulichkeiten, Wald und Felsen) vermehrte. Von der Bühne, durch die Vervollkommnung der Scenographie, ging die Landschaftmalerei bei den Griechen und den nachahmenden Römern in die durch Säulen gezierten Hallen über, wo lange Wandflächen erst mit eingeschränkten Naturscenen ¹⁰ , bald aber mit großen Prospecten von Städten, Seeufern und weiten Triften bedeckt wurden, auf denen Viehheerden weiden ¹¹ . Solche anmuthige Wandverzierungen hatte in dem Augusteischen Zeitalter, nicht erfunden, aber allgemein beliebt gemacht ¹² und durch die Staffage kleiner Figuren erheitert ¹³ der römische Maler Ludius. Fast zu derselben Zeit und wohl noch ein halbes Jahrhundert früher finden wir schon bei den Indern in der glänzenden Epoche des Vikramaditya der Landschaftmalerei als einer sehr geübten Kunst erwähnt. In dem reizenden Drama Sakuntala wird dem König Duschmanta das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er ist nicht zufrieden damit, denn er will: „daß die Malerinn die Plätze abbilde, welche der Freundinn besonders lieb sind, den Malini-Fluß mit einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/83
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/83>, abgerufen am 24.11.2024.