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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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und das periodische, langersehnte Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen milder Frühlingslüfte. So wie in den Musaceen (Pisanggewächsen) die höchste Ausdehnung, so ist in den Casuarinen und in den Nadelhölzern die höchste Zusammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja und Cypressen bilden eine nordische Form, welche in den ebenen Gegenden der Tropen sehr selten ist. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft; es verkündet gleichsam den nordischen Völkern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen wie das prometheische Feuer nie auf unserem Planeten erlischt.

Jede Vegetationszone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigenthümlichen Charakter, ruft andere Eindrücke in uns hervor. Wer fühlt sich nicht, um an uns nahe vaterländische Pflanzenformen zu erinnern, anders gestimmt in dem dunklen Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzelnen Tannen bekränzt sind, und auf der weiten Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birken säuselt? So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie im engeren Sinne des Worts Zergliederung der Thier- und Pflanzenformen sind, so giebt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstriche ausschließlich zukommt. Was der Künstler mit den Ausdrücken: Schweizernatur, italiänischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl eines localen Naturcharakters. Himmelsbläue, Wolkengestaltung, Duft, der auf der Ferne ruht, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge sind die Elemente, welche den Totaleindruck einer Gegend bestimmen. Diesen aufzufassen

und das periodische, langersehnte Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen milder Frühlingslüfte. So wie in den Musaceen (Pisanggewächsen) die höchste Ausdehnung, so ist in den Casuarinen und in den Nadelhölzern die höchste Zusammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja und Cypressen bilden eine nordische Form, welche in den ebenen Gegenden der Tropen sehr selten ist. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft; es verkündet gleichsam den nordischen Völkern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen wie das prometheische Feuer nie auf unserem Planeten erlischt.

Jede Vegetationszone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigenthümlichen Charakter, ruft andere Eindrücke in uns hervor. Wer fühlt sich nicht, um an uns nahe vaterländische Pflanzenformen zu erinnern, anders gestimmt in dem dunklen Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzelnen Tannen bekränzt sind, und auf der weiten Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birken säuselt? So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie im engeren Sinne des Worts Zergliederung der Thier- und Pflanzenformen sind, so giebt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstriche ausschließlich zukommt. Was der Künstler mit den Ausdrücken: Schweizernatur, italiänischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl eines localen Naturcharakters. Himmelsbläue, Wolkengestaltung, Duft, der auf der Ferne ruht, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge sind die Elemente, welche den Totaleindruck einer Gegend bestimmen. Diesen aufzufassen

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            <p>Jede Vegetationszone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigenthümlichen Charakter, ruft andere Eindrücke in uns hervor. Wer fühlt sich nicht, um an uns nahe vaterländische Pflanzenformen zu erinnern, anders gestimmt in dem dunklen Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzelnen Tannen bekränzt sind, und auf der weiten Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birken säuselt? So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie im engeren Sinne des Worts Zergliederung der Thier- und Pflanzenformen sind, so giebt es auch eine gewisse <hi rendition="#g">Naturphysiognomie,</hi> welche jedem Himmelsstriche ausschließlich zukommt. Was der Künstler mit den Ausdrücken: Schweizernatur, italiänischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl eines localen Naturcharakters. Himmelsbläue, Wolkengestaltung, Duft, der auf der Ferne ruht, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge sind die Elemente, welche den Totaleindruck einer Gegend bestimmen. Diesen aufzufassen
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[92/0097] und das periodische, langersehnte Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen milder Frühlingslüfte. So wie in den Musaceen (Pisanggewächsen) die höchste Ausdehnung, so ist in den Casuarinen und in den Nadelhölzern die höchste Zusammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja und Cypressen bilden eine nordische Form, welche in den ebenen Gegenden der Tropen sehr selten ist. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft; es verkündet gleichsam den nordischen Völkern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen wie das prometheische Feuer nie auf unserem Planeten erlischt. Jede Vegetationszone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigenthümlichen Charakter, ruft andere Eindrücke in uns hervor. Wer fühlt sich nicht, um an uns nahe vaterländische Pflanzenformen zu erinnern, anders gestimmt in dem dunklen Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzelnen Tannen bekränzt sind, und auf der weiten Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birken säuselt? So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie im engeren Sinne des Worts Zergliederung der Thier- und Pflanzenformen sind, so giebt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstriche ausschließlich zukommt. Was der Künstler mit den Ausdrücken: Schweizernatur, italiänischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl eines localen Naturcharakters. Himmelsbläue, Wolkengestaltung, Duft, der auf der Ferne ruht, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge sind die Elemente, welche den Totaleindruck einer Gegend bestimmen. Diesen aufzufassen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/97>, abgerufen am 22.11.2024.