Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.eine Bewegung des Mittels zwischen dem Gesicht und dem gesehenen Gegenstande, nicht durch Ausflüsse aus dem Gegenstande oder dem Auge. Mit dem Sehen wird das Hören verglichen, da der Schall ebenfalls eine Folge der Lufterschütterung ist. Aristoteles, indem er lehrt, durch die Thätigkeit der denkenden Vernunft in dem Besondern der wahrnehmbaren Einzelheiten das Allgemeine zu erforschen, umfaßt immer das Ganze der Natur, und den inneren Zusammenhang nicht bloß der Kräfte, sondern auch der organischen Gestalten. In dem Buche über die Theile (Organe) der Thiere spricht er deutlich seinen Glauben an die Stufenleiter der Wesen aus, in der sie von niederen zu höheren Formen aufsteigen. Die Natur geht in ununterbrochenem, fortschreitendem Entwickelungsgange von dem Unbelebten (Elementarischen) durch die Pflanzen zu den Thieren über: zunächst "zu dem, was zwar noch kein eigentliches Thier, aber so nahe mit diesem verwandt ist, daß es sich im ganzen wenig von ihm unterscheidet."19 In dem Uebergange der Bildungen "sind die Mittelstufen fast unmerklich."20 Das große Problem des Kosmos ist dem Stagiriten die Einheit der Natur. "In ihr", sagt er21 mit sonderbarer Lebendigkeit des Ausdrucks, "ist nichts zusammenhangslos Eingeschobenes wie in einer schlechten Tragödie". Das naturphilosophische Streben alle Erscheinungen des einigen Kosmos Einem Erklärungs-Principe unterzuordnen ist in allen physikalischen Schriften des tiefsinnigen Weltweisen und genauen Naturbeobachters nicht zu verkennen; aber der mangelhafte Zustand des Wissens, die Unbekanntschaft mit der Methode des Experimentirens, d. h. eine Bewegung des Mittels zwischen dem Gesicht und dem gesehenen Gegenstande, nicht durch Ausflüsse aus dem Gegenstande oder dem Auge. Mit dem Sehen wird das Hören verglichen, da der Schall ebenfalls eine Folge der Lufterschütterung ist. Aristoteles, indem er lehrt, durch die Thätigkeit der denkenden Vernunft in dem Besondern der wahrnehmbaren Einzelheiten das Allgemeine zu erforschen, umfaßt immer das Ganze der Natur, und den inneren Zusammenhang nicht bloß der Kräfte, sondern auch der organischen Gestalten. In dem Buche über die Theile (Organe) der Thiere spricht er deutlich seinen Glauben an die Stufenleiter der Wesen aus, in der sie von niederen zu höheren Formen aufsteigen. Die Natur geht in ununterbrochenem, fortschreitendem Entwickelungsgange von dem Unbelebten (Elementarischen) durch die Pflanzen zu den Thieren über: zunächst „zu dem, was zwar noch kein eigentliches Thier, aber so nahe mit diesem verwandt ist, daß es sich im ganzen wenig von ihm unterscheidet.“19 In dem Uebergange der Bildungen „sind die Mittelstufen fast unmerklich.“20 Das große Problem des Kosmos ist dem Stagiriten die Einheit der Natur. „In ihr“, sagt er21 mit sonderbarer Lebendigkeit des Ausdrucks, „ist nichts zusammenhangslos Eingeschobenes wie in einer schlechten Tragödie“. Das naturphilosophische Streben alle Erscheinungen des einigen Kosmos Einem Erklärungs-Principe unterzuordnen ist in allen physikalischen Schriften des tiefsinnigen Weltweisen und genauen Naturbeobachters nicht zu verkennen; aber der mangelhafte Zustand des Wissens, die Unbekanntschaft mit der Methode des Experimentirens, d. h. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="14"/> eine Bewegung des Mittels zwischen dem Gesicht und dem gesehenen Gegenstande, nicht durch Ausflüsse aus dem Gegenstande oder dem Auge. Mit dem Sehen wird das <hi rendition="#g">Hören</hi> verglichen, da der Schall ebenfalls eine Folge der Lufterschütterung ist.</p> <p>Aristoteles, indem er lehrt, durch die Thätigkeit der denkenden Vernunft in dem Besondern der wahrnehmbaren Einzelheiten das Allgemeine zu erforschen, umfaßt immer das Ganze der Natur, und den inneren Zusammenhang nicht bloß der Kräfte, sondern auch der organischen Gestalten. 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Die Natur geht in ununterbrochenem, fortschreitendem Entwickelungsgange von dem Unbelebten (Elementarischen) durch die Pflanzen zu den Thieren über: zunächst „zu dem, was zwar noch kein eigentliches Thier, aber so nahe mit diesem verwandt ist, daß es sich im ganzen wenig von ihm unterscheidet.“<note xml:id="ftn19" next="#ftn19-text" place="end" n="19"/> In dem Uebergange der Bildungen „sind die Mittelstufen fast unmerklich.“<note xml:id="ftn20" next="#ftn20-text" place="end" n="20"/> Das große Problem des Kosmos ist dem Stagiriten die Einheit der Natur. „In ihr“, sagt er<note xml:id="ftn21" next="#ftn21-text" place="end" n="21"/> mit sonderbarer Lebendigkeit des Ausdrucks, „ist nichts zusammenhangslos Eingeschobenes wie in einer schlechten Tragödie“.</p> <p>Das naturphilosophische Streben alle Erscheinungen des <hi rendition="#g">einigen</hi> Kosmos Einem Erklärungs-Principe unterzuordnen ist in allen physikalischen Schriften des tiefsinnigen Weltweisen und genauen Naturbeobachters nicht zu verkennen; aber der mangelhafte Zustand des Wissens, die Unbekanntschaft mit der Methode des Experimentirens, d. h. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0019]
eine Bewegung des Mittels zwischen dem Gesicht und dem gesehenen Gegenstande, nicht durch Ausflüsse aus dem Gegenstande oder dem Auge. Mit dem Sehen wird das Hören verglichen, da der Schall ebenfalls eine Folge der Lufterschütterung ist.
Aristoteles, indem er lehrt, durch die Thätigkeit der denkenden Vernunft in dem Besondern der wahrnehmbaren Einzelheiten das Allgemeine zu erforschen, umfaßt immer das Ganze der Natur, und den inneren Zusammenhang nicht bloß der Kräfte, sondern auch der organischen Gestalten. In dem Buche über die Theile (Organe) der Thiere spricht er deutlich seinen Glauben an die Stufenleiter der Wesen aus, in der sie von niederen zu höheren Formen aufsteigen. Die Natur geht in ununterbrochenem, fortschreitendem Entwickelungsgange von dem Unbelebten (Elementarischen) durch die Pflanzen zu den Thieren über: zunächst „zu dem, was zwar noch kein eigentliches Thier, aber so nahe mit diesem verwandt ist, daß es sich im ganzen wenig von ihm unterscheidet.“
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In dem Uebergange der Bildungen „sind die Mittelstufen fast unmerklich.“
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Das große Problem des Kosmos ist dem Stagiriten die Einheit der Natur. „In ihr“, sagt er
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mit sonderbarer Lebendigkeit des Ausdrucks, „ist nichts zusammenhangslos Eingeschobenes wie in einer schlechten Tragödie“.
Das naturphilosophische Streben alle Erscheinungen des einigen Kosmos Einem Erklärungs-Principe unterzuordnen ist in allen physikalischen Schriften des tiefsinnigen Weltweisen und genauen Naturbeobachters nicht zu verkennen; aber der mangelhafte Zustand des Wissens, die Unbekanntschaft mit der Methode des Experimentirens, d. h.
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