Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Hypothese von der gleichen Größe und gleichartigen Vertheilung der Fixsterne ist neuerdings vielseitig erschüttert worden. Der kühne und geistreiche Erforscher des Himmels, William Herschel, hat sich in seinen letzten Arbeiten93 für die Annahme eines Ringes von Sternen entschieden, die er in seiner schönen Abhandlung vom Jahre 1784 bestritt. Die neuesten Beobachtungen haben die Hypothese von einem System von einander abstehender concentrischer Ringe begünstigt. Die Dicke dieser Sternringe scheint sehr ungleich; und die einzelnen Schichten, deren vereinten, stärkeren oder schwächeren, Lichtglanz wir empfangen, liegen gewiß in sehr verschiedenen Höhen, d. h. in verschiedenen Entfernungen von uns: aber die relative Helligkeit der einzelnen Sterne, die wir von 10ter bis 16ter Größe schätzen, kann nicht in der Art als maaßgebend für die Entfernung betrachtet werden, daß man befriedigend den Radius der Abstandssphäre numerisch94 daraus bestimmen könnte.

In vielen Gegenden der Milchstraße genügt die raumdurchdringende Kraft der Instrumente ganze Sternwolken aufzulösen und die einzelnen Lichtpunkte auf die dunkle, sternlose Himmelsluft projicirt zu sehen. Wir blicken dann wirklich durch wie ins Freie. "It leads us", sagt Sir John Herschel, "irresistibly to the conclusion, that in these regions we see fairly through the starry stratum."95 In anderen Gegenden sieht man wie durch Oeffnungen und Spalten, sei es auf ferne Weltinseln oder weit auslaufende Zweige des Ring-Systems; in noch anderen ist die Milchstraße bisher unergründlich (fathomless, insondable) geblieben, selbst für das 40füßige Telescop.96

Die Hypothese von der gleichen Größe und gleichartigen Vertheilung der Fixsterne ist neuerdings vielseitig erschüttert worden. Der kühne und geistreiche Erforscher des Himmels, William Herschel, hat sich in seinen letzten Arbeiten93 für die Annahme eines Ringes von Sternen entschieden, die er in seiner schönen Abhandlung vom Jahre 1784 bestritt. Die neuesten Beobachtungen haben die Hypothese von einem System von einander abstehender concentrischer Ringe begünstigt. Die Dicke dieser Sternringe scheint sehr ungleich; und die einzelnen Schichten, deren vereinten, stärkeren oder schwächeren, Lichtglanz wir empfangen, liegen gewiß in sehr verschiedenen Höhen, d. h. in verschiedenen Entfernungen von uns: aber die relative Helligkeit der einzelnen Sterne, die wir von 10ter bis 16ter Größe schätzen, kann nicht in der Art als maaßgebend für die Entfernung betrachtet werden, daß man befriedigend den Radius der Abstandssphäre numerisch94 daraus bestimmen könnte.

In vielen Gegenden der Milchstraße genügt die raumdurchdringende Kraft der Instrumente ganze Sternwolken aufzulösen und die einzelnen Lichtpunkte auf die dunkle, sternlose Himmelsluft projicirt zu sehen. Wir blicken dann wirklich durch wie ins Freie. „It leads us“, sagt Sir John Herschel, „irresistibly to the conclusion, that in these regions we see fairly through the starry stratum.“95 In anderen Gegenden sieht man wie durch Oeffnungen und Spalten, sei es auf ferne Weltinseln oder weit auslaufende Zweige des Ring-Systems; in noch anderen ist die Milchstraße bisher unergründlich (fathomless, insondable) geblieben, selbst für das 40füßige Telescop.96

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0193" n="188"/>
Die Hypothese von der gleichen Größe und gleichartigen Vertheilung der Fixsterne ist neuerdings vielseitig erschüttert worden. Der kühne und geistreiche Erforscher des Himmels, William Herschel, hat sich in seinen letzten Arbeiten<note xml:id="ftn259" next="ftn259-text" place="end" n="93"/> für die Annahme eines Ringes von Sternen entschieden, die er in seiner schönen Abhandlung vom Jahre 1784 bestritt. Die neuesten Beobachtungen haben die Hypothese von einem System von einander abstehender <hi rendition="#g">concentrischer Ringe</hi> begünstigt. Die Dicke dieser Sternringe scheint sehr ungleich; und die einzelnen Schichten, deren vereinten, stärkeren oder schwächeren, Lichtglanz wir empfangen, liegen gewiß in sehr verschiedenen Höhen, d. h. in verschiedenen Entfernungen von uns: aber die relative Helligkeit der einzelnen Sterne, die wir von 10ter bis 16ter Größe schätzen, kann nicht in <hi rendition="#g">der</hi> Art als maaßgebend für die Entfernung betrachtet werden, daß man befriedigend den Radius der Abstandssphäre numerisch<note xml:id="ftn260" next="ftn260-text" place="end" n="94"/> daraus bestimmen könnte.</p>
              <p>In vielen Gegenden der Milchstraße genügt die raumdurchdringende Kraft der Instrumente ganze Sternwolken aufzulösen und die einzelnen Lichtpunkte auf die dunkle, sternlose Himmelsluft projicirt zu sehen. Wir blicken dann wirklich <hi rendition="#g">durch</hi> wie ins Freie. &#x201E;It leads us&#x201C;, sagt Sir John Herschel, &#x201E;irresistibly to the conclusion, that in these regions we see <hi rendition="#g">fairly through</hi> the starry stratum.&#x201C;<note xml:id="ftn261" next="ftn261-text" place="end" n="95"/> In anderen Gegenden sieht man wie durch Oeffnungen und Spalten, sei es auf ferne Weltinseln oder weit auslaufende Zweige des Ring-Systems; in noch anderen ist die Milchstraße bisher <hi rendition="#g">unergründlich</hi> (fathomless, insondable) geblieben, selbst für das 40füßige Telescop.<note xml:id="ftn262" next="ftn262-text" place="end" n="96"/>
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0193] Die Hypothese von der gleichen Größe und gleichartigen Vertheilung der Fixsterne ist neuerdings vielseitig erschüttert worden. Der kühne und geistreiche Erforscher des Himmels, William Herschel, hat sich in seinen letzten Arbeiten ⁹³ für die Annahme eines Ringes von Sternen entschieden, die er in seiner schönen Abhandlung vom Jahre 1784 bestritt. Die neuesten Beobachtungen haben die Hypothese von einem System von einander abstehender concentrischer Ringe begünstigt. Die Dicke dieser Sternringe scheint sehr ungleich; und die einzelnen Schichten, deren vereinten, stärkeren oder schwächeren, Lichtglanz wir empfangen, liegen gewiß in sehr verschiedenen Höhen, d. h. in verschiedenen Entfernungen von uns: aber die relative Helligkeit der einzelnen Sterne, die wir von 10ter bis 16ter Größe schätzen, kann nicht in der Art als maaßgebend für die Entfernung betrachtet werden, daß man befriedigend den Radius der Abstandssphäre numerisch ⁹⁴ daraus bestimmen könnte. In vielen Gegenden der Milchstraße genügt die raumdurchdringende Kraft der Instrumente ganze Sternwolken aufzulösen und die einzelnen Lichtpunkte auf die dunkle, sternlose Himmelsluft projicirt zu sehen. Wir blicken dann wirklich durch wie ins Freie. „It leads us“, sagt Sir John Herschel, „irresistibly to the conclusion, that in these regions we see fairly through the starry stratum.“ ⁹⁵ In anderen Gegenden sieht man wie durch Oeffnungen und Spalten, sei es auf ferne Weltinseln oder weit auslaufende Zweige des Ring-Systems; in noch anderen ist die Milchstraße bisher unergründlich (fathomless, insondable) geblieben, selbst für das 40füßige Telescop. ⁹⁶

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/193
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/193>, abgerufen am 17.05.2024.