Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
nur eine zufällige Klangähnlichkeit mit dem Leuchtstern Sirius habe, ist vollkommen begründet. Ganz irrig ist die Meinung derer, welche nach Theon Smyrnäus (Liber de Astronomia 1850 p. 202) Seiren von seiriazein (einer übrigens auch unbeglaubigten Form für seirian) ableiten. Während daß in seirios die Bewegung der Hitze und des Leuchtens zum Ausdruck kommt, liegt dem Worte Seiren eine Wurzel zum Grunde, welche den fließenden Ton des Naturphänomens darstellt. Es ist mir nämlich wahrscheinlich, daß Seiren mit eerein (Plato, Cratyl. 398 D to gar eirein legein esti) zusammenhängt, dessen ursprünglich scharfer Hauch in den Zischlaut überging." (Aus Briefen des Prof. Franz an mich, Januar 1850.) Das griechische Seir, die Sonne, läßt sich nach Bopp "leicht mit dem Sanskritworte svar vermitteln, das freilich nicht die Sonne, sondern den Himmel (als etwas glänzendes) bedeutet. Die gewöhnliche Sanskrit-Benennung der Sonne ist saurya, eine Zusammenziehung von svarya, das nicht vorkommt. Die Wurzel svar bedeutet im allgemeinen glänzen, leuchten. Die zendische Benennung der Sonne ist hvare, mit h für s. Das griechische ther, theros und thermos kommt von dem Sanskritworte gharma (Nom. gharmas), Wärme, Hitze, her." Der scharfsinnige Herausgeber des Rigveda, Max Müller, bemerkt, daß "der indische astronomische Name des Hundssternes vorzugsweise Lubdhaka ist, welches Jäger bedeutet: eine Bezeichnung, die, wenn man an den nahen Orion denkt, auf eine uralte gemeinschaftliche arische Anschauung dieser Sterngruppe hinzuweisen scheint." Er ist übrigens am meisten geneigt "Seerios von dem vedischen Worte sira (davon ein Adjectivum sairya) und der Wurzel sri, gehen, wandeln, abzuleiten: so daß die Sonne und der hellste der Sterne, Sirius, ursprünglich Wandelstern hießen." (Vergl. auch Pott, Etymologische Forschungen 1833 S. 130.)
53 (S. 172.) Struve, Stellarum compositarum Mensurae micrometricae 1837 p. LXXIV und LXXXIII.
54 (S. 172.) Sir John Herschel, Capreise p. 34.
55 (S. 172.) Mädler, Astronomie S. 436.
56 (S. 172.) Kosmos Bd. II. S. 367 und 513 Anm. 63.
57 (S. 173.) Arago, Annuaire pour 1842 p. 348.
58 (S. 173.) Struve, Stellae comp. p. LXXXII.
nur eine zufällige Klangähnlichkeit mit dem Leuchtstern Sirius habe, ist vollkommen begründet. Ganz irrig ist die Meinung derer, welche nach Theon Smyrnäus (Liber de Astronomia 1850 p. 202) Σειρὴν von σειριάζειν (einer übrigens auch unbeglaubigten Form für σειριᾶν) ableiten. Während daß in σείριος die Bewegung der Hitze und des Leuchtens zum Ausdruck kommt, liegt dem Worte Σειρὴν eine Wurzel zum Grunde, welche den fließenden Ton des Naturphänomens darstellt. Es ist mir nämlich wahrscheinlich, daß Σειρὴν mit εἔρειν (Plato, Cratyl. 398 D τὸ γὰρ εἴρειν λέγειν ἐστί) zusammenhängt, dessen ursprünglich scharfer Hauch in den Zischlaut überging.“ (Aus Briefen des Prof. Franz an mich, Januar 1850.) Das griechische Σείρ, die Sonne, läßt sich nach Bopp „leicht mit dem Sanskritworte svar vermitteln, das freilich nicht die Sonne, sondern den Himmel (als etwas glänzendes) bedeutet. Die gewöhnliche Sanskrit-Benennung der Sonne ist sûrya, eine Zusammenziehung von svârya, das nicht vorkommt. Die Wurzel svar bedeutet im allgemeinen glänzen, leuchten. Die zendische Benennung der Sonne ist hvare, mit h für s. Das griechische θερ, θερός und θερμὸς kommt von dem Sanskritworte gharma (Nom. gharmas), Wärme, Hitze, her.“ Der scharfsinnige Herausgeber des Rigveda, Max Müller, bemerkt, daß „der indische astronomische Name des Hundssternes vorzugsweise Lubdhaka ist, welches Jäger bedeutet: eine Bezeichnung, die, wenn man an den nahen Orion denkt, auf eine uralte gemeinschaftliche arische Anschauung dieser Sterngruppe hinzuweisen scheint.“ Er ist übrigens am meisten geneigt „Σεἔριος von dem vedischen Worte sira (davon ein Adjectivum sairya) und der Wurzel sri, gehen, wandeln, abzuleiten: so daß die Sonne und der hellste der Sterne, Sirius, ursprünglich Wandelstern hießen.“ (Vergl. auch Pott, Etymologische Forschungen 1833 S. 130.)
53 (S. 172.) Struve, Stellarum compositarum Mensurae micrometricae 1837 p. LXXIV und LXXXIII.
54 (S. 172.) Sir John Herschel, Capreise p. 34.
55 (S. 172.) Mädler, Astronomie S. 436.
56 (S. 172.) Kosmos Bd. II. S. 367 und 513 Anm. 63.
57 (S. 173.) Arago, Annuaire pour 1842 p. 348.
58 (S. 173.) Struve, Stellae comp. p. LXXXII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <note xml:id="ftn218-text" prev="#ftn218" place="end" n="52"><pb facs="#f0213" n="208"/>
nur eine zufällige Klangähnlichkeit mit dem Leuchtstern Sirius habe, ist vollkommen begründet. Ganz irrig ist die Meinung derer, welche nach <hi rendition="#g">Theon Smyrnäus (Liber de Astronomia</hi> 1850 p. 202) <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03A3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x1F74;&#x03BD;</foreign></hi> von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x03B9;&#x03AC;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign></hi> (einer übrigens auch unbeglaubigten Form für <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x03B9;&#x1FB6;&#x03BD;</foreign></hi>) ableiten. Während daß in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C3;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi> die <hi rendition="#g">Bewegung der Hitze und des Leuchtens</hi> zum Ausdruck kommt, liegt dem Worte <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03A3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x1F74;&#x03BD;</foreign></hi> eine Wurzel zum Grunde, welche den fließenden Ton des Naturphänomens darstellt. Es ist mir nämlich wahrscheinlich, daß <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03A3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x1F74;&#x03BD;</foreign></hi> mit <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B5;&#x1F14;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign></hi> (<hi rendition="#g">Plato, Cratyl.</hi> 398 D <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C4;&#x1F78; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x03B5;&#x1F34;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x03BB;&#x03AD;&#x03B3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C3;&#x03C4;&#x03AF;</foreign></hi>) zusammenhängt, dessen ursprünglich scharfer Hauch in den Zischlaut überging.&#x201C; (Aus Briefen des Prof. <hi rendition="#g">Franz</hi> an mich, Januar 1850.) <p>Das griechische <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03A3;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C1;</foreign></hi>, die Sonne, läßt sich nach Bopp &#x201E;leicht mit dem Sanskritworte svar vermitteln, das freilich nicht die Sonne, sondern den <hi rendition="#g">Himmel</hi> (als etwas <hi rendition="#g">glänzendes)</hi> bedeutet. Die gewöhnliche Sanskrit-Benennung der Sonne ist sûrya, eine Zusammenziehung von svârya, das nicht vorkommt. Die Wurzel svar bedeutet im allgemeinen <hi rendition="#g">glänzen, leuchten.</hi> Die zendische Benennung der Sonne ist hvare, mit h für s. Das griechische <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B8;&#x03B5;&#x03C1;</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B8;&#x03B5;&#x03C1;&#x03CC;&#x03C2;</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03B8;&#x03B5;&#x03C1;&#x03BC;&#x1F78;&#x03C2;</foreign></hi> kommt von dem Sanskritworte gharma (Nom. gharmas), Wärme, Hitze, her.&#x201C;</p> <p>Der scharfsinnige Herausgeber des Rigveda, Max Müller, bemerkt, daß &#x201E;der indische astronomische Name des Hundssternes vorzugsweise Lubdhaka ist, welches <hi rendition="#g">Jäger</hi> bedeutet: eine Bezeichnung, die, wenn man an den nahen Orion denkt, auf eine uralte gemeinschaftliche arische Anschauung dieser Sterngruppe hinzuweisen scheint.&#x201C; Er ist übrigens am meisten geneigt &#x201E;<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03A3;&#x03B5;&#x1F14;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi> von dem vedischen Worte sira (davon ein Adjectivum sairya) und der Wurzel sri, gehen, wandeln, abzuleiten: so daß die Sonne und der hellste der Sterne, Sirius, ursprünglich Wandelstern hießen.&#x201C; (Vergl. auch <hi rendition="#g">Pott, Etymologische Forschungen</hi> 1833 S. 130.)</p>       </note>
                <note xml:id="ftn219-text" prev="#ftn219" place="end" n="53"> (S. 172.) <hi rendition="#g">Struve, Stellarum compositarum Mensurae micrometricae</hi> 1837 p. LXXIV und LXXXIII.</note>
                <note xml:id="ftn220-text" prev="#ftn220" place="end" n="54"> (S. 172.) Sir John <hi rendition="#g">Herschel, Capreise</hi> p. 34.</note>
                <note xml:id="ftn221-text" prev="#ftn221" place="end" n="55"> (S. 172.) <hi rendition="#g">Mädler, Astronomie</hi> S. 436.</note>
                <note xml:id="ftn222-text" prev="#ftn222" place="end" n="56"> (S. 172.) <hi rendition="#g">Kosmos</hi> Bd. II. S. 367 und 513 Anm. 63.</note>
                <note xml:id="ftn223-text" prev="#ftn223" place="end" n="57"> (S. 173.) <hi rendition="#g">Arago, Annuaire</hi> pour 1842 p. 348.</note>
                <note xml:id="ftn224-text" prev="#ftn224" place="end" n="58"> (S. 173.) <hi rendition="#g">Struve, Stellae comp.</hi> p. LXXXII.</note>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0213] ⁵² nur eine zufällige Klangähnlichkeit mit dem Leuchtstern Sirius habe, ist vollkommen begründet. Ganz irrig ist die Meinung derer, welche nach Theon Smyrnäus (Liber de Astronomia 1850 p. 202) Σειρὴν von σειριάζειν (einer übrigens auch unbeglaubigten Form für σειριᾶν) ableiten. Während daß in σείριος die Bewegung der Hitze und des Leuchtens zum Ausdruck kommt, liegt dem Worte Σειρὴν eine Wurzel zum Grunde, welche den fließenden Ton des Naturphänomens darstellt. Es ist mir nämlich wahrscheinlich, daß Σειρὴν mit εἔρειν (Plato, Cratyl. 398 D τὸ γὰρ εἴρειν λέγειν ἐστί) zusammenhängt, dessen ursprünglich scharfer Hauch in den Zischlaut überging.“ (Aus Briefen des Prof. Franz an mich, Januar 1850.) Das griechische Σείρ, die Sonne, läßt sich nach Bopp „leicht mit dem Sanskritworte svar vermitteln, das freilich nicht die Sonne, sondern den Himmel (als etwas glänzendes) bedeutet. Die gewöhnliche Sanskrit-Benennung der Sonne ist sûrya, eine Zusammenziehung von svârya, das nicht vorkommt. Die Wurzel svar bedeutet im allgemeinen glänzen, leuchten. Die zendische Benennung der Sonne ist hvare, mit h für s. Das griechische θερ, θερός und θερμὸς kommt von dem Sanskritworte gharma (Nom. gharmas), Wärme, Hitze, her.“ Der scharfsinnige Herausgeber des Rigveda, Max Müller, bemerkt, daß „der indische astronomische Name des Hundssternes vorzugsweise Lubdhaka ist, welches Jäger bedeutet: eine Bezeichnung, die, wenn man an den nahen Orion denkt, auf eine uralte gemeinschaftliche arische Anschauung dieser Sterngruppe hinzuweisen scheint.“ Er ist übrigens am meisten geneigt „Σεἔριος von dem vedischen Worte sira (davon ein Adjectivum sairya) und der Wurzel sri, gehen, wandeln, abzuleiten: so daß die Sonne und der hellste der Sterne, Sirius, ursprünglich Wandelstern hießen.“ (Vergl. auch Pott, Etymologische Forschungen 1833 S. 130.) ⁵³ (S. 172.) Struve, Stellarum compositarum Mensurae micrometricae 1837 p. LXXIV und LXXXIII. ⁵⁴ (S. 172.) Sir John Herschel, Capreise p. 34. ⁵⁵ (S. 172.) Mädler, Astronomie S. 436. ⁵⁶ (S. 172.) Kosmos Bd. II. S. 367 und 513 Anm. 63. ⁵⁷ (S. 173.) Arago, Annuaire pour 1842 p. 348. ⁵⁸ (S. 173.) Struve, Stellae comp. p. LXXXII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/213
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/213>, abgerufen am 04.12.2024.