Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.quandam naturalem partibus inditam a divina providentia opificis universorum, ut in unitatem integritatemque suam sese conferant, in formam globi coeuntes: so finden wir bei Kepler in der Einleitung zu dem Buche de Stella Martis31 zuerst numerische Angaben von den Anziehungskräften, welche nach Verhältniß ihrer Massen Erde und Mond gegen einander ausüben. Er führt bestimmt Ebbe und Fluth32 als einen Beweis an, daß die anziehende Kraft des Mondes (virtus tractoria) sich bis zur Erde erstrecke; ja daß diese Kraft, "ähnlich der, welche der Magnet auf das Eisen ausübt", die Erde des Wassers berauben würde, wenn diese aufhörte dasselbe anzuziehen. Leider gab der große Mann zehn Jahre später, 1619, vielleicht aus Nachgiebigkeit gegen Galilei, welcher Ebbe und Fluth der Rotation der Erde zuschrieb, die richtige Erklärung auf, um in der Harmonice Mundi den Erdkörper als ein lebendiges Unthier zu schildern, dessen wallfischartige Respiration, in periodischem, von der Sonnenzeit abhängigen Schlaf und Erwachen, das Anschwellen und Sinken des Oceans verursacht. Bei dem mathematischen, schon von Laplace anerkannten Tiefsinne, welcher aus einer von Kepler's Schriften hervorleuchtet33, ist zu bedauern, daß der Entdecker von den drei großen Gesetzen aller planetarischen Bewegung nicht auf dem Wege fortgeschritten ist, zu welchem ihn seine Ansichten über die Massen-Anziehung der Weltkörper geleitet hatten. Mit einer größeren Mannigfaltigkeit von Naturkenntnissen als Kepler begabt und Gründer vieler Theile einer mathematischen Physik, unternahm Descartes in einem Werke, das er Traite du Monde, auch Summa Philosophiae quandam naturalem partibus inditam a divina providentia opificis universorum, ut in unitatem integritatemque suam sese conferant, in formam globi coëuntes: so finden wir bei Kepler in der Einleitung zu dem Buche de Stella Martis31 zuerst numerische Angaben von den Anziehungskräften, welche nach Verhältniß ihrer Massen Erde und Mond gegen einander ausüben. Er führt bestimmt Ebbe und Fluth32 als einen Beweis an, daß die anziehende Kraft des Mondes (virtus tractoria) sich bis zur Erde erstrecke; ja daß diese Kraft, „ähnlich der, welche der Magnet auf das Eisen ausübt“, die Erde des Wassers berauben würde, wenn diese aufhörte dasselbe anzuziehen. Leider gab der große Mann zehn Jahre später, 1619, vielleicht aus Nachgiebigkeit gegen Galilei, welcher Ebbe und Fluth der Rotation der Erde zuschrieb, die richtige Erklärung auf, um in der Harmonice Mundi den Erdkörper als ein lebendiges Unthier zu schildern, dessen wallfischartige Respiration, in periodischem, von der Sonnenzeit abhängigen Schlaf und Erwachen, das Anschwellen und Sinken des Oceans verursacht. Bei dem mathematischen, schon von Laplace anerkannten Tiefsinne, welcher aus einer von Kepler's Schriften hervorleuchtet33, ist zu bedauern, daß der Entdecker von den drei großen Gesetzen aller planetarischen Bewegung nicht auf dem Wege fortgeschritten ist, zu welchem ihn seine Ansichten über die Massen-Anziehung der Weltkörper geleitet hatten. 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quandam naturalem partibus inditam a divina providentia opificis universorum, ut in unitatem integritatemque suam sese conferant, in formam globi coëuntes: so finden wir bei Kepler in der Einleitung zu dem Buche de Stella Martis
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zuerst numerische Angaben von den Anziehungskräften, welche nach Verhältniß ihrer Massen Erde und Mond gegen einander ausüben. Er führt bestimmt Ebbe und Fluth
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als einen Beweis an, daß die anziehende Kraft des Mondes (virtus tractoria) sich bis zur Erde erstrecke; ja daß diese Kraft, „ähnlich der, welche der Magnet auf das Eisen ausübt“, die Erde des Wassers berauben würde, wenn diese aufhörte dasselbe anzuziehen. Leider gab der große Mann zehn Jahre später, 1619, vielleicht aus Nachgiebigkeit gegen Galilei, welcher Ebbe und Fluth der Rotation der Erde zuschrieb, die richtige Erklärung auf, um in der Harmonice Mundi den Erdkörper als ein lebendiges Unthier zu schildern, dessen wallfischartige Respiration, in periodischem, von der Sonnenzeit abhängigen Schlaf und Erwachen, das Anschwellen und Sinken des Oceans verursacht. Bei dem mathematischen, schon von Laplace anerkannten Tiefsinne, welcher aus einer von Kepler's Schriften hervorleuchtet
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, ist zu bedauern, daß der Entdecker von den drei großen Gesetzen aller planetarischen Bewegung nicht auf dem Wege fortgeschritten ist, zu welchem ihn seine Ansichten über die Massen-Anziehung der Weltkörper geleitet hatten.
Mit einer größeren Mannigfaltigkeit von Naturkenntnissen als Kepler begabt und Gründer vieler Theile einer mathematischen Physik, unternahm Descartes in einem Werke, das er Traité du Monde, auch Summa Philosophiae
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