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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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den verschiedenen Theilen der Sonnenscheibe nicht dieselbe, wäre z. B. das Centrum der Sonne leuchtender als der Rand; so würde, bei dem theilweisen Decken der Bilder, in dem gemeinschaftlichen Segmente des blauen und rothen Discus nicht ein reines Weiß, sondern ein blasses Roth erscheinen, weil die blauen Strahlen nur vermögend wären einen Theil der häufigeren rothen Strahlen zu neutralisiren. Erinnern wir uns nun wieder, daß in der gasförmigen Photosphäre der Sonne, ganz im Gegensatz mit dem, was in festen oder tropfbar-flüssigen Körpern vorgeht, die Kleinheit der Winkel, unter welchen die Lichtstrahlen emaniren, nicht ihre Zahl an den Rändern vermindert; so würde, da derselbe Visionswinkel an den Rändern eine größere Menge leuchtender Punkte umfaßt als in der Mitte der Scheibe, nicht auf die Compensation zu rechnen sein, welche, wäre die Sonne eine leuchtende eiserne Kugel, also ein fester Körper, an den Rändern zwischen den entgegengesetzten Wirkungen der Kleinheit des Strahlungswinkels und des Umfassens einer größeren Zahl von Lichtpunkten unter demselben Visionswinkel statt fände. Die selbstleuchtende gasförmige Umhüllung, d. i. die uns sichtbare Sonnenscheibe, müßte sich also im Widerspruch mit den Anzeigen des Polariscops, welches den Rand und die Mitte von gleicher Intensität gefunden, leuchtender in dem Centrum als an dem Rande darstellen. Daß dem nicht so ist, wird der äußersten, trüben Dunsthülle zugeschrieben, welche die Photosphäre umgiebt, und das Licht vom Centrum minder dämpft als die auf langem Wege die Dunsthülle durchschneidenden Lichtstrahlen der Ränder.24 Bouguer und Laplace, Airy und Sir John Herschel sind den hier entwickelten Ansichten meines Freundes entgegen; sie halten die Intensität des Lichtes der

den verschiedenen Theilen der Sonnenscheibe nicht dieselbe, wäre z. B. das Centrum der Sonne leuchtender als der Rand; so würde, bei dem theilweisen Decken der Bilder, in dem gemeinschaftlichen Segmente des blauen und rothen Discus nicht ein reines Weiß, sondern ein blasses Roth erscheinen, weil die blauen Strahlen nur vermögend wären einen Theil der häufigeren rothen Strahlen zu neutralisiren. Erinnern wir uns nun wieder, daß in der gasförmigen Photosphäre der Sonne, ganz im Gegensatz mit dem, was in festen oder tropfbar-flüssigen Körpern vorgeht, die Kleinheit der Winkel, unter welchen die Lichtstrahlen emaniren, nicht ihre Zahl an den Rändern vermindert; so würde, da derselbe Visionswinkel an den Rändern eine größere Menge leuchtender Punkte umfaßt als in der Mitte der Scheibe, nicht auf die Compensation zu rechnen sein, welche, wäre die Sonne eine leuchtende eiserne Kugel, also ein fester Körper, an den Rändern zwischen den entgegengesetzten Wirkungen der Kleinheit des Strahlungswinkels und des Umfassens einer größeren Zahl von Lichtpunkten unter demselben Visionswinkel statt fände. Die selbstleuchtende gasförmige Umhüllung, d. i. die uns sichtbare Sonnenscheibe, müßte sich also im Widerspruch mit den Anzeigen des Polariscops, welches den Rand und die Mitte von gleicher Intensität gefunden, leuchtender in dem Centrum als an dem Rande darstellen. Daß dem nicht so ist, wird der äußersten, trüben Dunsthülle zugeschrieben, welche die Photosphäre umgiebt, und das Licht vom Centrum minder dämpft als die auf langem Wege die Dunsthülle durchschneidenden Lichtstrahlen der Ränder.24 Bouguer und Laplace, Airy und Sir John Herschel sind den hier entwickelten Ansichten meines Freundes entgegen; sie halten die Intensität des Lichtes der

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[396/0401] den verschiedenen Theilen der Sonnenscheibe nicht dieselbe, wäre z. B. das Centrum der Sonne leuchtender als der Rand; so würde, bei dem theilweisen Decken der Bilder, in dem gemeinschaftlichen Segmente des blauen und rothen Discus nicht ein reines Weiß, sondern ein blasses Roth erscheinen, weil die blauen Strahlen nur vermögend wären einen Theil der häufigeren rothen Strahlen zu neutralisiren. Erinnern wir uns nun wieder, daß in der gasförmigen Photosphäre der Sonne, ganz im Gegensatz mit dem, was in festen oder tropfbar-flüssigen Körpern vorgeht, die Kleinheit der Winkel, unter welchen die Lichtstrahlen emaniren, nicht ihre Zahl an den Rändern vermindert; so würde, da derselbe Visionswinkel an den Rändern eine größere Menge leuchtender Punkte umfaßt als in der Mitte der Scheibe, nicht auf die Compensation zu rechnen sein, welche, wäre die Sonne eine leuchtende eiserne Kugel, also ein fester Körper, an den Rändern zwischen den entgegengesetzten Wirkungen der Kleinheit des Strahlungswinkels und des Umfassens einer größeren Zahl von Lichtpunkten unter demselben Visionswinkel statt fände. Die selbstleuchtende gasförmige Umhüllung, d. i. die uns sichtbare Sonnenscheibe, müßte sich also im Widerspruch mit den Anzeigen des Polariscops, welches den Rand und die Mitte von gleicher Intensität gefunden, leuchtender in dem Centrum als an dem Rande darstellen. Daß dem nicht so ist, wird der äußersten, trüben Dunsthülle zugeschrieben, welche die Photosphäre umgiebt, und das Licht vom Centrum minder dämpft als die auf langem Wege die Dunsthülle durchschneidenden Lichtstrahlen der Ränder. ²⁴ Bouguer und Laplace, Airy und Sir John Herschel sind den hier entwickelten Ansichten meines Freundes entgegen; sie halten die Intensität des Lichtes der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/401>, abgerufen am 01.06.2024.