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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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7 de Cusa Opera ed. Basil. 1565 p. 39): "neque color nigredinis est argumentum vilitatis Terrae; nam in Sole si quis esset, non appareret illa claritas quae nobis: considerato enim corpore Solis, tunc habet quandam quasi terram centraliorem, et quandam luciditatem quasi ignilem circumferentialem, et in medio quasi aqueam nubem et aerem clariorem, quemadmodum terra ista sua elementa." Daneben steht: Paradoxa und Hypni; das letzte Wort soll also hier gewiß Träumereien (enupnia), etwas Gewagtes bezeichnen. -- In der langen Schrift: Exercitationes ex Sermonibus Cardinalis (Opera p. 579) finde ich wieder in einem Gleichniß: "Sicut in Sole considerari potest natura corporalis, et illa de se non est magnae virtutis (trotz der Massen-Anziehung oder Gravitation!) et non potest virtutem suam aliis corporibus communicare, quia non est radiosa. Et alia natura lucida illi unita, ita quod Sol ex unione utriusque naturae habet virtutem, quae sufficit huic sensibili mundo, ad vitam innovandam in vegetabilibus et animalibus, in elementis et mineralibus per suam influentiam radiosam. Sic de Christo, qui est Sol justitiae ....." Dr. Clemens glaubt, dies alles sei mehr als glückliche Ahndung. Es scheint ihm "schlechterdings unmöglich, daß ohne eine ziemlich genaue Beobachtung der Sonnenflecken, sowohl der dunklen Stellen in denselben als der Halbschatten, Cusa sich an den angeführten Orten (considerato corpore Solis; in Sole considerari potest ....) auf die Erfahrung hätte berufen können." Er vermuthet: "daß der Scharfblick des Philosophen der neuesten Wissenschaft in ihren Ergebnissen vorgegriffen, und daß auf seine Ansichten Entdeckungen eingewirkt haben mögen, die erst Späteren zugeschrieben zu werden pflegen." Es ist allerdings nicht bloß möglich, sondern sogar recht wahrscheinlich, daß in Gegenden, wo die Sonne mehrere Monate verschleiert ist, wie während der garua im Littoral von Peru, selbst ungebildete Völker mit bloßen Augen Sonnenflecken gesehen haben; aber daß sie dieselben beachtet, beim Sonnendienst in ihre religiösen Mythen verflochten hätten, davon hat noch kein Reisender Kunde geben können. Die bloße und so seltene Erscheinung eines Sonnenfleckens, mit unbewaffnetem Auge in der niedrig stehenden oder dünn verschleierten, dann weißen, rothen, vielleicht grünlichen Sonnenscheibe gesehen, würde selbst geübte Denker wohl nie auf die Vermuthung mehrerer
7 de Cusa Opera ed. Basil. 1565 p. 39): »neque color nigredinis est argumentum vilitatis Terrae; nam in Sole si quis esset, non appareret illa claritas quae nobis: considerato enim corpore Solis, tunc habet quandam quasi terram centraliorem, et quandam luciditatem quasi ignilem circumferentialem, et in medio quasi aqueam nubem et aërem clariorem, quemadmodum terra ista sua elementa.« Daneben steht: Paradoxa und Hypni; das letzte Wort soll also hier gewiß Träumereien (ἐνύπνια), etwas Gewagtes bezeichnen. — In der langen Schrift: Exercitationes ex Sermonibus Cardinalis (Opera p. 579) finde ich wieder in einem Gleichniß: »Sicut in Sole considerari potest natura corporalis, et illa de se non est magnae virtutis (trotz der Massen-Anziehung oder Gravitation!) et non potest virtutem suam aliis corporibus communicare, quia non est radiosa. Et alia natura lucida illi unita, ita quod Sol ex unione utriusque naturae habet virtutem, quae sufficit huic sensibili mundo, ad vitam innovandam in vegetabilibus et animalibus, in elementis et mineralibus per suam influentiam radiosam. Sic de Christo, qui est Sol justitiae .....« Dr. Clemens glaubt, dies alles sei mehr als glückliche Ahndung. Es scheint ihm „schlechterdings unmöglich, daß ohne eine ziemlich genaue Beobachtung der Sonnenflecken, sowohl der dunklen Stellen in denselben als der Halbschatten, Cusa sich an den angeführten Orten (considerato corpore Solis; in Sole considerari potest ....) auf die Erfahrung hätte berufen können.“ Er vermuthet: „daß der Scharfblick des Philosophen der neuesten Wissenschaft in ihren Ergebnissen vorgegriffen, und daß auf seine Ansichten Entdeckungen eingewirkt haben mögen, die erst Späteren zugeschrieben zu werden pflegen.“ Es ist allerdings nicht bloß möglich, sondern sogar recht wahrscheinlich, daß in Gegenden, wo die Sonne mehrere Monate verschleiert ist, wie während der garua im Littoral von Peru, selbst ungebildete Völker mit bloßen Augen Sonnenflecken gesehen haben; aber daß sie dieselben beachtet, beim Sonnendienst in ihre religiösen Mythen verflochten hätten, davon hat noch kein Reisender Kunde geben können. Die bloße und so seltene Erscheinung eines Sonnenfleckens, mit unbewaffnetem Auge in der niedrig stehenden oder dünn verschleierten, dann weißen, rothen, vielleicht grünlichen Sonnenscheibe gesehen, würde selbst geübte Denker wohl nie auf die Vermuthung mehrerer
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[408/0413] ⁷ de Cusa Opera ed. Basil. 1565 p. 39): »neque color nigredinis est argumentum vilitatis Terrae; nam in Sole si quis esset, non appareret illa claritas quae nobis: considerato enim corpore Solis, tunc habet quandam quasi terram centraliorem, et quandam luciditatem quasi ignilem circumferentialem, et in medio quasi aqueam nubem et aërem clariorem, quemadmodum terra ista sua elementa.« Daneben steht: Paradoxa und Hypni; das letzte Wort soll also hier gewiß Träumereien (ἐνύπνια), etwas Gewagtes bezeichnen. — In der langen Schrift: Exercitationes ex Sermonibus Cardinalis (Opera p. 579) finde ich wieder in einem Gleichniß: »Sicut in Sole considerari potest natura corporalis, et illa de se non est magnae virtutis (trotz der Massen-Anziehung oder Gravitation!) et non potest virtutem suam aliis corporibus communicare, quia non est radiosa. Et alia natura lucida illi unita, ita quod Sol ex unione utriusque naturae habet virtutem, quae sufficit huic sensibili mundo, ad vitam innovandam in vegetabilibus et animalibus, in elementis et mineralibus per suam influentiam radiosam. Sic de Christo, qui est Sol justitiae .....« Dr. Clemens glaubt, dies alles sei mehr als glückliche Ahndung. Es scheint ihm „schlechterdings unmöglich, daß ohne eine ziemlich genaue Beobachtung der Sonnenflecken, sowohl der dunklen Stellen in denselben als der Halbschatten, Cusa sich an den angeführten Orten (considerato corpore Solis; in Sole considerari potest ....) auf die Erfahrung hätte berufen können.“ Er vermuthet: „daß der Scharfblick des Philosophen der neuesten Wissenschaft in ihren Ergebnissen vorgegriffen, und daß auf seine Ansichten Entdeckungen eingewirkt haben mögen, die erst Späteren zugeschrieben zu werden pflegen.“ Es ist allerdings nicht bloß möglich, sondern sogar recht wahrscheinlich, daß in Gegenden, wo die Sonne mehrere Monate verschleiert ist, wie während der garua im Littoral von Peru, selbst ungebildete Völker mit bloßen Augen Sonnenflecken gesehen haben; aber daß sie dieselben beachtet, beim Sonnendienst in ihre religiösen Mythen verflochten hätten, davon hat noch kein Reisender Kunde geben können. Die bloße und so seltene Erscheinung eines Sonnenfleckens, mit unbewaffnetem Auge in der niedrig stehenden oder dünn verschleierten, dann weißen, rothen, vielleicht grünlichen Sonnenscheibe gesehen, würde selbst geübte Denker wohl nie auf die Vermuthung mehrerer

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/413>, abgerufen am 23.11.2024.