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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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das Vorwärtsgehen der Aequinoctien in ein Rückwärtsgehen und demnach in eine Zunahme der Schiefe der Ekliptik wird verwandelt sein. Die Theorie lehrt, daß diese Zu- und Abnahme Perioden von sehr ungleicher Dauer ausfüllt. Die ältesten astronomischen Beobachtungen, welche uns mit genauen numerischen Angaben erhalten sind, reichen bis in das Jahr 1104 vor Christus hinauf und bezeugen das hohe Alter chinesischer Civilisation. Litterarische Monumente sind kaum hundert Jahre jünger, und eine geregelte historische Zeitrechnung reicht (nach Eduard Biot) bis 2700 Jahre vor Christus hinauf.40 Unter der Regentschaft des Tscheu-kung, Bruders des Wu-wang, wurden an einem 8füßigen Gnomon in der Stadt Lo-jang südlich vom gelben Flusse (die Stadt heißt jetzt Ho-nan-fu, in der Provinz Ho-nan) in einer Breite von 34° 46' die Mittagsschatten41 in zwei Solstitien gemessen. Sie gaben die Schiefe der Ekliptik zu 23° 54': also um 27' größer, als sie 1850 war. Die Beobachtungen von Pytheas und Eratosthenes zu Marseille und Alexandrien sind sechs und sieben Jahrhunderte jünger. Wir besitzen 4 Resultate über die Schiefe der Ekliptik vor unserer Zeitrechnung, und 7 nach derselben bis zu Ulugh Beg's Beobachtungen auf der Sternwarte zu Samarkand. Die Theorie von Laplace stimmt auf eine bewundernswürdige Weise, bald in plus, bald in minus, mit den Beobachtungen für einen Zeitraum von fast 3000 Jahren überein. Die uns überkommene Kenntniß von Tscheukung's Messung der Schattenlängen ist um so glücklicher, als die Schrift, welche ihrer erwähnt, man weiß nicht aus welcher Ursach, der großen vom Kaiser Schi-hoang-ti aus der Tsin-Dynastie im Jahr 246 vor Chr. anbefohlenen fanatischen Bücher-Zerstörung entgangen ist. Da der Anfang der 4ten ägyptischen

das Vorwärtsgehen der Aequinoctien in ein Rückwärtsgehen und demnach in eine Zunahme der Schiefe der Ekliptik wird verwandelt sein. Die Theorie lehrt, daß diese Zu- und Abnahme Perioden von sehr ungleicher Dauer ausfüllt. Die ältesten astronomischen Beobachtungen, welche uns mit genauen numerischen Angaben erhalten sind, reichen bis in das Jahr 1104 vor Christus hinauf und bezeugen das hohe Alter chinesischer Civilisation. Litterarische Monumente sind kaum hundert Jahre jünger, und eine geregelte historische Zeitrechnung reicht (nach Eduard Biot) bis 2700 Jahre vor Christus hinauf.40 Unter der Regentschaft des Tscheu-kung, Bruders des Wu-wang, wurden an einem 8füßigen Gnomon in der Stadt Lo-jang südlich vom gelben Flusse (die Stadt heißt jetzt Ho-nan-fu, in der Provinz Ho-nan) in einer Breite von 34° 46′ die Mittagsschatten41 in zwei Solstitien gemessen. Sie gaben die Schiefe der Ekliptik zu 23° 54′: also um 27′ größer, als sie 1850 war. Die Beobachtungen von Pytheas und Eratosthenes zu Marseille und Alexandrien sind sechs und sieben Jahrhunderte jünger. Wir besitzen 4 Resultate über die Schiefe der Ekliptik vor unserer Zeitrechnung, und 7 nach derselben bis zu Ulugh Beg's Beobachtungen auf der Sternwarte zu Samarkand. Die Theorie von Laplace stimmt auf eine bewundernswürdige Weise, bald in plus, bald in minus, mit den Beobachtungen für einen Zeitraum von fast 3000 Jahren überein. Die uns überkommene Kenntniß von Tscheukung's Messung der Schattenlängen ist um so glücklicher, als die Schrift, welche ihrer erwähnt, man weiß nicht aus welcher Ursach, der großen vom Kaiser Schi-hoang-ti aus der Tsin-Dynastie im Jahr 246 vor Chr. anbefohlenen fanatischen Bücher-Zerstörung entgangen ist. Da der Anfang der 4ten ägyptischen

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[454/0459] das Vorwärtsgehen der Aequinoctien in ein Rückwärtsgehen und demnach in eine Zunahme der Schiefe der Ekliptik wird verwandelt sein. Die Theorie lehrt, daß diese Zu- und Abnahme Perioden von sehr ungleicher Dauer ausfüllt. Die ältesten astronomischen Beobachtungen, welche uns mit genauen numerischen Angaben erhalten sind, reichen bis in das Jahr 1104 vor Christus hinauf und bezeugen das hohe Alter chinesischer Civilisation. Litterarische Monumente sind kaum hundert Jahre jünger, und eine geregelte historische Zeitrechnung reicht (nach Eduard Biot) bis 2700 Jahre vor Christus hinauf. ⁴⁰ Unter der Regentschaft des Tscheu-kung, Bruders des Wu-wang, wurden an einem 8füßigen Gnomon in der Stadt Lo-jang südlich vom gelben Flusse (die Stadt heißt jetzt Ho-nan-fu, in der Provinz Ho-nan) in einer Breite von 34° 46′ die Mittagsschatten ⁴¹ in zwei Solstitien gemessen. Sie gaben die Schiefe der Ekliptik zu 23° 54′: also um 27′ größer, als sie 1850 war. Die Beobachtungen von Pytheas und Eratosthenes zu Marseille und Alexandrien sind sechs und sieben Jahrhunderte jünger. Wir besitzen 4 Resultate über die Schiefe der Ekliptik vor unserer Zeitrechnung, und 7 nach derselben bis zu Ulugh Beg's Beobachtungen auf der Sternwarte zu Samarkand. Die Theorie von Laplace stimmt auf eine bewundernswürdige Weise, bald in plus, bald in minus, mit den Beobachtungen für einen Zeitraum von fast 3000 Jahren überein. Die uns überkommene Kenntniß von Tscheukung's Messung der Schattenlängen ist um so glücklicher, als die Schrift, welche ihrer erwähnt, man weiß nicht aus welcher Ursach, der großen vom Kaiser Schi-hoang-ti aus der Tsin-Dynastie im Jahr 246 vor Chr. anbefohlenen fanatischen Bücher-Zerstörung entgangen ist. Da der Anfang der 4ten ägyptischen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/459>, abgerufen am 23.11.2024.