Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

und Wiedererscheinen, und dann ein abermaliges Verschwinden bei einer Occultation gesehen habe, mögen wohl den Eintritt an einem zufällig durch Bergabfälle und tiefe Klüfte verunstalteten Mondrand bezeichnen.

Die großen Unterschiede des Licht-Reflexes in den einzelnen Regionen der erleuchteten Mondscheibe, und besonders der Mangel scharfer Abgrenzung in den Mondphasen an dem inneren Rande gegen den aschfarbenen Theil hin, erzeugten in der frühesten Zeit schon einige verständige Ansichten über die Unebenheiten der Oberfläche unseres Satelliten. Plutarch in der kleinen, aber sehr merkwürdigen Schrift vom Gesicht im Monde sagt ausdrücklich: daß man in den Flecken theils tiefe Klüfte und Thäler, theils Berggipfel ahnden könne, "welche lange Schatten wie der Athos werfen, der mit dem seinigen Lemnos erreicht".36 Die Flecken bedecken ohngefähr 2/5 der ganzen Scheibe. Mit bloßen Augen sind unter günstigen Verhältnissen in der Stellung des Mondes bei der Heiterkeit unserer Atmosphäre erkennbar: der Rücken des Hochlandes der Apenninen, die dunkle Wallebene Grimaldi, das abgeschlossene Mare Crisium, der von vielen Bergrücken und Kratern umdrängte Tycho.37 Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist behauptet worden, daß es besonders der Anblick der Apenninen-Kette gewesen sei, welcher die Griechen veranlaßt habe die Mondflecken für Berge zu halten und dabei, wie eben bemerkt, des Schattens des Athos zu gedenken, welcher in den Solstitien die eherne Kuh auf Lemnos erreichte. Eine andere, sehr phantastische Meinung über die Mondflecken war die, von Plutarch bestrittene, des Agesianax, nach welcher die Mondscheibe, gleich einem Spiegel, die Gestalt und Umrisse unserer Continente und des äußeren

und Wiedererscheinen, und dann ein abermaliges Verschwinden bei einer Occultation gesehen habe, mögen wohl den Eintritt an einem zufällig durch Bergabfälle und tiefe Klüfte verunstalteten Mondrand bezeichnen.

Die großen Unterschiede des Licht-Reflexes in den einzelnen Regionen der erleuchteten Mondscheibe, und besonders der Mangel scharfer Abgrenzung in den Mondphasen an dem inneren Rande gegen den aschfarbenen Theil hin, erzeugten in der frühesten Zeit schon einige verständige Ansichten über die Unebenheiten der Oberfläche unseres Satelliten. Plutarch in der kleinen, aber sehr merkwürdigen Schrift vom Gesicht im Monde sagt ausdrücklich: daß man in den Flecken theils tiefe Klüfte und Thäler, theils Berggipfel ahnden könne, „welche lange Schatten wie der Athos werfen, der mit dem seinigen Lemnos erreicht“.36 Die Flecken bedecken ohngefähr 2/5 der ganzen Scheibe. Mit bloßen Augen sind unter günstigen Verhältnissen in der Stellung des Mondes bei der Heiterkeit unserer Atmosphäre erkennbar: der Rücken des Hochlandes der Apenninen, die dunkle Wallebene Grimaldi, das abgeschlossene Mare Crisium, der von vielen Bergrücken und Kratern umdrängte Tycho.37 Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist behauptet worden, daß es besonders der Anblick der Apenninen-Kette gewesen sei, welcher die Griechen veranlaßt habe die Mondflecken für Berge zu halten und dabei, wie eben bemerkt, des Schattens des Athos zu gedenken, welcher in den Solstitien die eherne Kuh auf Lemnos erreichte. Eine andere, sehr phantastische Meinung über die Mondflecken war die, von Plutarch bestrittene, des Agesianax, nach welcher die Mondscheibe, gleich einem Spiegel, die Gestalt und Umrisse unserer Continente und des äußeren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0507" n="502"/>
und Wiedererscheinen, und dann ein abermaliges Verschwinden bei einer Occultation gesehen habe, mögen wohl den Eintritt an einem zufällig durch Bergabfälle und tiefe Klüfte verunstalteten Mondrand bezeichnen.</p>
                <p>Die großen Unterschiede des Licht-Reflexes in den einzelnen Regionen der erleuchteten Mondscheibe, und besonders der Mangel scharfer Abgrenzung in den Mondphasen an dem inneren Rande gegen den aschfarbenen Theil hin, erzeugten in der frühesten Zeit schon einige verständige Ansichten über die Unebenheiten der Oberfläche unseres Satelliten. Plutarch in der kleinen, aber sehr merkwürdigen Schrift <hi rendition="#g">vom Gesicht im Monde</hi> sagt ausdrücklich: daß man in den <hi rendition="#g">Flecken</hi> theils tiefe Klüfte und Thäler, theils Berggipfel ahnden könne, &#x201E;welche lange Schatten wie der Athos werfen, der mit dem seinigen Lemnos erreicht&#x201C;.<note xml:id="ftn580" next="ftn580-text" place="end" n="36"/> Die <hi rendition="#g">Flecken</hi> bedecken ohngefähr 2/5 der ganzen Scheibe. Mit bloßen Augen sind unter günstigen Verhältnissen in der Stellung des Mondes bei der Heiterkeit unserer Atmosphäre erkennbar: der Rücken des Hochlandes der <hi rendition="#g">Apenninen,</hi> die dunkle Wallebene <hi rendition="#g">Grimaldi,</hi> das abgeschlossene Mare Crisium, der von vielen Bergrücken und Kratern umdrängte <hi rendition="#g">Tycho.</hi><note xml:id="ftn581" next="ftn581-text" place="end" n="37"/> Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist behauptet worden, daß es besonders der Anblick der <hi rendition="#g">Apenninen-Kette</hi> gewesen sei, welcher die Griechen veranlaßt habe die Mondflecken für Berge zu halten und dabei, wie eben bemerkt, des <hi rendition="#g">Schattens</hi> des Athos zu gedenken, welcher in den Solstitien die eherne Kuh auf Lemnos erreichte. Eine andere, sehr phantastische Meinung über die Mondflecken war die, von Plutarch bestrittene, des Agesianax, nach welcher die Mondscheibe, gleich einem Spiegel, die Gestalt und Umrisse unserer Continente und des <hi rendition="#g">äußeren</hi> </p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0507] und Wiedererscheinen, und dann ein abermaliges Verschwinden bei einer Occultation gesehen habe, mögen wohl den Eintritt an einem zufällig durch Bergabfälle und tiefe Klüfte verunstalteten Mondrand bezeichnen. Die großen Unterschiede des Licht-Reflexes in den einzelnen Regionen der erleuchteten Mondscheibe, und besonders der Mangel scharfer Abgrenzung in den Mondphasen an dem inneren Rande gegen den aschfarbenen Theil hin, erzeugten in der frühesten Zeit schon einige verständige Ansichten über die Unebenheiten der Oberfläche unseres Satelliten. Plutarch in der kleinen, aber sehr merkwürdigen Schrift vom Gesicht im Monde sagt ausdrücklich: daß man in den Flecken theils tiefe Klüfte und Thäler, theils Berggipfel ahnden könne, „welche lange Schatten wie der Athos werfen, der mit dem seinigen Lemnos erreicht“. ³⁶ Die Flecken bedecken ohngefähr 2/5 der ganzen Scheibe. Mit bloßen Augen sind unter günstigen Verhältnissen in der Stellung des Mondes bei der Heiterkeit unserer Atmosphäre erkennbar: der Rücken des Hochlandes der Apenninen, die dunkle Wallebene Grimaldi, das abgeschlossene Mare Crisium, der von vielen Bergrücken und Kratern umdrängte Tycho. ³⁷ Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist behauptet worden, daß es besonders der Anblick der Apenninen-Kette gewesen sei, welcher die Griechen veranlaßt habe die Mondflecken für Berge zu halten und dabei, wie eben bemerkt, des Schattens des Athos zu gedenken, welcher in den Solstitien die eherne Kuh auf Lemnos erreichte. Eine andere, sehr phantastische Meinung über die Mondflecken war die, von Plutarch bestrittene, des Agesianax, nach welcher die Mondscheibe, gleich einem Spiegel, die Gestalt und Umrisse unserer Continente und des äußeren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/507
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/507>, abgerufen am 29.05.2024.